Jens Spahn ist einer der Politiker, die sehr schnell auf die öffentliche Stimmung reagieren. Noch Anfang der Woche äußerte der Gesundheitsminister zwar Kritik am Verhalten einiger Kommunalpolitiker, die sich früher als eigentlich vorgesehen gegen Corona impfen ließen. Doch der CDU-Politiker beließ es bei Appellen.
Nachdem nun aber neue Fälle bekannt wurden und die öffentliche Aufregung darüber groß ist, hat Spahn eine Kehrtwende vollzogen: Am Freitag verkündete er, Sanktionen gegen Menschen zu prüfen, die sich bei Impfungen unrechtmäßig vordrängeln.
Spahn sagte auf der wöchentlichen Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler, man werde diese Frage um Rahmen der gerade begonnenen Bundestags-Beratungen über die Fortsetzung der Pandemie-Lage besprechen. „Wir werden prüfen, ob Sanktionen Sinn machen können“, betonte der Minister. „Man denkt ja manchmal, man könnte ohne, aber die Diskussion ist angesichts der Vorfälle der letzten drei, vier Wochen schon eine nachvollziehbare“, so der CDU-Politiker.
Er verwies zugleich darauf, dass das Infektionsschutzgesetz bereits Sanktionen vorsehe, angefangen bei Bußgeldern.In mindestens neun Bundesländern wurden Menschen gegen das Coronavirus geimpft, die noch gar nicht an der Reihe waren. Dabei kamen etwa Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören. In der Regel war die Begründung, dass man übrig gebliebene Impfdosen am Ende des Tages nicht habe verschwenden wollen. Es ist aber unklar, ob das tatsächlich in allen Fällen auch so stimmt.„Alles ist besser als Wegwerfen. Aber es ist wichtig, auch für diese Situation Regeln zu haben“, mahnte Spahn. „Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das noch ein Stück verbindlicher regeln“, ergänzte der Gesundheitsminister. So könne das Vorgehen in den Impfzentren noch genauer definiert werden.
Es sei in Ordnung, wenn etwa das medizinische Personal eines nahen Krankenhauses mit den übrig gebliebenen Dosen geimpft werde. Kein gutes Beispiel von Solidarität sei es hingegen, wenn sich Menschen in politischer Verantwortung, die noch nicht an der Reihe wären, dann impfen ließen, kritisierte der Minister.
Keine Mangelware mehr
Impfstoffe dürften jedoch bald keine Mangelware mehr sein, dafür gibt es aber andere Probleme: Spahn bestätigte Hochrechnungen, wonach die gegenwärtigen Impfkapazitäten schon bald nicht mehr ausreichen werden, um die gelieferten Vakzine auch tatsächlich zu verimpfen.
Man gehe derzeit davon aus, dass die Impfzentren täglich 200.000 bis 250.000 Impfungen durchführen könnten, sagte der Minister. Bei einer gegenwärtigen Impfrate von rund 130.000 Menschen sei da aktuell noch ausreichend. Das werde sich aber nun relativ schnell ändern. „Aus einer Debatte, die wir noch vor vier Wochen geführt haben, kann in vier, sechs Wochen eine ganz andere werden“, sagte er mit Blick auf die Kritik am schleppenden Impfstart.
„Politisches Debakel“
Nach Hochrechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Auftrag der Regierung reichen schon im März die Kapazitäten der Impfzentren nicht mehr aus. Diese „Impflücke“ steigt den Berechnungen zufolge im Mai auf wöchentlich drei Millionen und bis Juli auf 7,5 Millionen Dosen. Es drohe ein „politisches Debakel“, sagte Kassenarzt-Chef Andreas Gassen. Er forderte, bereits im März auch in den Arztpraxen mit den Impfungen zu beginnen. Nach seinen Angaben könnten in 50.000 Praxen pro Tag eine Million Menschen geimpft werden.
Spahn betonte, er sei bereits mit der Ärzteschaft und den Apothekern im Gespräch über die Einbeziehung der Arztpraxen. Der genaue Zeitpunkt sei noch unklar, wahrscheinlich sei „Anfang Frühjahr“. Schließlich handele es sich angesichts der notwendigen Kühlung der meisten Impfstoffe auch um eine logische Herausforderung, so der Minister.