Der 1. FC Köln startet in die Zweitliga-Saison. Wie es zum Stimmungsumschwung kam und was sich von der Situation nach dem Abstieg 2018 unterscheidet.
Mission WiederaufstiegWie sich beim 1. FC Köln die Stimmung drehte
Beim 1. FC Köln kann sich die Stimmungslage schon mal innerhalb kürzester Zeit verändern. Und das ist jetzt wieder der Fall. Nach dem siebten Abstieg in der Vereinsgeschichte, besiegelt Mai Mitte nach einem desaströsen Auftritt beim 1:4 in Heidenheim, lag der mit einer Transfersperre belegte Klub gefühlt in Agonie. Doch jetzt, unmittelbar vor dem Saisonstart am Freitag (20.30 Uhr, Sat1. und Sky live) mit dem Top-Duell gegen den Hamburger SV, ist am Geißbockheim sogar wieder eine gewisse Aufbruchsstimmung zu spüren, mit der nicht zu rechnen gewesen war.
Fünf Saisons in Folge hatte der FC zuvor in der Bundesliga gespielt. Der Abstieg hat den Klub natürlich zurückgeworfen und viel Geld gekostet. 2018 hatte der FC ebenfalls den Gang in die Zweitklassigkeit antreten müssen. Es war nur ein Intermezzo, denn in der folgenden Saison sollte den Kölnern als Erster der direkte Wiederaufstieg gelingen. Schafft der FC dies 2024/25 nun wieder? Ein Vergleich der Kölner Zweitliga-Spielzeiten 2024/2025 — 2018/19.
Die Stimmungslage
Nach dem Abstieg im Mai standen vor allem Sport-Geschäftsführer Christian Keller und der Vorstand massiv in der Kritik. Die Aussichten für die Zukunft erschienen alles andere als rosig. Denn nach einer sehr guten und soliden Saison unter Steffen Baumgart hatte der FC in der Saison 2023/24 das Niveau nicht mehr annähernd halten können. Keller, beim eingeschlagenen Sanierungskurs der Sparminister, konnte oder wollte Baumgarts Transferwünsche nicht umsetzen. Der Sportchef leistete sich viele Fehlgriffe bei der Kaderzusammenstellung. Und auch Baumgart machte Fehler. Die Vorwürfe: Er enge sich bei der Beschränkung auf deutschsprachige Spieler zu sehr ein, sei wenig flexibel oder zu engstirnig. Kurz vor Weihnachten trennte sich der FC vom einstigen Erfolgstrainer, der zum Gesicht des Klubs geworden war. Am 22. Dezember mussten sich Vorstand und Geschäftsführung auf einer denkwürdigen Pressekonferenz nicht nur zur Baumgart-Demission, sondern nach dem Cas-Urteil auch zur selbst verschuldeten Fifa-Transfersperre äußern. Personell übernahm keiner Verantwortung. Im Februar beendete die Vereinsspitze nach einer Aufarbeitung der Causa Jaka Cuber Potocnik die Zusammenarbeit mit dem langjährigen sportlichen Berater und Interimssportchef Jörg Jakobs. Keller präsentierte Anfang Januar nach einem Auswahlverfahren (Assessment-Center) Timo Schultz als neuen Trainer, der allerdings den Abstieg auch nicht mehr verhindern konnte und wieder Geschichte am Geißbockheim ist.
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Doch dann folgten Entscheidungen der Vereinsführung, die bei vielen Mitgliedern und Fans gut ankamen: Vorstand und Geschäftsführung erklärten in einer klubeigenen Podcast-Reihe und auf einem weiteren Mitgliederstammtisch ihrer Version der Vorgänge, die zum Abstieg und der Transfersperre führten. Zudem profitierte das Präsidium davon, dass die neu formierte Opposition um den früheren Doublesieger Dieter Prestin ihre Kampagne so führte, dass der Vorstand fast schon wieder in einem guten Licht dastand. Zudem blieb der von einigen befürchtete Spielerexodus aus, Keller gelang es, wichtige Profis trotz Ausstiegsklauseln zum Bleiben zu bewegen. Und der von ihm neu verpflichtete Trainer Gerhard Struber könnte passen. Im Umfeld ist mehr Ruhe eingekehrt. Bis zur Mitgliederversammlung? Am 24. September steht die Wahl des Mitgliederrats an, dessen Spitze auffällig auf Distanz zum Vorstand gegangen ist.
Im Sommer 2018 lag hinter dem FC ein beispielloser Absturz. Nach Platz fünf, mit dem sich die Kölner erstmals seit einem Vierteljahrhundert wieder für den Europapokal qualifiziert hatten, brach der Verein förmlich auseinander und verlor sein einstiges Erfolgsduo bestehend aus Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger. Viele kostspielige Transfers schlugen nicht ein, dazu kam unfassbares Verletzungspech. Auch der eingesprungene U19-Trainer Stefan Ruthenbeck konnte den FC nicht mehr retten – weil ernicht zu retten war. In der folgenden Saison sollte die Unruhe im Klub konstanter Begleiter bleiben: Es folgte ein Machtkampf zwischen dem langjährigen Präsidenten Werner Spinner und Sportchef Armin Veh, der auf Schmadtke Ende 2017 gefolgt war. Veh gewann diesen, Spinner trat im März 2019 zurück. Dies war der Anfang vom Ende eines einst erfolgreichen Vorstands, auch die Vizepräsidenten Toni Schumacher und Markus Ritterbach verkündeten nach dem Aufstieg ihren Rückzug und Verzicht auf einen Kampfkandidatur für die anstehende Vorstandswahl. Der Mitgliederrat hatte sich bereits auf ein Team um Werner Wolf festgelegt.
