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Australiens „Dolch­stoß“Wie ein U-Boot-Deal zur Gefahr für die Nato wird

Lesezeit 4 Minuten
U-Boot

Das Angriffs-U-Boot USS Oklahoma City

Nachdem Australien einen U-Boot-Deal mit Frank­reich aufgekündigt hat und stattdessen Atom-U-Boote mithilfe der USA und Groß­britanniens erwirbt, ist Frank­reich empört: Die französi­schen Bot­schafter aus Canberra und Washington werden nach Paris zurück­berufen.

Zuvor hatte der französi­sche Außen­minister Jean-Yves Le Drian die Entscheidung Australiens bereits als „Dolch­stoß“ bezeichnet. Frank­reich fühle, dass das gegen­seitige Vertrauen „missbraucht“ worden sei.

Was derzeit noch Symbolik ist, könnte in den kommenden Monaten jedoch deutlich schwer­wiegendere Folgen haben. So twitterte Peter Ricketts, ein früherer britischer Bot­schafter in Frank­reich: „Unter­schätzen Sie die Reaktion in Paris nicht.“ Es sei nicht nur Wut, sondern ein echtes Gefühl des Verrats, nachdem Groß­britannien sowie die USA und Australien sechs Monate lang hinter dem Rücken Frank­reichs verhandelt hätten. „Ich habe den Bruch 2003 wegen des Irak erlebt“, schrieb er. „Das fühlt sich ebenso schlimm oder schlimmer an.“

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Affront gegenüber Frankreich

Wie groß der Affront gegenüber Frank­reich ist, wird deutlich, wenn man sich die Ereignisse der vergangenen Monate anschaut. Erst im Juni dieses Jahres war Australiens Premier­minister Scott Morrison noch im Elysee-Palast zu Gast. Frank­reichs Emmanuel Macron gab sich damals freund­schaftlich und sicherte gar seine Unter­stützung in der Region zu. „Sie stehen an vorderster Front der Spannungen in der Region, der Bedrohungen und manchmal auch der Einschüch­terung“, sagte der französi­sche Präsident. „Ich möchte hier noch­mals betonen, wie sehr wir an Ihrer Seite stehen.“

Morrison bestätigte beim Abend­essen, dass Australien und Frank­reich „gute Freunde“ und Partner seien. Doch zu diesem Zeit­punkt muss die trilaterale Partner­schaft mit den USA und Groß­britannien bereits besprochen worden sein – höchst­wahr­schein­lich beim G7-Gipfel in Corn­wall wenige Tage zuvor.

Schwer wiegt auch, dass die Verteidigungs- und Außen­minister Frank­reichs und Australiens erst Ende August in einem gemeinsamen Video­telefonat zusammen­gekommen waren, in dem die Bedeutung des französisch-australischen U-Boot-Deals erneut betont wurde. Dass die australischen Politiker damals nicht über die Pläne mit Washington und London informiert waren, ist wenig wahr­scheinlich. Auch die Art und Weise der Ankündigung vergangene Woche – ohne ausführliche Konsultation mit Paris – hat sicher zur Verärgerung der Franzosen beigetragen.

Die „großen und mächtigen Freunde“

Mit Aukus positioniert sich Australien nun eindeutig als verlängerter Arm der USA und der Briten im Indo­pazifik. Paris habe fest­stellen müssen, dass „der konditionierte Reflex, sich auf große und mächtige Freunde zu verlassen, in der australischen Psyche weit verbreitet ist“, schrieben zwei australische Historiker im akademischen Magazin „The Conver­sation“.

Australien pflegt seit jeher enge Beziehungen zur früheren Kolonial­macht Groß­britannien – nicht umsonst ist die britische Königin nach wie vor Australiens Staats­ober­haupt. Auch die enge Bindung zu den USA wird mit der neuen Sicherheits­partner­schaft Aukus und dem Atom-U-Boot-Deal nur vertieft. Australien ist seit 1951 militärischer Verbündeter der USA und zudem Teil der sogenannten „Five Eyes“-Partnerschaft, in der die Geheim­dienste von Australien, Neu­seeland, Kanada, Groß­britannien und den USA zusammenarbeiten.

Verlust der australischen Souveränität

Frank­reich hatte jedoch laut den Historikern eine echte strategische Allianz mit Australien angeboten, die auf gegen­seitigem Respekt und gemein­samen Werten basierte. Diese hätte Australiens Souveränität langfristig gestärkt und seine Partner­schaften diversifiziert, um seine Abhängigkeit von diesen „großen und mächtigen Freunden“ zu verringern. Letzteres mahnte auch der frühere australische Premier­minister Paul Keating an, der den U-Boot-Deal in harschen Worten kritisierte: Die Vereinbarung würde einen weiteren „dramatischen Verlust der australischen Souveränität“ mit sich bringen, schrieb der Sozial­demokrat in einem Kommentar.

Mit der neuen Partner­schaft sei auch eine „breitere westliche Allianz“ belastet worden, meinte Hervé Lemahieu, Forschungs­direktor des Lowy-Instituts, in einem Video­briefing. Der Betrug an Frank­reich würde den trans­atlantischen Graben weiter vertiefen und sei gleich­zeitig das „erste greifbare Zeichen, wie die Brexit-Politik in den Indo­pazifik überschwappt“. Bemerkens­wert sei dabei auch die neue geo­politische Rolle, die Australien einnimmt. „Was Groß­britannien einst in Zeiten des Kalten Krieges war, ist Australien nun in dieser neuen Ära der Spannungen im Indo­pazifik“, sagte er. „Die Bühne des Macht­kampfs hat sich verschoben – Australiens Relevanz hat zugenommen, und die Relevanz Groß­britanniens hat abgenommen.“

Australien muss mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen

Offen ist, wie sich der Ärger Frank­reichs auf andere bestehende Kooperationen und Verhand­lungen auswirken wird. „Es ist jedoch unwahr­schein­lich, dass die französisch-australische Partner­schaft angesichts der öffentlichen Demütigung Frank­reichs in absehbarer Zeit gerettet werden kann“, schrieben die Historiker Romain Fathi und Claire Rioult in ihrem Aufsatz in „The Conversation“. Australien werde nun mit wirt­schaft­lichen und diplomatischen Vergeltungs­maßnahmen von Frankreich rechnen müssen.

Der Streit um den geplatzten U-Boot-Deal belastet nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian die Zukunft der Nato. Der Vorfall habe Auswirkungen auf die Festlegung des neuen strategischen Konzepts der Verteidigungsallianz, sagte Le Drian am Samstag dem Sender France 2.

Auch die Frei­handels­abkommen mit der Euro­päischen Union könnten betroffen sein, die Groß­britannien wie auch Australien derzeit verhandeln. „Mit dem baldigen Rück­tritt von Bundes­kanzlerin Angela Merkel wird der französische Präsident Emmanuel Macron Vorrang haben, diese Freihandels­abkommen mitzugestalten“, so die Historiker. Die Aukus-Partner­schaft könnte Australien die Tür zu Europa und dessen Märkten für Jahr­zehnte blockieren.