- Plastiktütenverbot, Abwrackprämie für Ölöfen, Flugverbot: Politiker aller Parteien entdecken den Klimaschutz – und formulieren allerlei Vorschläge.
- Aber was bringt wirklich etwas – und was ist vor allem Symbolpolitik? Wir bewerten die wichtigsten Vorschläge im Vergleich.
- Außerdem erklären wir, wo Deutschland als Klimakiller im weltweiten Vergleich dasteht und warum einige Experten sogar jegliche deutsche Klimapolitik für unnütz erklären.
Klimapolitik betreiben die Parteien und Regierungen aller Länder schon seit Jahrzehnten, immerhin warnt die Wissenschaft bereits seit den 1980er-Jahren vor der globalen Erwärmung und ihren negativen Folgen. Doch in der deutschen Innenpolitik wurde das Thema lange nicht so heiß debattiert wie dieser Tage. Abwrackprämien für alte Ölheizungen, Verbot von Plastik, Turboausstieg aus dem Kohlestrom: Selbst Politiker konservativer Parteien übertreffen sich mit Vorschlägen zum Klimaschutz.
Wer aber nachrechnen will, was tatsächlich dem Klima nützt und was eher dem Image als Weltretter, hat es schwer. Natürlich sind manche symbolische Forderungen schnell als solche zu erkennen: Wenn etwa Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) einen „klimaneutralen Bundestag” fordert - also etwa Ausgleichszahlungen für Dienstflüge. Noch abstrakter ist der Ruf danach, Nachhaltigkeit als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen.
Deutschland auf Platz 6 der Klima-Sünder
Skeptische Geister erklären sogar jegliche deutsche Klimapolitik für unnütz: Da der deutsche Anteil am weltweiten CO2 -Ausstoß nur 2 Prozent betrage, könne die Bundesrepublik wohl kaum die Erderwärmung abwenden - egal, wie sich die Deutschen mühen. Dazu muss gesagt werden, dass Deutschland mit diesen 2 Prozent immerhin auf Platz sechs der weltgrößten Klimasünder liegt (Spitzenreiter sind China mit 28 und die USA mit 16 Prozent). Zudem sind China und die USA jeweils über 25-mal größer als Deutschland. Pro Quadratmeter stößt Deutschland mehr CO 2 aus als die beiden Wirtschaftsriesen.Und schließlich kommt dann doch die Vorbildrolle hinzu: Wenn die starken Wirtschaftsnationen nicht anfangen, auf eine klimaschonende Lebensweise umzustellen – warum sollten die Schwellenländer es dann tun?
CO 2 -Steuer: Schwierig und wirkungsvoll
Irgendwann solle es eine „irgendwie geartete CO2 -Bepreisung geben”. So hat Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, die Haltung der Bundesregierung zum Thema CO 2 -Steuer umschrieben. Tatsächlich fehlt es bislang an eindeutigen Aussagen. Klar ist, dass auch in den Sektoren Verkehr und Wärme der CO 2 -Ausstoß verteuert werden soll. Zwei Varianten sind im Gespräch. Erstens ein fixer Preis, der von der Politik festgelegt wird. Da reichen die Vorschläge von 20 Euro bis weit über 100 Euro pro Tonne CO 2 . Dieser Preis würde dann auch auf Treibstoff, Heizöl und Erdgas aufgeschlagen. 40 Euro pro Tonne würde etwa bei Benzin ein Plus um die zehn Cent pro Liter bedeuten.
Zweitens: Verkehr und Wärme sollen in den Handel mit Emissionszertifikaten integriert werden, an dem schon die Industrie, die Energiebranche und die Luftfahrt teilnehmen. Der Charme dieser Lösung liegt darin, dass sich Preise nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage bilden. Der Nachteil: Die Integration ist komplex. In jedem Fall aber muss eine Frage beantwortet werden: Wie lassen sich zusätzliche Belastungen für Pendler und Menschen, die in unsanierten Häusern leben, abfedern? In der Politik geht die Angst um, dass eine CO 2 -Bepreisung massiv der AfD nützen könnte.
Der Baum – neuer Star der Klimaschützer
Armin Laschet hat sich für eine „Baumprämie” starkgemacht. Wer aufforstet, soll dafür Geld vom Staat erhalten. Der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen spricht damit das Thema des natürlichen Klimaschutzes an, das derzeit Hochkonjunktur hat. Ausgelöst auch durch eine Studie der ETH Zürich, in der die These vertreten wird, dass Aufforstung die effektivste Form des Klimaschutzes sei, erlebt der Baum eine Renaissance als Symbol für die Rettung der Natur vor den schädlichen Einflüssen der Menschen.
