Die Situation in Darna ist weiterhin katastrophal, sagt die Libyen-Direktorin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es werden noch immer Leichen angespült, verschmutztes Wasser gefährdet die Gesundheit.
Überflutungen in LibyenKampfschwimmer sollen Leichen bergen
Auch mehr als eine Woche nach der schweren Überflutung der libyschen Stadt Darna kommen die Rettungsteams kaum voran. Noch immer finden Helfer viele Leichen am Strand und im Wasser. Kampfschwimmern aus der über 1000 Kilometer entfernten Stadt Misrata sind am Sonntag eingetroffen, um die Suche zu unterstützen. Zahlreiche Menschen waren von der Flut ins Meer gerissen worden, Tausende gelten als vermisst.
„Bisher wurden noch nicht alle Leichen aus dem Meer geborgen, immer wieder werden Tote an den Strand gespült“, sagte die Libyen-Direktorin der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), Salam Said, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Situation sei weiterhin kritisch und sehr chaotisch. „Es gibt zwar viele Organisationen und Privatpersonen, die helfen möchten. Aber es fehlt an einer Koordination der Hilfsaktionen.“
Viele Leichen vor Libyens Küste
Abdullah Al-Amoudi, Leiter des Taucherteams, sagte dem Sender Libya TV: „Die Gruppe von Tauchern und Kampfschwimmern der libyschen Armee hat ihre Arbeit aufgenommen, aber das Wetter beeinflusst die Tauchgänge, und die Leichen kommen erst an die Wasseroberfläche, wenn sie ein bestimmtes Verwesungsstadium erreicht haben.“ Östlich von Darna gebe es so viele Felsen im Wasser, sagte er, dass die Taucher nicht bis zur Küste gelangten. Unterstützt würden sie von Tauchteams aus Malta und Spanien.
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Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) warnte am Montag eindringlich vor einer sich „rasch ausweitenden Gesundheitskrise“ in Darna. Tausende von Menschen hätten keinen Zugang zu sauberem und sicherem Trinkwasser. Verunreinigtes Wasser kann zur Ausbreitung von Krankheiten führen. Besonders Frauen und Kinder seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Laut IRC sind bereits mindestens 55 Kinder infolge des verschmutzten Wassers erkrankt.
Die Behörden warnen die Menschen in Darna und Umgebung seit Tagen davor, Leitungswasser zu trinken. „Aber die Versorgung der Menschen mit Wasser aus Flaschen ist schwierig, weil noch immer kaum Hilfe nach Darna gelangt“, erklärte Said. Die einzige Hauptstraße in die Hafenstadt ist kaum passierbar, vielerorts fehlt Strom. Erste Holzmasten für die Stromleitungen wurden am Montagmorgen wieder aufgebaut. Bis alle Gebiete wieder mit Strom versorgt werden, dauert es laut den Behörden aber noch einige Tage.
Evakuierung von Darna angeordnet
Infolge der kritischen Gesundheitslage hat das Gesundheitsministerium eine Evakuierung von Darna angekündigt und die Stadt in drei Teile unterteilt. Der besonders schwer betroffene Teil solle vollständig evakuiert werden, sagt Said. „Die etwas weniger stark beschädigten Stadtteile – aber lebensgefährlich für die Menschen – sollen ebenfalls evakuiert werden.“ Die Menschen aus dem dritten Teil müssten die Stadt nicht verlassen, seien aber ebenfalls auf Wasser aus Flaschen und andere Hilfsgüter angewiesen. „In Darna müssen Tausende Menschen evakuiert werden, aber die Behörden haben gar nicht die Kapazitäten dafür“, so Said. Es fehle an Personal und Managementfähigkeiten. Viele Menschen seien enttäuscht und verärgert über die Regierung, die so viel verspreche, aber nicht halte.
Rufe nach Aufarbeitung der Katastrophe
Der Kollaps zweier Staudämme, die mutmaßlich über Jahre nicht gewartet worden waren, hatte nach dem Sturm „Daniel“ zu den massiven Überschwemmungen geführt. Die Zivilgesellschaft wünscht sich laut der Libyen-Expertin eine Aufarbeitung der Frage, warum die Wartung vernachlässigt wurde.
Der international renommierte Archäologe Hafed Walda hält eine Untersuchung der eingestürzten Staudämme aus mehreren Gründen für notwendig. „Dies wird dazu beitragen, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft nicht passieren“, erklärte er. Außerdem könnten sich daraus Empfehlungen ableiten, wie Sicherheitsstandards verbessert und Reparaturen an anderen Dämmen in der Region vorgenommen werden könnten.
„Es ist unwahrscheinlich, dass es eine Aufarbeitung geben wird“, so die Einschätzung von Said. „Es gibt keine neutrale Ermittlungskommission, und die Politik würde dies nur als Chance nutzen, um der anderen Partei die Schuld zuzuschieben.“ (RND)