Zahl der Impfdurchbrüche steigtImmer mehr Intensivstationen am Limit
Lesezeit 3 Minuten
Berlin/Köln – „Unsere Intensivstation ist voll“, sagt Uwe Janssens Er ist Chefarzt für Intensivmedizin der Klinik in Eschweiler und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Besonders die Zahl der Patienten mit Impfdurchbruch steigt deutschlandweit stark an: Aktuell haben nahezu 44 Prozent der über 60-jährigen Patienten mit Covid-19 auf Intensivstationen einen Impfdurchbruch. „Das hat deutlich und sprunghaft zugenommen“, sagt Janssens dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Krankenhäuser in Deutschland sind wegen der steigenden Inzidenzen und der hohen Zahl an Covid-Patienten auf Intensivstationen in Alarmbereitschaft. „Wir sind in einer sehr kritischen Phase der Pandemie“, so der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, gegenüber dem RND. Er warnt, dass die Zahl der Intensivpatienten bis Ende der Woche auf rund 3000 anwachsen und weiter steigen wird. „Der Wert von 4.000 belegten Covid-Intensivbetten ist praktisch nicht mehr zu vermeiden.“
Rufe nach strengeren Maßnahmen werden lauter
Die Folge sei, dass Kliniken die planbaren Operationen jetzt sofort verschieben müssten. Dies betreffe über kurz oder lang immer mehr Bundesländer, so Gaß. Am Mittwoch waren bereits in fünf Bundesländern weniger als zehn Prozent der Intensivbetten frei. Da eine Intensivstation aus zehn bis zwölf Betten besteht, steht vielen Kliniken nur noch ein einziges Bett für die Notfallversorgung zur Verfügung. Auf den Intensivstationen müssen jedoch auch Patienten mit einem Schlaganfall oder Herzinfarkt behandelt werden.
Daher stoßen viele Kliniken schon jetzt an ihre Grenzen: Die Berliner Charité hat bereits am Dienstag alle planbaren Operationen abgesagt und auch Kliniken in Schleswig-Holstein, Thüringen und Baden-Württemberg haben wegen der angespannten Situation Operationen bereits verschoben. In Bayern meldeten am Mittwoch mehr als 20 Kommunen, dass sie kein einziges freies Intensivbett mehr haben. Auch Intensivmediziner Janssens rechnet damit, bald Operationen verschieben zu müssen.
Diese Entwicklung wird weitergehen, ist sich Gaß angesichts steigender Corona-Fallzahlen sicher: „Für alle Krankenhäuser bedeutet dies, dass sie unabhängig von der Anzahl der Covid-Patienten im eigenen Haus ihre Leistungen einschränken müssen, um dann auch für überlastete Kliniken einspringen zu können.“ Er weist auch darauf hin, dass die kommenden Wochen und wahrscheinlich auch Monate noch einmal eine immense Kraftanstrengung für das Klinikpersonal bedeuten werden.
Um die Situation auf den Intensivstationen zu entlasten, werden die Rufe nach strengeren Maßnahmen immer lauter. Der Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält die Einführung der 2G-Regel in ganz Deutschland für die einzige Alternative zum Lockdown, um eine Trendwende bei den Corona-Infektionen zu schaffen.
Polizei soll für Kontrollen eingesetzt werden
Auch Susanne Johna, Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, spricht sich für 2G aus. „Sollten wir keine bundesweite 2G-Regel einführen, wäre das der nächste Fehler in der Pandemiebekämpfung“, sagte sie dem RND. Wenn 2G nicht genüge, müsse man auch über 2G-Plus nachdenken, also eine zusätzliche Absicherung mit Corona-Tests für Geimpfte und Genesene. „Es kann jetzt nur darum gehen, weitere Überlastungsszenarien zu verhindern“, sagte Johna. Auf dem Spiel stehe nicht nur um die Versorgung von Covid-Patienten, sondern die gesamte Versorgung kritisch kranker Patienten. Intensivmediziner Janssens will 2G-Plus sofort in Krankenhäusern und Pflegeheimen einführen.
Damit strengere Corona-Regeln auch umgesetzt werden, wollen Thüringen, Sachsen und Bayern auch die Polizei für Kontrollen einsetzen. „Die Polizei wird Amtshilfe leisten und bei stichprobenartigen Kontrollen unterstützen können. Schließlich ist die Lage leider wieder ernst“, sagte der Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, dem RND. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, betont aber: „Häufig werden es nur Stichproben sein, die die Polizei machen kann.“