Berlin – Jetzt steht fest, dass im Herbst auf zahlreiche Gaskundinnen und - Kunden erhebliche Mehrkosten zukommen: Das Bundeskabinett hat am Donnerstagabend die angekündigte Gas-Umlage beschlossen, im Oktober soll die Regelung in Kraft treten. Doch noch sind einige Fragen offen, wie sich am Freitag zeigte.
Warum eine Gasumlage?
Weil Russland weniger Gas liefert, müssen sich die darauf angewiesenen Importeure am kurzfristigen Spotmarkt der Energiebörsen eindecken. Dort sind die Preise im Moment extrem hoch, aber wegen langfristig geschlossener Verträge können sie von ihren Kunden, oft sind es Stadtwerke, nicht mehr Geld verlangen.
Die Bundesregierung will auch vermeiden, dass das geschieht, weil es in einigen Bereichen zu extremen Belastungen führen würde. Nun soll die Last auf alle Unternehmen und Privathaushalten verteilt werden - egal, wessen Kunden sie sind.
Wie funktioniert die Gasumlage?
Künftig gibt es bei jeder Kilowattstunde einen Aufschlag. Die Einnahmen aus der Gasumlage fließen dann in einen Pool, aus dem die Mehrkosten vor allem bei Gasimporteuren gedeckt werden.
Die Auszahlungen sollen von der Höhe her ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, heißt es beim Wirtschaftsministerium. Auch müssen notleidende Unternehmen ihren Bedarf nachweisen, die Angaben sollen von Wirtschaftsprüfern testiert werden.
Wie teuer wird es?
Wie hoch die Belastungen bei Endverbrauchern ausfallen, hängt von den Mehrkosten bei den Importeuren ab, die genaue Höhe ist unklar. Wirtschaftsminister Robert Habeck ging zuletzt von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde aus.
Bei einer typischen Familie mit einem Jahresverbrauch in Höhe von 20.000 kWh führt das dem Vergleichsportal Verivox zufolge zu Mehrkosten von 357 bis 1190 Euro im Jahr.
Wann wird es teurer?
Die Rechtsverordnung soll Mitte August in Kraft treten, ab dem 1. Oktober greifen und bis April 2024 gelten. Weil gesetzlich in den meisten Fällen vier Wochen Ankündigungsfrist geboten sind, dürften die Preise bei Endverbrauchern im November dieses Jahres steigen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert allerdings eine Verkürzung der Ankündigungsfrist auf eine Woche. Sonst „werden die Energielieferanten nicht in der Lage sein, die Preisanpassung bei ihren Kunden fristgerecht und rechtswirksam umzusetzen“, schrieb der Verband in einem Brief an Habeck.
Betrifft das alle Gaskundinnen und Gaskunden?
Grundsätzlich sollen alle Endverbraucher die Umlage bezahlen. Etwa 25 Prozent aller Endkundinnen und -kunden haben laut BDEW aber einen sogenannten Festpreisvertrag. Die Umlage greift dann erst nach Ende der aktuellen Vertragslaufzeit, also womöglich erst weit im nächsten Jahr.
Der BDEW dringt nun darauf, auch bei diesen Verträgen die Umlage frühzeitig aufschlagen zu können. Nötig wäre entweder eine Anpassung der Verordnung zur Gasumlage oder eine Änderung des Energiesicherheitsgesetzes.
Warum gibt es nun Zoff um die Mehrwertsteuer?
Auf die Gas-Umlage könnten zusätzlich noch 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden. „Fast zynisch“ sei, dass der Staat an der Umlage mitverdiene, kritisierte am Freitag etwa CDU-Energieexperte Jens Spahn. In den vergangenen Tagen hatten allerdings Vertreter aller Regierungsparteien erklärt, mit der Mehrwertsteuer bei der Gasumlage unglücklich zu sein, Habeck forderte das FDP-geführte Finanzministerium am Freitag denn auch auf, eine Mehrwertsteuerbefreiung bei der Umlage zu prüfen. Die wünscht sich auch Finanzminister Christian Lindner, wie er am Freitag sagte.
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Er prüfe das, die Mehrwertsteuer und die mit ihr verknüpfte Umsatzsteuer bei der Umlage seien an EU-Recht gebunden. Rechtlich schwierig sei die Mehrwertsteuerbefreiung, sekundierte der Verband kommunaler Unternehmen (VkU). Sinnvoller und juristisch wasserfest seien alternative Entlastungen. Geschäftsführer Ingbert Liebing schlug eine Senkung der Mehrwertsteuer für alle alle Strom-, Gas- und Wärmelieferungen vor. „Das würde den leider unvermeidbaren Preisanstieg für Haushalte zumindest etwas kompensieren.
Gäbe es Alternativen zur Gasumlage?
Die Linkspartei kritisiert die Gasumlage weiterhin scharf, gegenüber dem RND bezeichnete sie Fraktionschef Dietmar Bartsch am Freitag als „sozialen Sprengsatz“. Er forderte stattdessen eine Deckelung der Gaspreise - bei der freilich der Staat für die Mehrkosten bei Importeuren und Versorgern aufkommen müsste. „Zur Finanzierung der Gaskrise wäre eine Übergewinnsteuer nötig, die die Energiekonzerne in die Verantwortung nimmt, die Milliarden scheffeln“, sagte deshalb Bartsch.
Drohen weitere Preissteigerungen?
Ja. Am Spotmarkt der Energiebörse EEX kostete die Kilowattstunde am Freitag 19,9 Cent. Was davon wann bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt, lässt sich schwer voraussagen. Einschließlich Steuern und Abgaben mussten Privathaushalte im vergangenen August laut Verivox gerade einmal 6,29 Cent pro Kilowattstunde berappen. Mit Blick auf die jetzigen Großhandelspreise sind diese Zeiten vorerst vorbei, Verivox geht insgesamt von einer Verdrei- bis Vervierfachung bisheriger Gasrechnungen aus.
Sind neue Entlastungspakete geplant?
Bislang gibt es seitens der Bundesregierung keine Entscheidungen für weitere Entlastungspakete, obgleich vor allem SPD und Grüne sich zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen hatten. Am Freitag rief neben Sozialverbänden auch die Wirtschaft nach neuen Entlastungen.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller etwa bezeichnete die Umlage als „notwendiges Übel“, forderte aber, die Energiewirtschaft stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Industrie brauche nun eine Absenkung der Stromsteuer sowie Härtefallregelungen für existenzgefährdete Unternehmen. (rnd)