Daniela Vates bespricht, wovor Markus Söder Angst hat und warum Annalena Baerbocks Ideen vielleicht nicht perfekt, aber gewinnbringend sind.
KommentarBaerbocks feministische Außenpolitik – Wo ist eigentlich das Problem?
Es gibt jetzt also Leitlinien für eine feministische Außenpolitik und obendrauf eine feministische Strategie fürs Entwicklungshilfeministerium. Feminismus, Gendermainstreaming, Genderbudgeting in der Regierung – wer angesichts der Begriffe zum Hyperventilieren neigt oder zu einem der richtig lustigen Gedöns-Witze, dem sei Durchatmen empfohlen.
Es geht darum, Frauen weltweit mehr Mitsprachemöglichkeiten zu verschaffen, frauenspezifische Themen und Probleme sichtbarer zu machen: Vergewaltigung, Misshandlungen, Unterdrückung, Fluchtbedingungen sind nur einige Beispiele. Es geht darum, Frauen weltweit Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen, um Gleichstellung und Gleichberechtigung also. Das ist nicht furchtbar witzig, sondern eine Selbstverständlichkeit und eher furchtbar bedauerlich, dass darum gerungen werden muss.
Zur Erinnerung: Feminismus gibt es, weil immer gekämpft werden musste dafür, dass Frauen gegenüber Männern nicht benachteiligt werden. Auch hierzulande. Und auch heute noch. Ein Konto eröffnen, ohne Erlaubnis des Ehemanns arbeiten gehen, den Ehemann bei Vergewaltigung anzeigen können – all das dürfen Frauen in Deutschland gerade mal seit ein paar Jahrzehnten. Nicht der Feminismus ist also die Zumutung, sondern die Zustände, gegen die er angeht.
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Söder befürchtet Missionierung durch Baerbock
CSU-Chef Markus Söder befürchtet nun, dass die Außenministerin die Welt missionieren wolle. Mit einem solchen Anwurf, der praktische Überlegungen als Ideologie diskreditiert, ist es leicht, sich jeder Debatte zu entziehen.
Söder müsste dann beantworten, ob es egal ist, wenn Frauen in Ländern wie Afghanistan den Zugang zu humanitärer Hilfe verlieren, weil ihnen der Kontakt zu Männern genauso verboten ist? Ob er weiß, dass Frauen häufiger Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden als Männer, dass sie häufiger hungern, weniger Zugang haben zu Geld, Krediten oder Ackerflächen? Alles Punkte, die natürlich berücksichtigt werden müssen? Na eben. Wo ist also das Problem?
Beteiligung von Frauen ist unabdingbares Menschenrecht
Nebenbei ist es auch noch so, dass die Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen deren Erfolgschancen erhöht, dass die Wirtschaft wachsen würde, wenn mehr Frauen arbeiten dürften. Aber auch ohne Nützlichkeitserwägung, ohne den volkswirtschaftlichen Bilanzstrich ist die Beteiligung und Berücksichtigung von Frauen unabdingbar – als Menschenrecht.
Natürlich lassen sich in Baerbocks Konzept Kritikpunkte finden. Es gibt Redundanzen, nicht jede der zehn Leitlinen lässt sich scharf von den anderen trennen. Einiges haben auch frühere Außenminister bereits angeschoben, nur eben unter anderen, weniger aufsehenerregenden Überschriften wie „Geschlechtergerechtigkeit“.
Baerbock versieht das Thema durch Präsentation und Überschrift mit neuer Dringlichkeit. Dass der Begriff der feministischen Außenpolitik allergische Reaktionen hervorruft, ist bedauerlich, erhöht aber die Wahrnehmung. Und schon das ist ein Gewinn. (rnd)