Die Experten haben hochgerechnet, dass zwei Drittel der von Menschen gemachten CO2-Emissionen durch ein gigantisches Baumpflanzprojekt absorbiert werden könnten. Dafür müssen aber fast eine Million Hektar Land bewaldet werden. Das entspricht der Fläche der USA. Die ETH-Experten gehen dennoch davon aus, dass dies umsetzbar ist - und zwar, ohne Agrar- und Besiedlungsflächen zu beschneiden. Das Problem ist nur, dass die Aufforstungsareale vor allem in Ländern liegen, wo Regierungen an der Macht sind, die nicht unbedingt Klimaschutzpioniere sind: in Russland, den USA, China oder in Brasilien, wo der Wald gerade seit Wochen brennt.
E-Autos rechnen sich nur auf Strecke
Die Umstellung auf Elektromobilität wird allenthalben als eine Art Königsweg zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr dargestellt. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat gerade darauf hingewiesen, dass ein E-Auto im Schnitt weniger als halb so viel CO2 in die Luft bläst wie ein vergleichbarer Pkw mit Benzinmotor. Dabei handele es sich um ein Fahrzeug, das mit „Normalstrom” getankt werde - der kommt mittlerweile zu mehr als 40 Prozent aus regenerativen Quellen.
Allerdings ist die Rechnung unvollständig. Für die Herstellung des E-Autos sind erheblich größere Energiemengen nötig als für Autos mit Verbrennern - massiv schlägt hier die Fertigung der Batterie zu Buche. Dieser Nachteil wird erst nach vielen tausend Kilometern Fahrleistung ausgeglichen. Umweltforscher des Heidelberger Ifeu-Instituts weisen deshalb auch darauf hin, dass die Vorteile der Stromer mit einer wachsenden Größe der Batterie immer weiter abnehmen. Ein schweres Elektro-SUV ist also oft schädlicher für das Klima als ein Kleinwagen mit einem effizienten Verbrennungsmotor.
E-Roller – eine schlechte Klimabilanz
Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, hat die Elektrotretroller kürzlich noch "als eine ideale Ergänzung zu Bus und Bahn" bezeichnet. Damit könne der öffentliche Personennahverkehr attraktiver gemacht werden. Mit ähnlichen Worten hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für die Kleinstfahrzeuge Werbung gemacht. Doch inzwischen gibt es massive Zweifel an ihrem Nutzen. Erste Analysen des Nutzerverhaltens haben ergeben, dass die Gefährte kaum von Berufstätigen genutzt werden, um die sogenannte letzte Meile zu überwinden.
Die Deutsche Umwelthilfe weist darauf hin, dass die Scooter auch kaum von Menschen genutzt werden, die vom Auto umsteigen. Stattdessen handele es sich um diejenigen, die zuvor eher per Fahrrad, zu Fuß oder mit Bahn und Bus unterwegs waren. Wird das Rad durch einen Leihscooter ersetzt, fällt die Klimabilanz eindeutig aus: Zwar erzeugt der Tretroller im Fahrbetrieb keine lokalen Emissionen, doch die Fahrzeuge müssen abends mittels Diesel-Lieferwagen eingesammelt werden. Hinzu kommt, dass die Lebensdauer maximal drei Monate beträgt. Die Energie für die Herstellung - insbesondere der Batterie - schlägt deshalb bei den Treibhausgas-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus besonders stark durch.
Fleischverzicht ist Klimaschutz
Der Verzicht auf Fleischkonsum ist aktiver Klimaschutz. Etwa ein Siebtel der weltweiten Treibhausgasemissionen stammt aus der Aufzucht und Verarbeitung von Tieren. Das ist mehr als die Belastung durch den Verkehr. Den höchsten Anteil daran haben Rinder. Bei deren Verdauungsprozessen entsteht Methan, das um ein Vielfaches stärker wirkt als Kohlendioxid. Aber nicht nur die Ernährung und die Haltung der Tiere belasten Umwelt und Klima. Auch Gülle, das Abholzen von Wäldern zur Schaffung von Weideflächen, etwa in Brasilien, und im besonderen Maß der Anbau von Futterpflanzen bringen eine schlechte Klimabilanz. Auch weil auf den gleichen Anbauflächen Nahrungsmittel erzeugt werden könnten, die zum direkten Verzehr bestimmt sind.
Die Diskussionen über steigenden Fleischkonsum zeigen Wirkung. Vegane Burger erleben vor allem in den USA einen Boom, aber auch hierzulande steigt die Anzahl derjenigen, die sich fleischlos oder zumindest bewusst fleischarm ernähren. Der Ersatz für tierische Buletten wird in den USA unter anderem aus Erbsenpüree, Soja, Bohnen und Roter Bete gefertigt. Es handelt dabei sich allerdings oft um industrielle Produkte, die nur mit einem enormen Aufwand an Energie hergestellt werden können.
