„Endlich war er glücklich“, sagt Björn C.s Großmutter. Sie sucht das Foto auf ihrem Handy, das letzte, das ihr Enkelsohn vor seinem Tod geschickt hat. Es ist ein Gruppenfoto, aufgenommen auf einer Zufahrt zu einem Hochhauskomplex. Im Hintergrund sieht man zersplitterte Fenster in den Häusern, vorne lagern zwei Dutzend Uniformierte mit Sturmgewehren und gelben Armbinden. Die meisten lächeln. Björn C. steht hinten in der Mitte, hat den Arm um einen Kameraden gelegt und schaut in die Kamera, als könne ihm keine Gefahr der Welt etwas anhaben.Wenige Tage später war er tot.
Björn C., 39 Jahre alt, aufgewachsen in Berlin, wohnhaft in Oranienburg, starb am 31. Mai bei einem Artillerieangriff in der Nähe von Charkiw. Er ist der erste deutsche Kriegstote des russischen Überfalls auf die Ukraine. Sein Fronturlaub war bereits bewilligt. Björn C. wollte zurück nach Deutschland. Seine Gesundheit litt, seit er in der Ukraine angekommen war.
C. gehörte zu freiwilliger, globaler Legion
C. war Mitglied der „Internationalen Legion zur Verteidigung der Ukraine“. Die Einheit wurde drei Tage nach Kriegsbeginn auf Bitten von Präsident Wolodymyr Selenskyj aufgestellt. Freiwillige Kämpfer aus der ganzen Welt könnten sich bei den Verteidigungsattachés der ukrainischen Botschaften in ihren Ländern melden.
Wie viele Deutsche das getan haben, ist unbekannt. Die Legion teilt auf Anfrage keine Zahlen mit, wie viele Legionäre aus welchen Ländern kommen. Bei einer Pressekonferenz erwähnt ein Sprecher die USA, Großbritannien, Kanada, Finnland und Japan als Haupt-Herkunftsländer. Zwei US-Amerikaner sind bisher bestätigt in den Kämpfen ums Leben gekommen. Gemeinsam mit dem Tod von Björn C. meldete die Legion den Tod eines Niederländers, eines Franzosen und eines Australiers.
C. trat Einheit trotz fehlender Kampferfahrung bei
„Es gibt keine Worte, um unsere Dankbarkeit für ihren Dienst und ihr höchstes Opfer auszudrücken. Ihr Mut und das Andenken an sie werden uns immer inspirieren“, heißt es auf der Facebook-Seite der Legion. In anderen Einheiten gibt es nach Berichten in den sozialen Netzwerken weitere Verluste von ausländischen Kämpfern.
Auf ihrer Website sucht die Legion ausschließlich Freiwillige mit „combat experience“, also Kampferfahrung. Björn C. aber hatte anscheinend noch nicht einmal eine militärische Grundausbildung absolviert. „Er war nie bei der Bundeswehr“, teilen seine Hinterbliebenen mit. Er habe eine Ausbildung im Sicherheitsgewerbe gemacht. Der Umgang mit Waffen gehörte nicht dazu.
Kriterian für Beitritt in Legion wurden verschärft
„Ursprünglich hatten wir keine sehr strikten Kriterien für die Aufnahme in die Legion“, teilt ein Sprecher der Einheit mit. „Das hat sich geändert. Seit mehreren Wochen ist Kampferfahrung nun vorgeschrieben.“
„Hätten sie das nur früher so entscheiden“, hadert Björn C.s Großmutter. Zusammen mit zwei weiteren Verwandten will sie über ihren Enkel berichten. Alle drei wollen anonym bleiben. Sie bitten auch darum, dass die Bilder von Björn C. verpixelt werden. Aber dennoch möchten sie ihre Trauer und Erinnerung teilen.
Dass er in die Ukraine wollte, um zu kämpfen, habe Björn C. schon wenige Tage nach Kriegsbeginn gesagt. Familiäre Beziehungen in die Ukraine hat er nicht, es soll aber ukrainische Kollegen oder Freunde in Oranienburg gegeben haben, berichtet seine Großmutter. Es sei ihm um Gerechtigkeit gegangen. „Er wollte für Frieden kämpfen und die Ukraine verteidigen“, berichten die Hinterbliebenen.
Für C. war es ein langer Weg bis zum Fronteinsatz
Der Weg an die Front war voller Hindernisse. Zuerst habe Björn C. niemanden gefunden, der auf seinen Hund aufpassen konnte. Dann sei er an der polnisch-ukrainischen Grenze zurückgewiesen worden, weil er keinen gültigen Reisepass hatte. „Ich hatte noch so gehofft, dass er nicht so schnell einen neuen Pass bekommt“, sagt seine Großmutter.
In einer Kaserne in der Westukraine wurde Björn C. dann an der Waffe ausgebildet. Er fiel krank aus, musste ins Lazarett, erholte sich wieder und kam schließlich an die Front. Mit wem er dort gemeinsam diente, weiß die Familie nicht.
Beitritt scheint nicht politisch motiviert gewesen zu sein
Auch Rechtsextreme zieht es in die Ukraine. Über Björn C. liegen beim Staats- und Verfassungsschutz keine derartigen Erkenntnisse vor. Das rote Tatzenkreuz der Tempelritter, das er sich auf die rechte Hand tätowieren ließ, habe keinen politischen Hintergrund, sagen die Hinterbliebenen.
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Die Hinterbliebenen warten nun auf die sterblichen Überreste von Björn C. Die Urne mit seiner Asche werde mit dem Zug nach Deutschland gebracht, habe die Legion mitgeteilt. Aus dem Auswärtigen Amt ist Folgendes zu hören: „Der Fall ist uns bekannt. Unsere Botschaft steht dazu mit den ukrainischen Behörden in Kontakt und unterstützt die Hinterbliebenen konsularisch, wenn diese das wünschen.“
Weitere Fälle verletzter oder getöteter deutscher Staatsangehöriger in der Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges seien nicht bekannt. (RND)