Berlin – Rein rechnerisch sind nach der Bundestagswahl zwei Dreierbündnisse möglich: SPD, FDP und Grüne (Ampel) mit Olaf Scholz (SPD) als Kanzler und eine Jamaika-Koalition mit Union, FDP und Grünen – benannt nach den Flaggenfarben Schwarz, Gelb und Grün des karibischen Inselstaates – mit Armin Laschet (CDU) als Regierungschef. In beiden Fällen gibt es inhaltlich einige Klippen zu umschiffen.
Klima und Energie
Die Grünen wollen den Ausbau der Erneuerbaren stark beschleunigen: sie sollen um das Dreifache wachsen. Das würden Union, SPD und FDP wohl mitmachen, auch wenn die Liberalen drängen, nur planerisch Machbares anzuschieben. So bezweifeln sie, dass das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 – den die Grünen fordern – wegen der benötigten Energie möglich ist. Auch die SPD würde den früheren Ausstieg lieber vorher etappenweise prüfen.
Die Liberalen wollen Klimaschutz stärker über den CO2-Zertifikatehandel vorantreiben, die Grünen stehen dem sicher nicht im Weg. Wo es haken wird: Die Grünen wollen ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht, um Gesetze zu verhindern, die nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen sind. Das ist mit Union und FDP nicht zu machen, die SPD lehnt nicht gleich ab.
Steuern und Finanzen
Auch in Haushalts- und Steuerpolitik geht es um Glaubenssätze: Union und FDP bestehen auf der Schuldenbremse. Die SPD ist da weniger strikt, die Grünen dagegen klar für eine Aufweichung der Grundgesetzvorschrift. Sie wollen Ausgaben für Klimawende und Digitalisierung herausrechnen. Die Trennlinie bei Jamaika verläuft also zwischen Grünen und Schwarz-Gelb. In einer Ampel stehen sich Rot-Grün und FDP gegenüber.
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Verschärfend kommen unterschiedliche Vorstellungen in der Steuerpolitik hinzu: Union und FDP setzen trotz Schuldenbremse auf breite Steuersenkungen. Oben auf der Liste: Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, den nur noch Besserverdiener zahlen und ohne den der Staat jährlich 10 Milliarden Euro weniger einnimmt. SPD und Grüne wollen zwar auch geringe und mittlere Einkommen entlasten, setzen aber zur Gegenfinanzierung auf höhere Einkommensteuern für Besserverdiener sowie eine Vermögensteuer.
Die Komplettabschaffung des Solizuschlags lehnen beide Parteien ab. Die Vorstellungen der Lager scheinen unüberbrückbar. Aber es gibt Stellschrauben: So lässt der komplizierte Tarifverlauf der Einkommensteuer viele Möglichkeiten für gesichtswahrende Lösungen. Zudem könnten Änderungen schrittweise in Kraft treten. Spielräume im Haushalt könnten sich ergeben, weil die Konjunktur besser läuft als angenommen und weil im Haushalt noch Reserven wegen nicht abgeflossener Mittel bereitstehen.
Innere Sicherheit und Bürgerrechte
Als größte Gemeinsamkeit von FDP und Grünen gilt ihre jeweilige Bürgerrechtstradition. Die haben sie als Oppositionsparteien in der Außenpolitik betont – etwa beim Umgang mit China oder der Türkei, wo sie die Union als zu unkritisch rügten –, aber auch im Inneren, etwa in der Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung und präventiven Überwachung der Bürger. Damit liegen sie näher bei der SPD, die solchen Projekten bislang eher auf Druck der Union zustimmte.
Verbindend für CDU/CSU, FDP und Grüne ist, dass sie die Polizei personell besser ausstatten wollen. Beim Schutz der Bürgerrechte und der Forderung nach einer Reform der Sicherheitsbehörden stehen FDP und Grüne einander nah, während die Union bislang eine Law-and-Order-Politik vertrat. Die Sozialdemokraten haben große Überschneidungen mit Liberalen und Grünen bei Datenschutz, Bürgerrechten und in der Drogenpolitik.
Rentenniveau und Mindestlohn
Olaf Scholz hat vor der Wahl einen höheren Mindestlohn und eine Rentengarantie zu Koalitionsbedingungen erklärt: Der Mindestlohn soll auf zwölf Euro steigen – was die Grünen sofort mittragen würden –, Rentenniveau und Renteneintrittsalter stabil bleiben – was auch die Union unterstützt.
CDU und CSU haben den Mindestlohn bislang mitgetragen, Fans sind sie nicht – ließen auch die Erhöhung auf zwölf Euro in der GroKo scheitern. Auch die Liberalen tun sich mit dem Mindestlohn schwer, würden ihn jedoch nicht abschaffen. FDP und Union wollen die Verdienstgrenzen bei Mini- und Midijobs erhöhen und an die Entwicklung des Mindestlohns koppeln. Die FDP will die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge behalten – aber frei miteinander kombinierbar. Zudem ist sie für Flexibilität beim Renteneintrittsalter.
Hier trifft sie sich womöglich mit den Grünen, die die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung mit mehr Beteiligten umbauen wollen. Perspektivisch sollen alle Arten von Erwerbstätigkeit einbezogen werden. Auch sie wollen dabei das Rentenalter stabil bei 67 Jahren halten.