Chinas Außenminister schlägt bei Annalena Baerbock einen werbenden Ton an. Glaubwürdig wäre das, wenn den schönen Worten Taten folgten, kommentiert Daniela Vates.
KommentarChinas Selbstbild als Wahrer des Weltfriedens: Bitte gleich mal Putin anrufen
Mit einer fast himmlisch wirkenden Botschaft kam der chinesische Außenminister Qin Gang nach Deutschland. Zu Besuch bei seiner Amtskollegin Annalena Baerbock beschwor er nichts weniger als eine „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“. Er beteuerte, sein Land agiere als Wahrer des Weltfriedens, Verteidiger der internationalen Ordnung und Verfechter von Kooperation und Gemeinsamkeit. Bundesregierung wie EU sollten ihr mit Vorsicht begegnen und auf glaubwürdige Belege pochen.
Es war eine Charmeoffensive gegenüber Deutschland und der EU
China ist „gegen jede Form der Tyrannei“? Dann lassen sich umgehend all jene freilassen, die eingesperrt sind, weil sie eine andere Meinung haben als die chinesische Regierung. China sieht sich als Friedensbote? Schnell den guten Freund Wladimir Putin anrufen und ihn zum Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine verpflichten. China will keine Krisen exportieren, sondern Chancen?
Dann bitte sehr gerne aufhören mit der Zündelei durch Militärmanöver vor der Küste und über Taiwan. Das oberste Anliegen Chinas ist der gegenseitige Nutzen in den Beziehungen mit anderen Ländern? Länder wie Äthiopien und Kenia, die unter überteuerten Kreditrückzahlungen an China ächzen, wären froh, wenn aus Peking das Signal zur Entschuldung käme.
Deutschland sieht China zu Recht als Systemrivalen
Allerdings ist unklar, wie bereitwillig China in der EU Glauben geschenkt wird. Der französische Präsident Emmanuel Macron verbreitet nach seinem China-Besuch ein zuckersüßes Reisefilmchen. Die Bundesregierung trifft sich demnächst zu Regierungskonsultationen mit dem chinesischen Kabinett in Berlin. Es gibt ja nun mal den Spagat zwischen Bedenken und Bedarf. Zwischen Abwehr und Absatzmöglichkeiten. Zwischen Verurteilung und Verlockung.
China hat sich bisher alle Mühe gegeben, als Land zu wirken, das nach der Welt greift. Zu Recht sind EU und Deutschland dazu übergegangen, die Autokratie China nicht nur als Partner und Wettbewerber, sondern, deutlich schärfer, auch als Systemrivale zu beschreiben. Aber als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist China eben auch ein zentraler politischer Akteur. Es lässt sich nicht einfach ignorieren oder beiseiteschieben. Es ist mächtig genug, um weltweit Konflikte zu schüren und ihre Lösung zu blockieren, aber auch, um Frieden zu befördern.
Wenn der Klimawandel bekämpft werden soll, muss China mitmachen
Wenn der Klimawandel effektiv bekämpft werden soll, müssen die Großen mitmachen, die besonders viel Kohlendioxid in die Luft blasen. China steht da (neben den USA, Russland, Indien, Japan und Deutschland) ganz weit oben auf der Liste. Und wenn die chinesische Wirtschaft taumelt, kann dies weltweit Turbulenzen auslösen.In dieser Lage leistet sich die Bundesregierung einen Machtkampf um die China-Politik.
Vordergründig geht es darum, wie viele klare Worte und wie viel Moral die Diplomatie verträgt. Viel grundsätzlicher ist das Ringen um die Definition von kritischer Infrastruktur, die weder an China noch an andere Staaten verscherbelt werden sollte. Das Gezerre um den Einstieg der chinesischen Reederei Cosco am Hamburger Containerhafen ist dafür nur ein Beispiel.
Längst geht der Streit über die übliche Meinungsverschiedenheit hinaus. Die Bundesregierung tut sich damit keinen Gefallen. Andauernder Streit ist nicht mehr fruchtbar, sondern verbraucht Energie. Das weiß auch der chinesische Außenminister: Seine Warnung vor einem neuen Kalten Krieg ist geschickt platziert. (rnd)