Der saarländische Regierungschef Tobias Hans pocht auf eine Umstellung der Impfkampagne zur Verhinderung der vierten Corona-Welle. Das Impfen müsse kompliziert und mit Anreizen wie Restaurantgutscheinen gefördert werden. Beim Klimaschutz warnt der CDU-Politiker: Umweltkatastrophen dürfen nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands führen - sonst verlieren wir den Wohlstand. Lesen Sie hier das Interview.
Herr Hans, wegen eines Hochwasser-Ereignisses müsse man seine Klimapolitik nicht ändern, sagt Ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet. Hat er recht?
Es ist längst entschieden, dass wir CO2-neutral werden wollen in Deutschland. Das ist Konsens in der Union. Wir machen im Wahlprogramm sehr deutlich, dass wir die CO2-Ziele früher erreichen wollen als die EU, nämlich im Jahr 2045. Wegen des Hochwassers ist also kein Kurswechsel angesagt. Aber die Unwetter, die schrecklichen Bilder und das Leid der Menschen sind ein Ausrufezeichen hinter der Aussage: Wir müssen so schnell wie möglich die Wende hinbekommen.
Müssen Sie bei den Grünen Abbitte leisten, deren Klimawandel-Warnungen die Union lange als überzogen bezeichnet hat?
Die Grünen haben einen erheblichen Anteil daran, dass die Notwendigkeit klimapolitischen Handelns anerkannt wird. Dafür gebührt ihnen Respekt. Aber Respekt und Anerkennung gebührt auch CDU-Politikern wie Klaus Töpfer, einem der ersten Bundesumweltminister. Auch er hat früh darauf hingewiesen, wie wichtig Klimapolitik ist. Anders als die Grünen sind wir keine Ein-Themen-Partei, sondern eine Volkspartei, die die Interessen des Planeten und der Menschen unter einen Hut zu bringen versucht. Umweltkatastrophen dürfen nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands oder Europas führen. Wir müssen gemeinsam mit der Industrie arbeiten, sonst verlieren wir den Wohlstand.
CSU-Chef Söder will den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorziehen.
Es war schon schwierig genug, in langwierigen Verhandlungen das Zieldatum 2038 zu vereinbaren. 2030 ist sehr ambitioniert. Wenn der Kohleausstieg früher gelingt als geplant, ist das gut. Aber ein neues Zieldatum hilft nicht viel.
Die Pandemie ist hinter den Bildern von der Hochwasser-Katastrophe zurückgetreten. Wie lässt sich nun der Impfzurückhaltung bei einem Teil der Bevölkerung begegnen? Mit einer Impflicht?
Mit einer Impfpflicht kommen wir nicht weiter. Wir müssen die Impfkampagne jetzt umstellen: Es muss Impfmöglichkeiten an ungewöhnlichen Orten geben, etwa in Freizeiteinrichtungen und an Schulen um dort Eltern, die noch nicht geimpft sind, ein niedrigschwelliges Angebot zu machen. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie sehr zurückstecken müssen, um Ältere zu schützen. Jetzt muss umgekehrt eine Impfschutzmauer aufgebaut werden, damit Kinder und Jugendliche nicht infiziert werden. Das ist eine Frage staatsbürgerlicher Verantwortung und des sozialen Gewissens. Mit Impfen zeigt man Solidarität, mit Impfverweigerung zeigt man Egoismus. Wenn wir wollen, dass Schulen nicht wieder geschlossen werden, sollten sich alle über 18 Jahre impfen lassen. Die Menschen müssen die Impfung als Schutz für die gesamte Gesellschaft begreifen.
Sollte man mit Anreizen arbeiten?
Es spricht nichts gegen Restaurant- oder Konzertgutscheine oder eine Verlosung eines Wochenendes im Hotel. Darüber müssen wir uns vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im August nochmal Gedanken machen. Der größte Anreiz fürs Impfen bleibt aber natürlich der Schutz vor Krankheit. Von vollständig Geimpften geht aber auch eine wesentlich geringere Ansteckungsgefahr aus als von Nicht-Geimpften. Man kann daher von ihnen auf Dauer nicht die gleichen Einschränkungen erwarten. Deshalb wird auch der Punkt kommen, an dem die Mehrheit der geimpften Menschen nicht mehr bereit sein wird, auf Freiheiten zu verzichten, nur weil es ein paar Impfverweigerer gibt. Dann wird es so sein, dass Impfverweigerer mehr Einschränkungen haben: Sie müssen zum Beispiel für Schnelltests zahlen oder können nicht an jeder Veranstaltung teilnehmen. Es kann nicht sein, dass sich für Geimpfte nichts ändert, nur weil die Gesellschaft dauerhaft Rücksicht auf die Verweigerer nehmen muss.
Wenn es nicht zu der angestrebten Herdenimmunität von 85 bis 90 Prozent kommt, was passiert dann?
Schon jetzt stehen wir am Fuß einer weiteren Viruswelle. Es besteht auch die Gefahr, dass neue Virus-Varianten entstehen, wenn es keine ausreichende Herdenimmunität gibt. Das würde den Impfschutz gefährden. Jedem muss klar sein: Wir kommen umso schneller durch die Pandemie, je schneller sich alle impfen lassen.
Ist die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin das richtige Kriterium?
Die Sieben-Tage-Inzidenz bleibt wichtig für die Analyse des Infektionsgeschehens. Aber sie darf nicht mehr alleinige Grundlage werden für freiheitseinschränkende Maßnahmen sein. Unser Ziel war immer, die Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Deswegen ist letztlich die Belegung der Krankenhäuser der entscheidende Maßstab und nicht die Inzidenz.