Christian Lindner lehnt den Vorschlag, Besserverdiener durch eine zeitlich begrenzte Anhebung des Spitzensteuersatzes oder einen Energie-Soli an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen, ab.
Entlastung für die breite MasseLindner lehnt Steuererhöhung für Besserverdiener ab
Am Tag nach der großen Aufregung versuchen es die „Wirtschaftsweisen“ erst mal mit „Business as usual“. Wirtschaftsforscherin Monika Schnitzer beginnt bei der Präsentation des Jahresgutachtens mit der traditionellen Wachstumsprognose. Die Zahlen - 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum in diesen und eine leichte Schrumpfung von 0,2 Prozent im nächsten - sind freilich längst bekannt. Auch die Inflationsprognose von 8 Prozent in diesem Jahr und 7,4 Prozent im kommenden Jahr überrascht niemanden mehr. Was am diesjährigen Gutachten interessiert, ist die deutliche Kritik des Sachverständigenrats an der Krisenpolitik der Bundesregierung sowie die Forderung nach Steuererhöhungen.
Die Maßnahmen der Regierung zur Entlastung der Menschen von den Kosten der Energiekrise seien „nicht zielgenau genug“, beklagte die Vorsitzende Schnitzer. Die Regierung pumpe zu viel Geld in das System und entlaste damit auch jene Einkommensgruppen, die das gar nicht nötig hätten. Unangenehme Nebenwirkungen wie zusätzliche Staatsschulden und ein Anheizen der Inflation kämen hinzu. Auch aus Gründen der Generationengerechtigkeit müsse die Bundesregierung zielgenauer vorgehen, argumentierte Schnitzer. „Unsere Kinder sollen nicht alles zahlen müssen.“
Anhebung würde „die Inflationswirkung begrenzen“
Der an der Universität Duisburg-Essen lehrende Ökonom Achim Truger verteidigte den Vorschlag des Fünfer-Gremiums, Besserverdiener durch eine zeitlich begrenzte Anhebung des Spitzensteuersatzes oder einen Energie-Soli an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen. „Das würde das Gesamtpaket zielgenauer machen, die fiskalische Belastung reduzieren und die Inflationswirkung begrenzen“, sagt er.
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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt diesen Vorschlag strikt ab. In einer Analyse von Ökonomen seines Ministeriums, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, heißt es, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes würde die arbeitende Mitte der Gesellschaft sowie viele Mittelständler und Familienunternehmen belasten. „Steigende Steuerbelastungen bei abnehmenden Realeinkommen erhöhen das Risiko einer Rezession und schwächen die Kaufkraft von Haushalten und die Investitionstätigkeit der Unternehmen“, warnen die Autoren.
Um die Wirtschaft zu stabilisieren seien vielmehr Entlastungen für die Breite der Gesellschaft nötig. Die Forschung zeige, dass staatliche Entlastungsmaßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung nicht nur auf einkommensschwache Privathaushalt konzentriert werden sollen. Liquiditätsprobleme könne es auch bei grundsätzlich einkommensstarken, zumeist jungen Familien mit Kindern geben, wenn diese beispielsweise gerade begonnen hätten, ein Eigenheim zu finanzieren.
„Energie-Solis“ würden laut Ministerium Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten
„Die Stützung aller liquiditätsbeschränkten Haushalte und Unternehmen verhindert einen Zusammenbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, heizt die Inflation aber nicht zusätzlich an“, wird in der Analyse argumentiert. Das Ministerium weist zudem die These der Wirtschaftsweisen zurück, die Hilfspakete seien nicht sozial gerecht ausgestaltet. Da sie über Schulden finanziert würden, müssten sie in Zukunft über Steuern zurückgezahlt werden. Diese seien aber schon heute so ausgestaltet, dass breitere Schultern eine höhere Last trügen. Die Einführung eines „Energie-Solis“ würde nach Ansicht der Ministeriums-Ökonomen für Personengesellschaften einen dauerhaften Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten.
„Neue Steuern insbesondere für Selbständige und Gewerbetreibende schwächen die Innovationskraft der Wirtschaft und damit das Wirtschaftswachstum der Zukunft“, heißt es. Auch die Zusage einer strengen zeitlichen Befristung helfe dabei nicht, denn nach den Erfahrungen mit dem Solidaritätszuschlag erscheine das „wenig glaubwürdig“. Schließlich sei der Soli 1991 befristet für ein Jahr eingeführt worden und werde seitdem erhoben. „Es besteht dementsprechend die relevante Gefahr, dass die Belastung sich dauerhaft verfestigt“, mahnen die Ökonomen von Lindner.
Unternehmen profitieren von Entlastungen
Die Autoren des Ministeriums verweisen zudem auf eine sinkende Attraktivität des Standorts Deutschland im internationalen Vergleich, sollten die Steuern angehoben werden. „Die hohe Steuern- und Abgabenbelastung ist bereits im Status Quo eine signifikante Schwäche des Standorts Deutschland“, schreiben sie. Um außerdem im globalen Wettbewerb um Fach- und Spitzenkräfte zu bestehen, empfehle der Sachverständigenrat selbst eine Erhöhung der Attraktivität Deutschlands als Zielland.
„Eine Steuererhöhung würde dabei jedoch insbesondere in Konkurrenz zu Ländern mit niedrigeren Steuern wie USA oder Schweiz diesem Ziel zuwiderlaufen“, warnt das Finanzministerium. Den Einwand halten wie Wirtschafsweisen für unbegründet. Die Mehrbelastung sei doch zeitlich begrenzt, argumentiert Schnitzer. Und Truger weist daraufhin, dass die Unternehmen im Gegenzug ja auch von den Entlastungen profitieren würden. Sein Rat: „Ich empfehle, die Sache entspannter zu sehen.“ (RND)