Hannover – “Wir rationieren”, sagt Stefan Weller, Sprecher der Universitätsklinik in Göttingen. Gemeint ist die Ausstattung mit Desinfektionsmitteln in einem der größten Krankenhäuser Niedersachsens. Nur noch da, wo es zwingend notwendig ist - auf Station, im medizinischen Bereich - werde Desinfektionsmittel verteilt. Aus den öffentlich zugänglichen Toiletten hat die Klinik es inzwischen verbannt. “Da reichen auch Wasser und Seife zum Händewaschen”, so Weller.
Kampf gegen Engpässe: Regierung schafft Ausnahmen für Apotheken
Sparen ist also angesagt. Und Göttingen ist nicht alleine. Die Angst vor dem Coronavirus hat die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln sprunghaft ansteigen lassen. Bundesweit klagen Kliniken und Apotheken über Engpässe. Inzwischen hat auch das Gesundheitsministerium reagiert und eine Ausnahmeregelung erlassen, damit Apotheken direkt vor Ort die Produkte herstellen können. Bisher war das rechtlich nicht zulässig. Als einen möglichen “Ausweg aus dem Engpass” bezeichnete ein Sprecher des Apothekerverbands diesen Schritt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
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Doch noch ist die Lage angespannt. Auch beim Deutschen Krankenhausverband berichtet man von “Problemen bei Desinfektionsmitteln”. Das habe zumindest die letzte Abfrage in Kliniken vor zwei Wochen ergeben, teilte ein Sprecher auf RND-Anfrage mit. Umso mehr verwundert es, dass ausgerechnet jetzt der Discounter Aldi vorprescht: Ab Montag bietet das Unternehmen in seinen Filialen Desinfektionsmittel im Angebot an. Medien aus ganz Deutschland haben sich auf die Nachricht gestürzt. Für Aldi eine gelungene - und günstige - Werbeaktion, keine Frage.
Desinfektionsmittel: Aldi hatte Aktion schon lange geplant
Um Hamsterkäufe zu vermeiden, wollen sowohl Aldi Süd als auch Aldi Nord die Stückzahl pro Kunde auf drei begrenzen. Man erwarte eine “hohe Nachfrage” am Montag, ließ der Discounter mitteilen. Mal ganz davon abgesehen, dass Experten die Verwendung von Desinfektionsmitteln für gesunde Menschen - normales Händewaschen reicht vollkommen - als nicht notwendig erachten, stellt sich doch die Frage, wie es sein kann, dass Kliniken und Apotheken Engpässe melden. Und Aldi in die Vollen gehen kann.
RKI erwartet Corona-Medikament in wenigen Wochen
War der Discounter einfach cleverer? Hatte er Glück? Oder haben die Einrichtungen des Gesundheitswesens bei der Versorgung mit Nachschub schlicht gepennt? Die Wahrheit ist: Weder noch. Jedes Jahr nimmt Aldi Hygieneartikel zu Beginn der Reisezeit ins Sortiment auf. Es handele sich um “Aktionsware, die regulär und bereits viele Monate im Vorfeld geplant und eingekauft wurde”, so eine Sprecherin von Aldi Süd gegenüber dem RND. Das Coronavirus habe damit nichts zu tun. Zumindest aber lässt sich sagen: Es spielt Aldi in die Hände.
Krankenhaus-Sprecher: “Der Markt bleibt eng”
Ob es am Montag nun vor Filialen des Discounters zu einem Ansturm kommt oder nicht: Bis sich die Lage im Gesundheitswesen entspannt, dürfte es noch etwas dauern. “Es wird zwar nachproduziert, aber der Markt bleibt eng”, sagte Stefan Weller von der Universitätsmedizin in Göttingen.