Berlin – Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, und der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, haben gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) eindringlich vor einer Vergrößerung des Bundestages im Zuge der kommenden Bundestagswahl gewarnt und die große Koalition aus CDU, CSU und SPD und hier vor allem die CSU dafür verantwortlich gemacht.
Sie forderten zugleich, das Wahlrecht möglichst bald und auf jeden Fall vor der darauffolgenden Bundestagswahl nachhaltig zu ändern, sodass der Bundestag dann wieder kleiner wird. „Der nächste Bundestag muss das Wahlrecht reformieren“, sagte Haßelmann dem RND. Das steht sofort auf der Agenda.
Bis zu 949 Mandatsträger möglich
Eigentlich soll der Bundestag 598 Abgeordnete zählen. Schon jetzt sind es aber 709. Haßelmann und Buschmann gehen basierend auf der jüngsten Umfrage von Infratest Dimap davon aus, dass es nach dem 26. September schätzungsweise 837 Abgeordnete werden könnten; nach anderen Berechnungen könnten es sogar bis zu 949 Mandatsträger sein. „Es kann sein, dass wir in die Nähe der 1000er-Schwelle kommen“, sagte Buschmann. „Das ist kein Spaß mehr.“
Das Wachstum der Abgeordnetenzahl basiert auf den Überhangmandaten, die entstehen, wenn eine Partei mehr Erst- als Zweitstimmen erhält. Denn diese Überhangmandate werden durch Ausgleichsmandate kompensiert. So führt etwa ein Überhangmandat der CSU ungefähr zu 20 Ausgleichsmandaten bei anderen Parteien. Zwar hat die große Koalition im vorigen Jahr das Wahlrecht geändert.
Grüne: CSU tragen Verantwortung
Überhangmandate sollen mit Listenplätzen der jeweiligen Partei in anderen Ländern teilweise verrechnet werden. Einen weitergehenden Reformvorschlag von FDP, Grünen und Linken lehnten Union und SPD jedoch ab. Und da auch die großen Parteien nun voraussichtlich nicht mehr über 30 Prozent der Stimmen hinauskommen, entstehen durch die Diskrepanz bei Erst- und Zweitstimmenergebnis viel mehr Überhangmandate und dadurch mehr notwendige Ausgleichsmandate als bisher, sodass das Parlament wächst.
„Jetzt, wo wir dem Wahltag näherrücken, sehen alle, wie groß das Debakel ist“, sagte Haßelmann. Der Grünen-Politikerin zufolge trägt die CSU die Hauptverantwortung dafür. „Mich treibt immer wieder um, dass eine kleine Regionalpartei aus Bayern die Institution Bundestag in diese Situation hat bringen können“, sagte sie. CDU und SPD hätten sich dem gefügt. Auch Buschmann betonte: „Die größte Schuld trifft die CSU.“
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Beide sorgen sich um die Arbeitsfähigkeit und das Ansehen des Parlaments. „Den Bürgern wird in diesen Zeiten viel abverlangt“, sagte Buschmann. „Zugleich sehen sie, dass der Bundestag nicht in der Lage ist, sein eigenes Wachstum in den Griff zu bekommen. Das beschädigt die Institution.“ Deshalb müsse das Problem „bis zur nächsten Bundestagswahl gelöst sein“.
Die Sorge wird in weiten Teilen des Parlaments geteilt. Ein weiteres Wachstum hätte zur Folge, dass Büros knapp werden. Bereits jetzt wird eilig ein neuer Bürokomplex unweit des Reichstagsgebäudes errichtet, um dessen Herr zu werden. Zudem würden die Ausschüsse des Parlaments, in denen die Hauptarbeit an Gesetzentwürfen geleistet wird, so groß, dass sie ihrer Aufgabe nicht mehr effektiv nachkommen könnten.
Und schließlich würden die Kosten explodieren. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler kostet der Parlamentsbetrieb schon heute 333 Millionen Euro jährlich mehr, als er sollte, weil es 111 Abgeordnete mehr gibt als eigentlich vorgesehen. Würde der Bundestag auf 800 Parlamentarier anwachsen, betrügen die Mehrkosten pro Jahr 605 Millionen Euro, bei 900 Abgeordneten wären es 905 Millionen Euro.Niemand solle sagen, er habe das nicht gewusst, unterstrichen Haßelmann und Buschmann.