Inzwischen bestehen ernsthafte Zweifel an der Politikfähigkeit der Ampel-Koalition, findet unser Autor.
Kommentar zum Heizungsstreit„Der Ampel droht die vollständige Blockade“
Friedrich Merz war sich schon vor zwei Monaten sicher. „Wir haben ganz offensichtlich in Deutschland eine Regierungskrise“, hatte der Oppositionsführer Ende März festgestellt. Damals galt die Einschätzung manchem als voreilig, doch nun mehren sich die Anzeichen, dass Merz seiner Zeit voraus war.
Zwar war die Ampel-Koalition nie Anwärterin auf einen politischen Schönheitspreis, inzwischen aber bestehen ernsthafte Zweifel an der Politikfähigkeit des Bündnisses. Der Streit und die gegenseitigen Vorwürfe sind derart heftig, dass eine Blockade der gesamten Regierungspolitik droht. Das mangelnde Wertschätzung und fehlendes Vertrauen eine Regierung weitgehend lahmlegen können, haben Union und SPD in der vergangenen Legislaturperiode eindrucksvoll demonstriert.
Heizungsstreit wirkt auf den ersten Blick wie ein kleines Problem
SPD, Grüne und FDP drohen diesen Zustand nun ebenfalls zu erreichen - allerdings um Jahre früher als die Vorgänger-Regierung. Das wäre eine Katastrophe, denn für zweieinhalb Jahre Stillstand sind die aktuell zu bewältigen Herausforderungen zu drängend. Die Zahl der Flüchtlinge wächst, der Krieg in der Ukraine tobt, der Klimawandel schreitet voran, die Bevölkerung wird immer älter, Fachkräfte fehlen und die ehemals erfolgreiche Exportindustrie verliert immer mehr den Anschluss.
Alles zum Thema Olaf Scholz
- Entsetzen auch in der EU Scholz reagiert auf Musks Hitlergruß – Putins Staats-TV zensiert Geste
- Ukraine-Hilfen „Unmoralisch“, „schlechter Stil“ – FDP und Grüne gehen nach „Lügen“-Vorwurf auf Scholz los
- Sitzungen, Karnevalssamstag 2025 – Diese Termine sollten Sie nicht verpassen
- Russlands Angriffskrieg Scholz rechnet nicht mit Abbruch der US-Hilfe für Ukraine
- Newsblog zur Bundestagswahl „Fridays for Future“ ruft zu Klimastreik auf
- „Charakter eines Nachrufs“ So geht der „Schofför des Kanzlers“ mit der Bundestagswahl um
- Keine Einigung Auch bei RTL bleibt es bei einem TV-Duell zur Bundestagswahl
Angesichts der Größe all die all dieser Probleme erscheint der Heizungsstreit auf den ersten Blick klein. Und doch sollte ihn nicht unterschätzen, denn das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geplante weitgehende Einbauverbot für neue Öl- und Gasheizungen greift tief in die Eigentumsrechte der Menschen ein. Die Pläne lösen bei vielen Eigenheimbesitzern Angst vor finanzieller Überforderung aus, und das nicht ganz zu unrecht.
Der öffentliche Widerstand hat Wirkung gezeigt - vor allem auf die FDP. Die Liberalen können oder wollen sich plötzlich nicht mehr erinnern, dass auch sie sich zum grundsätzlichen Ziel der Wärmewende bekannt haben. Es nicht das erste Mal, dass öffentlicher Gegenwind zu politischer Amnesie führt. Gleichzeitig gilt, dass Habeck und sein inzwischen zurückgetretener Staatssekretär Patrick Graichen mit dem Heizungsgesetz zu viel auf einmal wollten, und dass sie das dann auch noch handwerklich schlecht und unter zu hohem Zeitdruck umgesetzt haben.
Pläne dieser Tragweite brauchen Vorlauf, Kommunikation und Kompensation. Nichts davon hatte das Duo Habeck/Graichen in ausreichendem Maße vorbereitet. Die Liberalen würden den Gesetzentwurf am liebsten zurück in das Wirtschaftsministerium schicken. Wegwerfen und neu schreiben – so stellt man sich das im Genscher-Haus vor. Natürlich können und werden sich Grüne und SPD darauf nicht einlassen, zumal die Beratungen des Bundestages, die die Liberalen verhindern, ja die Chance böten, die Schwächen des Gesetzes zu heilen. Das Parlament kann das nicht nur, es ist dazu sogar da. Man muss es nur lassen.