Die Grünen haben zugeschlagen, der Moment war günstig: Während die Union die ungelöste Kanzlerkandidatenfrage in einen Krampfzustand versetzt, verkündet die derzeitige Nummer 2 in den Umfragen, am 19. April ihre K-Frage zu beantworten. Was bei den Grünen geht, macht deutlich, was bei der Union gerade alles nicht funktioniert: Fünf Monate vor der Bundestagswahl hat die derzeit größte Regierungspartei offenkundig keine Strategie. Die Führungsfrage ist nicht geklärt. Gemeinsamkeit wird zwar beteuert, ist aber weit und breit nicht zu erkennen.
Markus Söder setzt sich in Talkshows und sagt, er habe versprochen, friedlich zu sein. Armin Laschet setzt sich in Talkshows und sagt, er ärgere sich über Sticheleien. Beide überraschen sich gegenseitig mit Ankündigungen und Presseterminen. Söder schreibt offene Briefe mit Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann und bestellt mal eben im Alleingang den russischen Impfstoff Sputnik. Laschet stellt Eckpunkte eines Wahlprogramms vor und fordert einen Brücken-Lockdown. Man beäugt sich maliziös lächelnd, als säßen sich nicht die Chefs von Schwesterparteien gegenüber, sondern Kanzlerin und russischer Präsident.
Nichts ist also klar in der Union, außer dass Angela Merkel nicht mehr antritt und Söder und Laschet sie beerben wollen. Und dass sie den Zeitpunkt für eine gütliche Einigung verpasst haben.
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Für Laschet ist die Kanzlerkandidatur dringender als für Söder. Seine Karriere als Ministerpräsident könnte beendet sein, wenn er sich als CDU-Chef nicht durchsetzt. Söder könnte den Rückzug nach Bayern einfacher rechtfertigen. In der CSU finden viele, dass es wichtiger ist, den Ministerpräsidenten für die Landtagswahl in zwei Jahren als Zugpferd an der Spitze zu haben. Und es besteht zumindest das Risiko, dass die Union als Oppositionspartei aus der Bundestagswahl hervorgeht. Söder dürfte wenig Lust verspüren, mit einem solchen Ergebnis in Verbindung gebracht zu werden.
Auch Söder hat Fehler gemacht
Wenn es nach den Umfragen geht, ist die Sache allerdings klar: Die Union muss mit Söder ins Rennen gehen. Der CSU-Chef liegt seit Monaten deutlich vor Laschet. Dessen Ruf als wankelmütiger Unglücksrabe hat sich festgesetzt, obwohl auch Söder Fehler gemacht hat, obwohl der Bayer vernehmlicher rempelt, obwohl Laschet schon lange auf Mitte-Merkel-Kurs ist und Söder erst seit neuestem verkündet, dass das die Methode sei, um Wahlen zu gewinnen.
Ausgerechnet Söder empfiehlt das Abwarten. Er will gebeten werden, die CDU soll ihm den roten Teppich ausrollen – nicht nur ein paar Abgeordnete, sondern die großen Landesverbände. Die Union steht vor der Alternative: Entweder setzt sie den Machtkampf fort und reibt sich dabei auf oder sie entscheidet schnell und setzt sich dem Vorwurf aus, sich lieber um Wahlkampf zu kümmern als um die Lösung der Pandemie. Wie man es auch dreht und wendet: Der Prozess hat zerstörerische Kraft.