Hannover – Seit etwa zweieinhalb Wochen hält der Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland an. Am Montagmorgen lag sie nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 154,8. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 149,4 gelegen, vor einer Woche bei 110,1.
Auch die Hospitalisierungsrate – der für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigste Parameter – steigt. Und gleichzeitig kommen die Auffrischungsimpfungen in Deutschland nur schleppend voran. Was kann uns jetzt vor einem erneuten, einschränkungsreichen Herbst und Winter bewahren?
Sechs Maßnahmen aus dem Ausland, die hierzulande möglicherweise zu einer Beruhigung der Infektionslage führen könnten:
Österreich: 3G-Regel am Arbeitsplatz
Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle müssen in Österreich bis auf weiteres fast alle Arbeitnehmer nachweisen, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind. Die entsprechende Regelung tritt am Montag in Kraft. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich entsprechende Dokumente vorlegen zu lassen.
Der Virologe Stephan Ludwig vom Universitätsklinikum Münster schätzt die österreichische Regelung als sinnvoll ein. „3G halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für die sicherste Sache“, sagte Ludwig. Auch an seinem Institut werde ähnlich verfahren, aus Datenschutzgründen erfahre aber nur er als Leiter vom Impfstatus der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Ungeimpfte müssten sich unter Aufsicht regelmäßig testen lassen.
Die Regierung in Wien erhofft sich von der Verschärfung, dass sich wieder mehr Menschen impfen lassen. In Österreich sind rund 63 Prozent der Menschen vollständig gegen das neuartige Coronavirus geimpft, in Deutschland sind es etwa 66 Prozent. Die österreichische Regierung plant im Fall einer Verschärfung der Corona-Lage weitere drastische Maßnahmen. Dazu gehört im Extremfall auch ein Lockdown ausschließlich für Ungeimpfte.
Frankreich: Impfpflicht in bestimmten Sektoren
Schon seit dem 15. September gilt in Frankreich die Impfpflicht für Menschen, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten sowie für Apotheker und Apothekerinnen, Medizinstudentinnen und -studenten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute. Bis zu jenem Datum musste mindestens die erste Dosis verabreicht worden sein – der 15. Oktober war dann der Stichtag für die zweite Impfung. Wer sich bis dahin nicht immunisieren lassen wollte, dem drohte die Suspendierung.
Genauso braucht man in Frankreich für zahlreiche Aktivitäten wie etwa Restaurant- oder Theaterbesuche, aber auch für Reisen mit Zug und Bus den Gesundheitspass. Dieser zeigt die komplette Impfung beziehungsweise ein negatives Corona-Test-Ergebnis an. Übrigens: Auch in Frankreich werden wie in Deutschland die Kosten der Corona-Testungen seit 15. Oktober nicht mehr übernommen und müssen aus eigener Tasche gezahlt werden.
Virologe Ludwig spricht sich gegen eine Impfpflicht aus. „Ich bin der Meinung, dass man die Menschen von der Impfung überzeugen muss“, sagte der Leiter des Instituts für molekulare Virologie am Universitätsklinikum Münster. Es sei dennoch sehr wichtig, dass gerade in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheitssystem alle geimpft wären.
Italien: Grüner Pass für Aktivitäten in Innenbereichen
Auch Italien geht im Kampf gegen die Corona-Pandemie den Weg über den sogenannten „Green Pass“. Mit dem Gesundheitszertifikat wird wie in Frankreich eine negative Corona-Testung oder aber eine vollständige Impfung nachgewiesen. Für Aktivitäten in Innenbereichen etwa von Restaurants, aber auch in Fitnessstudios oder Museen, ist der grüne Pass ein Muss. Seit dem 15. Oktober gilt die Pflicht für den Nachweis ebenfalls am Arbeitsplatz.
Daneben stuft die italienische Regierung die Regionen und autonomen Provinzen des Landes je nach Corona-Lage in vier Kategorien (weiß, gelb, orange und rot) ein. Stand 1. November sind alle Regionen als „weiß“ gelistet – es gelten demnach keine besonderen restriktiven Maßnahmen.
