Kommentar zu Ampel-VerhandlungenWarum die Lage für die Grünen so gefährlich ist
Berlin – Die Realität wartet nicht mit ihren Herausforderungen, so viel ist sicher. Hatten die Ampel-Koalitionäre noch vor Wochen gehofft, die Corona-Krise hinter sich lassen zu können, so stellt sich nun das Gegenteil heraus. Sie wird wieder mal zum Hotspot. Eine wachsende Herausforderung ist die perfide Strategie des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, mit Flüchtlingen aus dem islamischen Raum die Europäische Union unter Zugzwang zu setzen. Beides erhöht den Zeitdruck auf SPD, Grüne und FDP, die Vereinbarungen der am Mittwoch auslaufenden 22 Arbeitsgruppen alsbald in einen Koalitionsvertrag zu gießen, die Ressorts zu verteilen und anschließend den Kanzler zu wählen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Nur, so einfach ist das nicht. Vornehmlich die Grünen zeigen sich unzufrieden. Sie fürchten, dass der Vertrag eines nicht leistet: Deutschland beim Klimaschutz auf den 1,5-Grad-Pfad zu führen. Die FDP blockiere, heißt es, und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schaue am liebsten zu. Die Furcht ist berechtigt.
Alles zum Thema Annalena Baerbock
- „Folterknechte“ Baerbock und Faeser warnen Assad-Unterstützer vor Flucht nach Deutschland
- Baerbock pocht auf Sicherheitsgarantien Europa ringt um Einfluss auf US-Pläne für Ukraine
- Frauenfußball Außenministerin Annalena Baerbock sieht ersten Saisonsieg des 1. FC Köln
- Ukraine-Krieg Baerbock schließt Bundeswehreinsatz zur Friedenssicherung nicht aus
- Baerbock nennt Vorwürfe „gelogen“ Russischer Botschafter nach Ausweisung von ARD-Journalisten einbestellt
- Liebes-Aus nach 17 Jahren Baerbock und ihr Ehemann haben sich überraschend getrennt
- Gewalt an Frauen Hass und Häme wie im Fall Baerbock sind geistige Brandstiftung
Verhandlungen machen die Grünen angreifbar
Während die Liberalen ihre Trophäen schon im Sondierungspapier platzieren konnten – keine Steuererhöhungen, keine neuen Schulden, kein Tempolimit – und sich die Sozialdemokraten diesmal mit wenigen Errungenschaften wie der Anhebung des Mindestlohns und der Stabilisierung des Rentenniveaus begnügen, ist aus Sicht der Ökopartei zu viel im Unklaren geblieben. Das macht sie angreifbar.
Der Ausstieg aus der Kohleverstromung soll „idealerweise“ bis 2030 erfolgen. Der CO2-Preis taucht im Sondierungspapier gar nicht auf. Die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien steht zunächst in den Sternen. Auffallend ist schließlich, dass die Einhaltung der Klimaziele anhand einer „mehrjährigen Gesamtrechnung“ überprüft werden soll. So wollen sich die Grünen der Gefahr entziehen, an der jährlich veröffentlichten Höhe der CO2-Emissionen gemessen zu werden.
Ein gemeinsamer Geist ist nicht zu erwarten
Was die nervöse Partei in den Sondierungen versäumt hat, muss sie jetzt nachholen. Denn für sie steht das meiste auf dem Spiel. Letztlich geht es um die eigene Glaubwürdigkeit und damit bereits die Startchance für die nächste Bundestagswahl 2025. Die Grünen haben im ökologischen Lager – von Fridays for Future bis zur Klimaliste – auch die schärfsten und idealistischsten Kritiker. Deshalb macht es gerade aus ihrer Perspektive Sinn, möglichst viele der eigenen Ziele im Koalitionsvertrag zu verankern. Denn was heute nicht gelingt, das wird später erst recht nicht gelingen.
„Scheitern ist keine Option“, hatten der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck und FDP-Chef Christian Lindner vor Wochen erklärt. Dahinter muss man angesichts der Weltlage ein Ausrufezeichen setzen. Maßgeblich ist denn auch etwas anderes: Dass in der neuen Regierung ein gemeinsamer Geist entsteht, der über den Anfang hinausweist. Zu erwarten ist das nicht, zu hoffen ist es aber sehr.