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CDU-KandidatWie Armin Laschet als Kanzler agieren könnte

Lesezeit 7 Minuten
  1. Armin Laschet ist machtwillig – aber oft unterschätzt worden
  2. Der CDU-Politiker erwartet eine „völlig neue Epoche“ im Falle des Wahlsiegs
  3. Möglicher Kanzleramtsminister könnte aus NRW kommen

Berlin – Armin Laschet hat an diesem Wochenende keine Schnitte. Oktober 2019, Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken. Die Parteiprominenz ist angereist. Friedrich Merz, der Verlierer der CDU-Vorsitzendenwahl vom Vorjahr, hat wieder Hochkonjunktur. Die JU feiert ihn wie einen Popstar.

Auch Jens Spahn, der eigentliche Liebling der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, wird bejubelt. Und CSU-Chef Markus Söder reißt sie sowieso vom Hocker.

Als Letzte spricht die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Beifall ist eher freundlich. Schon an jenem Wochenende wird getuschelt, ob AKK an der Spitze wohl durchhalten wird.

Alles zum Thema Armin Laschet

Ein Redner fällt damals nicht weiter auf: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Die JU findet „den Armin“ nett, sie nimmt ihn aber nicht ernst. Nach dem Rücktritt von Kramp-Karrenbauer kürt die Parteijugend ihren Nachfolgefavoriten: Friedrich Merz.

Dann wird aber Laschet zum neuen CDU-Chef gewählt – und die JU-Landesvorsitzenden geben mit großer Mehrheit diese Empfehlung für die Kanzlerkandidatur ab: Markus Söder.

Die Junge Union mit ihren gut 100 000 Mitgliedern steht weder für die ganze Union noch für die Wähler. Aber sie liefert den perfekten Anschauungsunterricht dafür, wie ausgerechnet der Mann gewinnt, den viele nicht auf dem Zettel haben. Dafür gibt es einen Grund.

Unterschätzt – wie Angela Merkel

Horst Seehofer hat über seine Parteifeindin Angela Merkel einmal gesagt, wer sie unterschätzt, hat schon verloren. Merkel und Laschet kommen aus völlig unterschiedlichen Welten: sie, die kinderlose, protestantische Naturwissenschaftlerin, sozialisiert in der DDR – er, der katholische Rheinländer, Vater dreier Kinder, politisch geprägt von Helmut Kohl.

Gemeinsam haben sie dies: unterschätzt zu werden. Nun steht Laschet ganz oben. Noch ein Sieg, und er wäre Bundeskanzler.

Das mag angesichts der vergleichsweise schlechten Umfragewerte sowohl für die Union als auch für Laschet persönlich, der nicht endenden Seitenhieben von Söder gegen ihn, des immer noch fehlenden Wahlprogramms und der Stärke der Grünen zweifelhaft erscheinen. Aber genau das sei Laschets Chance, sagen Weggefährten. Denn eine seiner Stärken sei die Aufholjagd.

Dabei wirkt er, wie zuletzt bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, auf viele Menschen oft sprunghaft, unkonzentriert, zu weich für die harte Politik. Es gibt Kritiker, die ihn als „den kleinen Karnevalsprinzen“ verspotten oder seinen Namen für den Appell, seine Ambitionen aufzugeben, zu einem „Lass et“ verhohnepipeln.

Nett sein – oder siegen

Gelassen hat er es aber nie. Seit 2017 hat der Rheinländer das Feld von hinten aufgerollt. Schon den Wahlsieg in NRW vor vier Jahren hatten ihm nicht viele zugetraut. Auch nicht, dass er es schafft, 2020 seinen Konkurrenten Jens Spahn als Nummer zwei in sein Tandem für die Vorstandswahl zu holen – und damit als Kandidaten zu verhindern.

Sein Sieg über Merz bei der Vorstandswahl im Januar galt keineswegs als ausgemacht. Sein Triumph über Söder im erbitterten Machtkampf um die Kanzlerkandidatur erst recht nicht.

Wer das durchsteht, kann so weich nicht sein. Seine rheinische Fröhlichkeit verstellt den Blick auf seinen ausgeprägten Machtwillen. So nett ist der Armin nämlich gar nicht, wenn er siegen will.

Einstecken kann er auch. Wie er, der Mann mit der Schuhgröße 41, die Gemeinheit mit dem „kleinen Karnevalsprinzen“ findet? Laschet sagt dem RND: „Ich regiere ein großes Industrieland, mit einer Stimme Mehrheit, mit Stabilität und Ruhe. Nordrhein-Westfalen kann man nicht mit Helau und Alaaf regieren. Aber ohne Gespür für Schützenfest und Karneval, also ohne Volksverbundenheit und Verständnis für unsere Vielfalt, kann man hier keine Wahl gewinnen.“

Welche Schwächen er hat? „Ich bin zufrieden“, antwortet Laschet nur.

Die FDP kommt Laschets Lebensgefühl näher als die Grünen. Das bevölkerungsreichste Bundesland, einst SPD-Stammland, regiert Laschet mit den Freien Demokraten und nur einer Stimme Mehrheit im Landtag. Er will keine Steuererhöhungen, und er will Ökologie und Ökonomie so verbinden, dass im Land der Auto-, Stahl- und Chemieindustrie Klimaneutralität und Strom bezahlbar bleiben. Das werde den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft ausmachen. Und das könnten weder SPD noch Grüne leisten, sagt er.

