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„Die Pandemie ist vorbei“Debatte über Ende aller Corona-Maßnahmen nimmt Fahrt auf

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Ein Passant trägt seine FFP-2-Maske in der Hand. (Symbolbild)

Ein Passant trägt seine FFP-2-Maske in der Hand. (Symbolbild)

Die Corona-Pandemie läuft laut Experten gerade aus und sorgt für eine Debatte darüber, welche Maßnahmen noch sinnvoll sind. Die CDU/CSU fordert deshalb eine Sonder-MPK bereits Anfang Januar.

Die jüngsten Einschätzungen der Experten Christian Drosten und Christian Karagiannidis zu einem Auslaufen der Corona-Pandemie haben eine Debatte über das Ende der Schutzmaßnahmen in Deutschland ausgelöst. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, die letzten Einschränkungen sollten beendet werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht keinen Grund zur Eile und verweist auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Im ZDF-„Morgenmagazin“ erläuterte Kühnert am Dienstag, dass das bis zum 7. April nächsten Jahres gültige Infektionsschutzgesetz nur noch „ganz wenige Maßnahmen“ vorsehe wie zum Beispiel die Maskenpflicht im Bahn-Fernverkehr. Das Allermeiste liege in den Händen der Länder, insofern richte sich Buschmanns Äußerung an die Bundesländer. „Ich würde sagen: Wir erleben jetzt noch vier Monate Abschiedstournee des Infektionsschutzgesetzes, und wenn es dann keine Mutationen gibt, dann wird es auch wirklich in die Phase der Eigenverantwortung übergehen.“

Wir erleben jetzt noch vier Monate Abschiedstournee des Infektionsschutzgesetzes
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert

Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat die Union eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern Anfang Januar gefordert, um die Mehrzahl der Corona-Schutzmaßnahmen bundesweit zu beenden: „Es wird Zeit, die Pandemie endlich für beendet zu erklären. Die Ampel darf sich nicht länger um diese vor allem politische Entscheidung drücken“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), dem RND. „Europa geht zur Normalität über, nur die Ampel-Regierung hat nicht den Mut, die meisten Corona-Maßnahmen endlich zu beenden – so, wie es andere Staaten längst getan haben.“

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Union fordert Sonderkonferenz, um Corona-Schutzmaßnahmen bundesweit zu beenden

Der CDU-Politiker fügte hinzu: „Eine Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder Anfang Januar wäre das angemessene Format, um einen solchen Schritt gemeinsam mit den Bundesländern zu koordinieren“, so Sorge. „Es braucht in dieser Frage politische Führung und eine föderal abgestimmte Entscheidung“, forderte er. Masken- und Isolationspflichten müssen zum neuen Jahr mit wenigen Ausnahmen durch Empfehlungen ersetzt werden.

„Einzig im Gesundheitswesen und in der Pflege, also in vulnerablen Bereichen und Gruppen, bleiben besondere Schutzmaßnahmen angebracht“, so der Gesundheitspolitiker. Die hohe Immunität und die meist milden Verläufe zeigten, dass hierzulande von Corona keine erhebliche Gefahr mehr ausgehe. In einer solchen Lage müsse der Staat seine Eingriffe endlich zurücknehmen. „Wir müssen Corona hinter uns lassen. Normalität statt Alarmismus muss die Maxime des Bundesgesundheitsministers sein.“

Sicherlich kommt noch die eine oder andere Welle

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis hatte im RND-Interview die Frage bejaht, dass die Corona-Pandemie nach diesem Winter vorbei sein wird.“ Sicherlich werden wir noch die eine oder andere kleine Welle erleben. Aber wir merken, dass die Immunitätslage der Bevölkerung solide ist und wir auf den Intensivstationen deutlich weniger Covid-Patienten haben“, sagte der Experte.

In einem anschließend veröffentlichten Interview äußerte sich auch der Virologe Drosten: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.“ Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Ärztepräsident: Abbau der Maßnahmen vertretbar

Justizminister Buschmann forderte als politische Konsequenz, die letzten Corona-Schutzmaßnahmen zu beenden. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hält einen Abbau der rechtlich verbindlichen Maßnahmen für vertretbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne gesagt werden, dass die Pandemie derzeit in eine Endemie übergehe, also nur noch kleinere Infektionswellen auftreten, sagte Reinhardt am Dienstag im Deutschlandfunk. Er appellierte jedoch an die Bevölkerung, weiterhin Schutzmaßnahmen beizubehalten. „Ist es nicht klug, dass Menschen - auch für die Zukunft -, die Infekte haben, welcher Art auch immer, und die dann ansteckend sind, sich ein paar Tage lang isolieren, zurücknehmen, mit ein bisschen Umsicht und Nachsicht darüber nachdenken, inwieweit sie sich in Menschenansammlungen begeben?“, sagte Reinhardt.

Er sieht darin einen Anlass, beim Schutz vor Infektionen stärker auf Freiwilligkeit zu setzen. Wer einen Infekt habe, solle mit Umsicht und Nachsicht darüber nachdenken, ob er sich in Menschenansammlungen begibt. Wer krank ist, der solle zu Hause bleiben, sagte der Ärztepräsident. Das habe schon immer gegolten.

Das Tragen von Masken in bestimmten Situationen hält auch Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, für sinnvoll. „Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Montgomery sprach sich für das Tragen von Masken in Arztpraxen aus - ebenso in engen und schlecht belüfteten Innenräumen. Als Beispiel nannte Montgomery U- und S-Bahnen im Berufsverkehr.

Dahmen: Pandemie dank Impfungen überwunden

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag), er sehe einen „guten Grund zur Hoffnung, dass es dank der Impfung zumindest mit Corona mit dem Ende des Winters in Deutschland vorerst auch vorbei sein dürfte“. In China zeige sich dagegen, dass der Kampf gegen Corona mit Schutzmaßnahmen allein nicht zu gewinnen sei. „Ohne die Impfung hätten wir auch in Deutschland inzwischen wahrscheinlich über eine Million Tote zu beklagen“, sagte der Mediziner Dahmen.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt hat unterdessen Fehler bei der Corona-Politik eingeräumt. „Das Problem war, dass es eine Impfpflicht für Pflegepersonal gab, aber nicht wie verabredet eine allgemeine Impfpflicht“, sagte die stellvertretende Bundestagspräsidentin dem Nachrichtenportal t-online: „Das war ein Fehler. Ich verstehe alle, die das als ungerecht empfanden.“ Sie finde auch, „dass wir über Impfschäden sprechen müssen“: „Es gibt diese Fälle.“ Unterm Strich bleibe aber: „Die Impfung hat uns aus der Pandemie herausgeführt.“

Generell verteidigte Göring-Eckardt aber die Corona-Politik: „Die Pandemie war eine extrem schwierige Zeit. Ich kann für mich und für alle, die in der Spitzenpolitik in dieser Phase Verantwortung trugen, sagen: Wir haben immer danach geschaut, was das Beste und das Sinnvollste für die Menschen ist.“ (rnd)