Karlsruhe – In Kürze beginnen auch in Deutschland die Covid-Impfungen. Dann wird bald eine Debatte losbrechen, ob es Vorteile für die Geimpften geben darf oder vielleicht sogar geben muss. Sollen Geimpfte wieder ins Café, ins Museum und ins Stadion dürfen? Sollen sie dort mit anderen Geimpften Spaß haben - während die (Noch-)Nicht-Geimpften draußen bleiben müssen?
Im Moment kann die Frage schon aus medizinischen Gründen nicht beantwortet werden. Bisherige Tests der Impfstoffe haben zwar ergeben, dass die Geimpften mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr an Covid 19 erkranken. Sie sind also weitgehend immun. Eine Sonderbehandlung von Geimpften kommt aber nur in Betracht, wenn mit ähnlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sie das Virus an andere weitergeben. Die Geimpften dürfen nach einem Viren-Kontakt also nicht anstreckend (infektiös) sein.
RKI: Nicht sicher, ob Covid-Geimpfte infektiös sein können
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt es derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse, ob Covid-Geimpfte noch infektiös sein können und ob dies bei allen drei bisher bekannten Impfstoffen gleich zu beantworten sein wird. Das RKI will derzeit nicht einmal andeuten, nach wievielen Monaten Impfpraxis mit verläßlichen Erkenntnissen zu rechnen ist.
Bei anderen bekannten Impfungen, wie der Masernimpfung, ist es allerdings üblich, dass sie auch die Infektiösität verhindern. Nur so ist auch die Masernimpfpflicht zu rechtfertigen, die seit März 2020 an Kitas und Schulen für Kinder und Personal gilt.
Verfassungsrechtliche Gründe sprechen für eine Vorzugsbehandlung von Geimpften
Sollte also auch die Covid-Impfung zu einer weitgehend ansteckungslosen Immunität führen, werden die Geimpften sicher fordern, dass die Corona-Einschränkungen für sie aufgehoben werden. Sie wären dann ja für ihre Mitmenschen viel weniger gefährlich als Nicht-Geimpfte. Für eine Vorzugsbehandlung sprechen auch verfassungsrechtliche Gründe. Der Staat darf die Grundrechte von Bürgern nur so stark und so lange beschränken, wie dies erforderlich ist. Sonst ist die Beschränkung unverhältnismäßig.
Doch es gibt auch rechtlich relevante Argumente für eine Gleichbehandlung von Geimpften und Nicht-Geimpften. So kann dabei vermutlich der gesellschaftliche Friede und Zusammenhalt besser gewahrt werden, als in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Eine Gleichbehandlungs-Politik könnte auch verhindern, dass die Geimpften dazu gedrängt werden, nun alle besonders ansteckungsträchtigen Arbeiten zu übernehmen.
Abwägung zwischen Privilegierung und Gleichbehandlung
Es geht also um eine politische Abwägung zwischen zwei unterschiedlichen Konzepten, zwischen Privilegierung und Gleichbehandlung. Die Entscheidung muss der Gesetzgeber treffen. So könnte der Bundestag im Infektionsschutzgesetz eine bundesweit gültige Regelung beschließen. Oder die Landesregierungen bestimmen in ihren Corona-Verordnungen, ob die Einschränkungen jeweils auch für Geimpfte gelten.
Eine ähnliche Diskussion gab es schon im letzten Frühjahr. Sollten Erkrankte nach der Heilung einen Immunitätsausweis bekommen, der ihnen Vorteile im Alltag verschafft? Auch hier litt die Diskussion zunächst unter den ungeklärten medizinischen Vorfragen. Bis heute ist nicht vollständig bekannt, ob und wie lange die Covid-Genesenen dann immun sind und vor allem nicht mehr ansteckend sein können.
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Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beauftragte dennoch vorsorglich den Deutschen Ethikrat, eine Empfehlung zu erarbeiten. Dies gelang zwar nicht, denn der Ethikrat zeigte sich gespalten. Die Positionen lagen aber weniger weit auseinander als bisher wahrgekommen. So sprach sich die eine Hälfte der 24 Mitglieder für den begrenzten Einsatz von Immunitätsausweisen aus, insbesondere bei der Pflege von Alten und Kranken. Die andere Hälfte des Ethikrats wollte Immunitätsausweise verbieten, außer bei der Pflege von Alten und Kranken.
Es liegt also auch impfpolitisch nahe, dass zunächst für Berufsgruppen, die mit vulnerablen Personen arbeiten, Sonderregeln eingeführt werden. Nicht-Geimpfte könnten dann wohl nicht mehr beruflich mit Alten und Kranken arbeiten.
Spahn lässt Vorteile für Geimpfte noch offen
Ob es auch echte Vorteile für Geimpfte geben soll, will Gesundheitsminister Spahn derzeit noch offen lassen. Die Praxis in Cafés, Museen und Stadien gehe den Staat nichts an, das sei eine Frage des „Privatrechts“, so seine Begründung.
Der Verweis aufs Privatrecht ist aber gewollt naiv. Denn auch das Privatrecht ist staatliches Recht oder beruht auf staatlichen Vorgaben. Wenn der Gesetzgeber nicht handelt, müssen staatliche Gerichte entscheiden, zum Beispiel weil Geimpfte gegen undifferenzierte Corona-Verordnungen klagen oder weil Gastronomie, Kultur und Sport fordern, dass ihre Spezialangebote für Geimpfte zugelassen werden.
Dass der Staat sich zwischen Privilegierung und Gleichbehandlung entscheiden muss, könnte aber ein Übergangsphänomen sein. Je mehr Leute geimpft sind, um so stärker dürften die Infektionszahlen zurückgehen. Und dann können - wie im letzten Sommer - auch wieder viele staatliche Einschränkungen aufgehoben werden; für Geimpfte und Nicht-Geimpfte.