Ein elektronischer Ausweis für Aktivitäten in Innenräumen sei zu befürworten, schätzte Stephan Ludwig ein. Dazu müsse aber vorausgesetzt sein, dass der Nachweis an den entsprechenden Stellen auch kontrolliert werde.
Griechenland: Die Maskenpflicht für alle ab vier Jahren bleibt
In Griechenland gilt weiter eine generelle Maskenpflicht - und das für Personen ab vier Jahren. Getragen werden muss der Mund-Nasen-Schutz in allen öffentlichen, geschlossenen Räumen wie Supermärkten, allen Geschäften des Einzelhandels, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis, Aufzügen, Arztpraxen, Krankenhäusern und Bankfilialen. Außerdem in Büros mit Kundenverkehr und auf Wochenmärkten. Und auch im Freien gilt die Maskenpflicht weiter. Denn auch auf belebten Plätzen muss man weiter Mund und Nase bedecken.
„Die Maske ist eine wenig störende und gute Möglichkeit, sich nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen alle möglichen Erkältungskrankheiten zu schützen“, meinte Ludwig zum Vorgehen der Griechen. Im Freien sehe er die Infektiosität aber entspannter. Wenn Abstand nicht eingehalten werden könne wie etwa bei Open-Air-Konzerten, könne es aber ohne Mund-Nasen-Schutz auch draußen zu Ansteckungen kommen.
Costa Rica: Verpflichtende 1G-Regel ab Januar
Eine besondere Regelungen wird derzeit im mittelamerikanischen Land Costa Rica vorbereitet. Die dortige Regierung plant, nur noch vollständig Geimpften Zugang zu nicht-essentiellen Einrichtungen zu gewähren. Dazu gehören etwa Restaurants, Hotels, Geschäfte, Fitnessstudios, Museen, Kinos und Nationalparks. Die Regelung gilt für alle Bürgerinnen und Bürger ab zwölf Jahren sowie für alle volljährigen Ausländer.
Zunächst gilt eine Übergangsphase ab dem 1. Dezember: Betreiber der Einrichtungen dürfen demnach entscheiden, ob sie schon die sogenannte 1G-Regelung einführen oder weiterhin Ungeimpfte empfangen möchten. Ab dem 8. Januar 2022 soll die Maßnahme aber verpflichtend sein – Ungeimpfte dürfen dann nur noch essentielle Lokalitäten wie Supermärkte, Apotheken und Banken aufsuchen.
Die angekündigte Regelung in Costa Rica halte er für „ausgemachten Schwachsinn“, sagte Virologe Ludwig. „Jemand, der von einer Covid-Erkrankung genesen ist, hat wahrscheinlich einen viel besseren Antikörperstatus als jeder Geimpfte“, so Ludwig. Zwischen Genesenen und Geimpften würde er keinen Unterschied mehr machen – beide hätten einen Immunschutz.
China: Null-Covid-Strategie
Chinas Regierung verfolgt eine strikte „Null-Covid Strategie“. Ausgangssperren, Massentests, Kontaktverfolgung, Quarantäne und strenge Einreisebeschränkungen sollen das Coronavirus in die Schranken weisen. Dennoch kommt es ab uns an zu kleineren Ausbrüchen, die dann aufwändig unter Kontrolle gebracht werden müssen.
Erst kürzlich war davon die Stadt Lanzhou mit knapp vier Millionen Einwohnern betroffen. Seit Anfang vergangener Woche gibt es eine strikte Ausgangssperre in der Hauptstadt der Region Gansu. Insgesamt meldet die chinesische Gesundheitskommission täglich etwa 50 Neuinfektionen – in einem Land mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern.
„Ich halte die Null-Covid-Strategie für unrealistisch“, so Ludwig. Das Coronavirus wirke ähnlich wie Grippe- oder Schnupfenviren und werde deshalb ebenfalls ein sogenanntes endemisches Virus werden. „Es ist de facto nicht möglich, einen Infektionseintrag zu verhindern“, weil etwa Nachbarländer andere Strategien verfolgten und das Virus deshalb immer wieder eingetragen werden könne.