Das CDU-Kalkül zum Ausgang der Bundestagswahl

Die optimistische Rechnung der Union geht so: Grünen-Chefin Annalena Baerbock kann nur Kanzlerin in einer Koalition mit SPD und FDP oder SPD und Linken werden. Die SPD kann sich aber nicht zum Juniorpartner der Grünen machen. Die Union wird deutlich vor der SPD liegen.

Übrig bleibt also Laschet als Kanzler. Mit ihm würden die Union und das Land nach dem endgültigen Abgang von Merkel emotionaler, katholischer und konservativer.

Laschet sagt: „Das wird eine völlig neue Epoche. Alles muss auf den Prüfstand, was zu viel an Bürokratie und zu wenig an Digitalisierung ist. Und wir müssen wirtschaftliches Wachstum erzeugen.“ Der Klimaschutz ist für ihn eines der wichtigsten Themen. Er will ein „Modernisierungsjahrzehnt“ anschieben. Man weiß eben nur noch nicht, wie.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagt dem RND: „Er hat Fortschritte gemacht mit seiner Klimaschutzpolitik, vor zehn Jahren wäre das auch visionär gewesen. Aber die Zeit ist schon wieder über die CDU hinweggegangen. Das ist ihr klassisches Problem: Am Ende versteht sie es irgendwie, aber zehn Jahre zu spät.“

Özdemir ist aber froh, dass Laschet und nicht Söder Kanzlerkandidat der Union geworden ist. „Wer ist Markus Söder? Für was steht Markus Söder? Woran glaubt Markus Söder? Bei Armin Laschet weiß man, was man hat und was nicht. Er ist authentisch. Markus Söder hat sich erst an die AfD herangerobbt und dann an uns Grüne.“ Laschet sei „eine ehrliche Haut“. „Er ist kein Intrigant. Er ist verlässlich.“

Stimmungstest in Sachsen-Anhalt

Der nächste Test für Laschet wird die Landtagswahl am 6. Juni in Sachsen-Anhalt. Söder-Fans hatten mit der Vermutung gezündelt, Laschets Kanzlerkandidatur könnte noch einmal infrage gestellt werden, wenn die CDU dort von der AfD überholt werden würde. Inzwischen verstummen diese Stimmen, auch in der CDU in Sachsen-Anhalt. Söder stichelt unterdessen weiter.

Laschet traue ihm schon lange nicht mehr, heißt es CDU-intern. Gebrochene Absprachen bei der Corona-Bekämpfung hätten das bestätigt. Laschet sagt aber: „Mein Verhältnis zu Markus Söder ist gut und schon länger viel besser, als manche glauben wollten. Zwischen CDU und CSU gibt es seit Jahrzehnten auch mal Reibungen. Dagegen sind wir heute in größter Einigkeit.“Klingt rheinisch-fröhlich. Ist aber viel ernster. Entgegen der Planung wird die CSU doch wieder ein eigenes Bayern-Programm parallel zum gemeinsamen Unionswahlprogramm vorlegen.

Hilfe vom Wertkonservativen

Ein Name ist mit Laschets Aufstieg untrennbar verbunden: Nathanael Liminski. Schon seit 2014 ist er Laschets Berater. Man muss ein außergewöhnliches Polittalent sein, wenn man mit knapp 32 Jahren Staatskanzleichef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes wird und dazu noch Medienstaatssekretär.

Liminski kommt aus einem streng katholischen Elternhaus. Er ist das achte von zehn Kindern des Publizisten Jürgen Liminski, der Mitglied der ultrakonservativen katholischen Laienvereinigung Opus Dei ist. Der Sohn veröffentlichte als Politikstudent Beiträge auf der Website freiewelt.net – darunter Texte gegen Abtreibung und für Lebensschutz und gegen Angela Merkel, bei der er Haltung vermisste.

Als er Merkel später im Berliner Politikbetrieb mehr aus der Nähe erlebte, revidierte er sein Bild und zeigte sich beeindruckt von ihrer Bodenständigkeit. Vor allem aber von ihrem christlichen Menschenbild in der Flüchtlingskrise.

„Die Freie Welt“ ist Teil des politischen Vereins „Zivile Koalition“, den Beatrix von Storch 2005 gegründet hat. Da war die AfD noch nicht in Sicht und von Storch noch nicht mit dieser zum Teil rechtsradikalen Fraktion im Bundestag. Schon seit 2009 veröffentlicht Liminski dort keine Texte mehr.

Als Armin Laschet Spitzenkandidat in NRW wurde, um 2017 für die CDU die Landtagswahl zu gewinnen, gab es Zweifel in der Partei: „Mit dem sollen wir ein für die CDU verlorenes Land gewinnen?“ Liminski hingegen war überzeugt, dass Laschet genau der Richtige ist: geschichtsbewusst, heimatverbunden, empathisch, liberal, weltoffen. In einer unübersichtlichen Lage in einem Bundesland mit vielen Problemen.

Für Liminski wiederholt sich diese Situation nun – nur im Bund. Er hätte dann gute Chancen, Kanzleramtschef zu werden.Aber wie geht das zusammen, der liberale 60-jährige Laschet und der 25 Jahre jüngere, wertkonservative Liminski? Oder sind sie sich doch sehr ähnlich? Zumindest im katholischen Glauben, heißt es.

In der Annahme, dass es noch ein Leben danach gibt. Dass das hier nicht alles ist. Das mache frei, im Denken, im Fühlen und im Handeln. (RND)