Die Urteile waren mit Spannung erwartet worden, die gelten als richtungsweisend und sie betreffen Millionen Menschen: Das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof, hat am Montagvormittag zwei Entscheidungen zum steuerlichen Umgang mit Renten gefällt. Zwar hatten bei Kläger mit ihren Beschwerden keinen Erfolg, trotzdem werden die Richtersprüche die Besteuerung von Ruhestandsbezügen ändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was genau wurde vom Bundesfinanzhof entschieden?
Die Richter haben gleich zwei Urteile gefällt. Sie befassten sich mit der Klage eines Steuerberaters und eines ehemaligen Zahnarztes, die die Besteuerung ihrer Altersbezüge als zu hoch empfinden. Ein Kläger argumentierte, dass er die während seines Berufslebens geleisteten Rentenbeiträge zum großen Teil aus versteuerten Einkommen bezahlt habe und der nun gewährte steuerfreie Anteil der Rentenzahlung nicht hoch genug sei, um eine doppelte Besteuerung zu verhindern. Der zweite Kläger wandte sich dagegen, dass die Zahlungen aus einer freiwilligen Höherversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung steuerlich wie eine normale Rente behandelt werden. Außerdem klagte er gegen die aus seiner Sicht zu hohe Besteuerung privater Zusatzrenten. Beide Klagen hatten keinen Erfolg.
Warum gelten die beiden Urteile als richtungsweisend?
Die doppelte Besteuerung von Renten ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes unzulässig. Das bedeutet, dass jeder Rentner mindestens so viel Rente steuerfrei erhalten muss wie er zuvor an Beiträgen aus versteuertem Einkommen eingezahlt hat. Nach der Berechnungsmethode, die der Bundesfinanzhof nun festgelegt hat, wird das künftig für viele Rentner nicht mehr gewährleistet sein. Weder der Grundfreibetrag noch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge dürften in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente einbezogen werden, urteilten die Richter und widersprachen damit der bisherigen Praxis der Finanzämter.
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Warum ist eine Doppelbesteuerung von Renten überhaupt möglich?
Das Bundesverfassungsgericht hat 2002 eine ungleiche Behandlung der voll versteuerten Beamtenpensionen und gering besteuerten Renten für andere Steuerzahler gerügt. Daraufhin hat der Bund mit einem Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung reagiert. Das heißt, ab 2005 durften Beiträge zur Rentenversicherung steuermindernd bei der Einkommensteuer als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zeitgleich wurden Renten steuerpflichtig. Allerdings wurde eine lange Umstellungsphase beschlossen, in der die Steuerlast auf Rentenzahlungen und die Möglichkeit, Beitragszahlungen steuermindernd gelten zu machen, Stück für Stück ansteigt. Ab 2040 sind Neurenten komplett steuerpflichtig. 2025 sind die Beiträge komplett absetzbar.
Welche Auswirkungen hat das Urteil?
Die neue Berechnungsformel soll in strittigen Fällen ab sofort angewendet werden. Das Bundesfinanzministerium hat erklärt, dass die 142.000 Rentner, die ihren Steuerbescheid derzeit angefochten haben, bereits nach den neuen Kriterien beurteilt werden. Neurentnern empfiehlt der Bund der Steuerzahler mit Hilfe von Steuerberatern nun selbst nachzurechnen und wenn nötig den Steuerbescheid anzufechten. Von dem Urteil profitieren könnten Selbständige, weil die ohne Arbeitgeberbeitrag in der Regel voll selbst für ihre Rentenbeiträge aufkommen. Deshalb muss ihr steuerfreier Rentenanteil entsprechend hoch sein, um nicht in den Bereich von Doppelbesteuerung zu kommen. Zudem profitieren Männer mehr als Frauen und Unverheiratete stärker als Ehepaare.
Wie reagiert die Politik?
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz stellte für die Zeit nach der Bundestagswahl eine rasche Steuerreform in Aussicht. „Die nächste Legislaturperiode muss direkt beginnen mit einer Steuerreform, die kleine und mittlere Einkommen entlastet, also genau all diejenigen, die Beiträge zur Rentenversicherung zahlen.“ Gleiches gelte für Rentnerinnen und Rentner. Der Bundesfinanzhof habe der Bundesregierung hier klare Kriterien für die Zukunft aufgegeben. Auch die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Antje Tillmann, sagte, dass der nächste Bundestag das Problem klären müsse.