Kohle-Ausstieg – so schnell wie möglich
Die Bundesregierung will schon in der nächsten Woche Milliardenhilfen zum Abfedern des Kohleausstiegs auf den Weg bringen. Dabei sind noch viele Fragen beim Ausstieg offen. Vor allem der Zeitplan ist umstritten. 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden. Doch der Druck wächst, stärker aufs Tempo zu drücken. So haben gerade zehn große Umweltverbände ein Sofortprogramm vorgestellt, dem zufolge der Termin auf das Jahr 2030 vorverlegt werden soll.
Die schnellere Abschaltung ist grundsätzlich sinnvoll, schließlich stammt noch immer mehr als ein Fünftel der hiesigen CO2 -Emissionen aus Kohlekraftwerken. Und Deutschland wird das für 2020 angepeilte Klimaziel (40 Prozent weniger CO 2 -Emissionen im Vergleich zu 1990) deutlich verfehlen. Das muss schnell nachgeholt werden, auch um 2030 eine Reduktion um 55 Prozent zu schaffen. Ein schnellerer Kohleausstieg hat allerdings seine Tücken. Nicht nur, weil in den Braunkohlerevieren Arbeitsplätze früher abgebaut würden. Zugleich gilt es die Stromversorgung zu sichern. Deshalb müssen gleichzeitig erneuerbare Energien hochgefahren werden. Der Ausbau der Windenergie an Land - das neue Rückgrat der Stromerzeugung – stockt allerdings.
Mehr Dämmung braucht das Land
Klimaschutz zu Hause ist buchstäblich naheliegend - und enorm wichtig. Der Energieverbrauch von Gebäuden ist der größte Einzelposten beim CO2 Ausstoß. Er macht ein Drittel der gesamten Emissionen aus. Doch gerade auf diesem Feld geschieht viel zu wenig. Laut Deutscher Energieagentur (Dena) sind 85 Prozent der Fassaden hiesiger Immobilien entweder gar nicht oder zumindest unzulänglich gedämmt. Zugleich ist die Sanierungsrate zu gering. Nachträgliche Wärmedämmung ist teuer und aufwendig. Die Investitionen machen oft erst nach vielen Jahren bezahlt. Dabei gibt es eine große Zahl von Zuschussprogrammen - unter anderem von der staatlichen Förderbank KfW, von Kommunen und örtlichen Energieversorgern. Doch das reicht offenbar nicht. Nun wird in Berlin seit geraumer Zeit an einem Gebäudeenergiegesetz gebastelt, das neuen Schwung bringen soll. Doch unter anderem die Unternehmensinitiative Energieeffizienz kritisiert, dass die vorliegenden Vorschläge keine zusätzlichen CO 2 -Einsparungen bringen, sondern nur bestehende Standards fortschreiben. Von vielen Seiten kommt deshalb die Forderung, endlich energetische Sanierungen mit großzügigen Steuererleichterungen für Hausbesitzer zu fördern.
Uralt-Heizungen abwracken? Gute Idee!
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kamp-Karrenbauer hat eine Abwrackprämie für alte Ölheizungen gefordert. Das kann den Klimaschutz voranbringen. Denn hierzulande bullern noch Millionen überalterte Aggregate, die höchst ineffizient arbeiten. Ein Viertel der Heizungen ist 25 Jahre alt oder älter. Im Schnitt erzeugen sie seit 17 Jahren Wärme. Die Erneuerungsquote ist so gering, dass es noch bis etwa ins Jahr 2040 dauern würde, bis alle Uraltbrenner ausgetauscht sind. Laut dem Energieverband BDEW kann bei rund 2,6 Millionen Gebäuden hierzulande die alte Ölheizung problemlos entweder durch eine moderne Gasheizung oder durch Fernwärme ersetzt werden.
Allein dadurch ließen sich jährlich 14 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Summe würde sich mehr als verdoppeln, wenn alle Ölheizungen durch Gasheizungen ersetzt würden. Doch ist das der richtige Weg? Das Klimaziel ist, bis 2050 eine weitgehende Dekarbonisierung zu erreichen. Das heißt, auch vom Erdgas müssen wir uns früher oder später verabschieden. Für die Zukunft des Heizens setzen Energieexperten vor allem auf Wärmepumpen, die mit erneuerbarem Strom arbeiten. Bioenergie, vor allem Holz, Solarthermie und Geothermie, muss in Zukunft zur Wärmeerzeugung verstärkt installiert werden.