AboAbonnieren

CoronavirusWann gibt es einen Impfstoff, und wie sicher wird er sein?

Lesezeit 7 Minuten
Corona Impfstoff

Das Mainzer Impfstoff-Entwickler Biontech hat einen offenbar wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 gefunden. 

  1. Das große Testen ist vorbei: Seit Anfang der Woche können sich Urlaubsrückkehrer nicht mehr kostenlos auf Corona untersuchen lassen.
  2. Deutschland braucht eine neue Strategie, um den Herbst und Winter zu überstehen. Ist die Corona-Impfung für alle die Lösung?
  3. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Corona-Impfung. Auch deutsche Unternehmen sind führend an der Entwicklung beteiligt.

Alles dreht sich um die eine Frage: Wann wird ein Impfstoff uns von den Pandemiesorgen befreien?

Die Bundesregierung fährt in Sachen Corona-Impfungen derzeit eine Doppelstrategie: Sie warnt vor der Erwartung, dass ein Impfstoff bald verfügbar sein wird. Zugleich versichert sie, dass in Deutschland nur Präparate zugelassen werden, die ausreichend getestet und damit sicher sind. Impfen soll eine Frage des Vertrauens werden.

Am Dienstag gaben in Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, eine Erklärung zum Stand der Forschung ab. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Wann gibt es einen Impfstoff?

Das lässt sich seriös nicht sagen. Niemand weiß, wie die Tests der Hersteller verlaufen und wann sie abgeschlossen sein werden. Eines kann aber mit Sicherheit gesagt werden: Zwischen der Zulassung eines Impfstoffes und der tatsächlichen Verfügbarkeit werden Monate liegen, auch in Deutschland. Das liegt an den weltweit begrenzten

roduktionskapazitäten für Impfdosen. Für die Hersteller lohnt es sich nicht, die Kapazitäten kräftig auszubauen, weil die Nachfrage nach der Durchimpfung der Weltbevölkerung wieder einbrechen wird. Gesundheitsminister Spahn geht deshalb davon aus, dass es auch in Deutschland eine Priorisierung geben muss: Zuerst sollen Ärzte und Pfleger geimpft werden, dann die Hochrisikogruppen, also ältere Menschen und chronisch Kranke. Einzelheiten zur Impfstrategie arbeitet derzeit die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (RKI) aus. Dabei muss auch geklärt werden, ob die Impfungen in neuen Impfzentren oder – wie üblicherweise – bei den Hausärzten gegeben werden. Unterm Strich spricht vieles für die Einschätzung von Bundesforschungsministerin Karliczek, dass erst Mitte nächsten Jahres breite Teile der Bevölkerung geimpft werden können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie viele Impfdosen hat sich Deutschland gesichert?

Gesundheitsminister Spahn hatte bereits im Juni zusammen mit Frankreich, Italien und den Niederlanden eine Impfallianz gegründet. Sie hat sich bis zu 400 Millionen Dosen des Impfstoffs gesichert, den Astra Zeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt. Inzwischen sind an dem Vertrag alle EU-Staaten beteiligt. Deutschlands Anteil an dem Deal beträgt 54 Millionen Dosen. Bei den deutschen Unternehmen Biontech und Curevac hat sich die Regierung weitere 40 Millionen Impfdosen zusichern lassen.

Das reicht aber noch nicht, weil keiner weiß, ob es diese Impfstoffe tatsächlich bis zur Zulassung schaffen, und weil vermutlich mehrfach geimpft werden muss. Um die Versorgung sicherzustellen, verhandelt die EU-Kommission nun mit allen Herstellern von aussichtsreichen Impfstoffentwicklungen. Für die in den Verträgen notwendigen Anzahlungen sollen bis zu 3 Milliarden Euro bereitgestellt werden.

Welche Unternehmen liegen bei der Entwicklung vorne?

In gewisser Weise ist das Rennen bereits entschieden: Sowohl China als auch Russland impfen nach eigenen Angaben Teile der Bevölkerung gegen Covid-19 mit in ihrem Land entwickelten Impfstoffen. China setzt demnach seit Juni bei Soldaten einen Impfstoff ein, Russland versucht seit August, zunächst medizinisches Personal mit Sputnik V zu immunisieren. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um Impfstoffkandidaten, die nach internationalen Kriterien nicht ausreichend getestet sind.

Weltweit werden derzeit 35 Impfstoffkandidaten am Menschen getestet. Am „weitesten“, weil bereits am längsten in der entscheidenden Phase III, ist der Impfstoff, an dem Oxford und Astra Zeneca arbeiten. Auch die Impfstoffe des US-Unternehmens Moderna, der deutschen Firma Biontech sowie ein chinesischer Impfstoff sind bereits seit Längerem in der dritten Phase – für diesen Herbst sind Ergebnisse angekündigt.

Wer sind die geförderten deutschen Unternehmen?

Unter den drei deutschen Unternehmen, die von der Bundesregierung gefördert werden oder werden sollen, sind zwei schillernde, oft genannte Stars der deutschen Biotechbranche – und ein bislang eher unbekannter Mittelständler aus Ostdeutschland. Das Tübinger Unternehmen Curevac – im Jahr 2000 gegründet, 450 Mitarbeiter stark – mit SAP-Gründer Dietmar Hopp als Mehrheitseigner zog angeblich bereits Begehrlichkeiten des US-Präsidenten Donald Trump auf sich; Biontech aus Mainz, spezialisiert auf individualisierte Krebsmedikamente, ist mit seinem Kandidaten bislang weltweit mit am schnellsten.

Biontech soll 375 Millionen Euro, Curevac – an dem sich der Bund bereits mit 300 Millionen beteiligt hat – 252 Millionen Euro erhalten. IDT Biologika, „Impfstoffwerk Dessau-Tornau“, ist spezialisiert auf Produktion und Abfüllung von Pharmazeutika und Impfstoffen. Entwickelt haben den Impfstoffkandidaten die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung. Die Verhandlungen mit dem Unternehmen stehen der Regierung zufolge kurz vor dem Abschluss.

Welche Ansätze verfolgen die deutschen Unternehmen?

Sowohl Curevac als auch Biontech nutzen für ihren Impfstoff die mRNA-Technologie: Dabei werden mithilfe von Botenträger-RNA Informationen über das Virus in die Zelle eingeschleust, die die Produktion von Antigenen provozieren, die dann wiederum zur Produktion spezifischer Antikörper führen sollen. Der große Vorteil ist, dass man – wenn sich der Ansatz in den Tests als erfolgreich herausstellt – geringste Mengen braucht, um eine Immunantwort hervorzurufen. Curevac könnte daher nach eigenen Angaben schon bis Ende des Jahres 100 Millionen Dosen herstellen.

Als Nachteil gilt unter anderem, dass die Boten-RNA sehr instabil ist und wahrscheinlich bis kurz vor der Impfung sehr stark gekühlt werden muss. Außerdem gibt es bislang keinen zugelassenen Impfstoff auf Basis der mRNA-Technik.Der dritte deutsche Kandidat von IDT und Deutschem Zentrum für Infektionsforschung basiert auf der Vektortechnik: Er nutzt ein abgeschwächtes Pockenvirus als Träger für Informationen über das Virus. Die Forscher haben diese Plattform bereits gegen das Mers-Coronavirus genutzt, deshalsind sie jetzt vergleichsweise schnell: Der Impfstoff soll demnächst in die erste klinische Phase starten.

Wie heikel ist Phase III?

Die dritte Phase ist der entscheidende Härtetest für jeden Impfstoff: Dabei wird an zumeist 30 000 Probanden getestet, ob er wirksam und sicher ist, ob er also wirklich vor einer Erkrankung schützt und ob es schwere Nebenwirkungen gibt. Da es in Europa derzeit zu wenige Infektionen dafür gibt, finden dieses Tests vor allem in Südamerika statt.Wie tückisch diese dritte Phase ist, zeigte sich zuletzt am Impfstoff von Astra Zeneca und der Universität Oxford, einem der bislang größten Hoffnungsträger: Wegen einer Nervenerkrankung einer Probandin stoppten die britischen Behörden die Tests; es war, wie sich dann herausstellte, bereits der zweite Zwischenfall dieser Art. Inzwischen laufen die Tests weiter. Es gilt jedoch weiter die alte Weisheit der Impfstoffentwicklung: Die meisten Kandidaten scheitern in Phase III.

Was wird ein Impfstoff kosten?

Mehrere große Pharmakonzerne haben bereits angekündigt, den Impfstoff zum Selbstkostenpreis abzugeben. Wie hoch dieser liegt, ist unklar. Schätzungen reichen bis zu 20 Dollar (17 Euro) je Dosis. Einen Anhaltspunkt bieten die bisher mit den Pharmafirmen abgeschlossenen Lieferverträge. So haben die vier EU-Staaten in ihrem Vertrag mit Astra Zeneca einen Preis von 2,50 Euro je Dosis vereinbart. Die USA bezahlen dem Konzern Pfizer dagegen fast 20 Dollar pro Dosis.

Für Deutschland geht es um Beträge, die ohne Probleme finanzierbar sind. Nimmt man einen Preis von 17 Euro pro Dosis und eine zweimalige Impfung der gesamten Bevölkerung an, würde die Immunisierung weniger als 3 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: Die Krankenkassen geben im Jahr rund 240 Milliarden Euro aus. Laut Spahn wird in der Bundesregierung noch darüber verhandelt, ob die Impfkosten aus dem Bundeshaushalt oder doch (wie bei Impfungen sonst üblich) von den Kassen bezahlt werden. Spahn ließ erkennen, dass er für eine Steuerfinanzierung eintritt.

Wird es in Deutschland eine Impfpflicht geben?

Nein. Spahn hat am Dienstag nochmals versichert, dass die Bundesregierung keine derartigen Pläne hat. Der Minister zeigte sich optimistisch, dass die für die Herdenimmunität bei Corona nötige Durchimpfungsrate von 55 bis 65 Prozent der Bevölkerung durch freiwilliges Impfen erreicht wird. „Wo Freiwilligkeit zum Ziel führt, brauchen wir keine Verpflichtung“, betonte der CDU-Politiker. Ziel der Regierung ist es laut Spahn, in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz für die Impfung zu erreichen. Deshalb stehe die Sicherheit eines Impfstoffes an oberster Stelle, nicht etwa die Schnelligkeit der Einführung.

Kann ein Impfstoff die Pandemie beenden?

Das größte Missverständnis über Corona-Impfstoffe betrifft den Glauben an ihre Allmacht: „Ich höre die ganze Zeit: ,Der Impfstoff wird das Ende der Pandemie sein„“, klagte der WHO-Generaldirektor für Europa, Hans Kluge, am Montag. „Natürlich nicht!“ Schon eine Wirksamkeit von 70 bis 75 Prozent gälte als großer Erfolg; mit einem nahezu 100-prozentigen Schutz rechnet kein seriöser Wissenschaftler.

Außerdem deuten bisherige Tests darauf hin, dass Impfungen möglicherweise vor einer Covid-19-Erkrankung oder zumindest einem schweren Verlauf schützen, aber eine Infektion nicht verhindern. Das hieße: Geimpfte würden zwar keine Symptome entwickeln, könnten das Virus aber weitergeben. So würden viele Leben gerettet, ausgerottet oder auch nur ungefährlich wäre das Virus aber mitnichten.