Die Kader
Mit dem neuen Kapitän Timo Hübers, seinem Vorgänger Florian Kainz, Mark Uth, Luca Waldschmidt, Eric Martel und Jan Thielmann entschieden sich zuletzt wichtige Spieler für einen Verbleib – was den Verein natürlich etwas kostetet. Der Etat für die Lizenzspielermannschaft soll rund 25 Millionen Euro betragen. Nur Jeff Chabot, der konstanteste Kölner Verteidiger, machte von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch und wechselte für rund vier Millionen Euro Ablöse wie auch Talent Justin Diehl (ablösefrei) zum VfB Stuttgart. Mit Davie Selke konnte sich der FC nach einigen Irritationen nicht auf einen neuen Vertrag einigen, den Mittelstürmer zog es zum HSV. Der Vertrag des langjährigen Rechtsverteidigers Benno Schmitz wurde nicht verlängert. Zuletzt ausgeliehene Spieler wie Jonas Urbig, Tim Lemperle, Marvin Obuz oder Mathias Olesen kehrten zurück. Lemperle (22) hat sich weiterentwickelt. Urbig (20) gilt als eines der größten Torwarttalente Deutschlands und löste den bisherigen Stammkeeper Marvin Schwäbe ab, der den FC noch verlassen könnte. Aufgrund der Transfersperre ist es den Kölnern in der zweiten Periode in Folge nicht erlaubt, neue Spieler zu registrieren. Das wird erst wieder im Januar 2025 möglich sein, der Verein sollte darauf vorbereitet sein. Dennoch: Der Kader hat nicht nur eine gute Perspektive, sondern weist in der Liga den mit Abstand höchsten Marktwert auf. Deshalb erkoren einige Experten und Trainer Köln zum Aufstiegsfavoriten. Was fehlen könnte, ist indes ein echter Knipser.
2018/19 hatte der FC nicht nur gleich mehrere Torjäger, sondern fast schon einen Luxus-Kader für Zweitliga-Verhältnisse. Vor allem die Offensive war sagenhaft besetzt mit Jhon Cordoba, Simon Terodde oder dem ab Februar 2019 spielerberechtigten China-Rückkehrer Anthony Modeste. Dem Kader gehörten auch die sehr junge Serhou Guirassy, der allerdings im Winter an Amiens ausgeliehen wurde, und Chris Führich an, der aber nur in der U21 eingesetzt wurde. Angeführt wurde die Mannschaft von Kapitän Jonas Hector. Im Mittelfeld standen Spieler wie Marcel Risse, Salih Özcan, Marco Höger oder der stark aufspielende Neuzugang Dominick Drexler (18 Torvorlagen) zur Verfügung. Der FC erzielte 84 Tore, unglaubliche 54 gingen auf das Konto von Terodde (33) und Cordoba (21). Diese Truppe indes zu unterhalten, war ein finanzieller Kraftakt. Der Lizenzspieleretat betrug rund 31,7 Millionen Euro. Dennoch schloss der FC das Geschäftsjahr 2018/19 mit einem Gewinn von 1,1 Millionen Euro nach Steuern ab, das Eigenkapital lag bei 38,6 Millionen Euro. Vor allem die Verkäufe von Osako, Bittencourt und Heintz hatten nach dem Modeste-Transfer erneut Geld in die Kasse gespült. Danach folgten aber eine immens teure Erstliga-Spielzeit 2019/20 – und die Pandemie und ihre finanziellen Folgen.
Die Trainer
Der neue FC-Coach Gerhard Struber (47), der aus dem RB-Kosmos kommt, kann völlig unbelastet an die Aufgabe herangehen und hat erste Duftmarken gesetzt. Allem Anschein nach hat er bereits einen guten Zugang zum Team gefunden. Zur Saison 2018/19 hatte Veh den gebürtigen Kölner Markus Anfang (zuvor Kiel) als Trainer verpflichtet. Anfang bekam allerdings nie Konstanz in die Leistungen seiner Mannschaft. Es gab Schützenfeste wie beim 8:1 gegen Dresden und 5:1 gegen Bielefeld, dann aber auch wieder unerklärliche Pleiten oder Punktverluste wie gegen Baumgarts Paderborner (3:5, 2:3), Duisburg (1:2, 4:4) oder in Dresden (0:3). Der FC kassierte sehr viele Gegentore — 47. Nach vier sieglosen Spielen und einer Heimpleite am 31. Spieltag gegen Darmstadt (1:2) entließ Veh Coach Anfang – trotz des fast sicheren Aufstiegs. Doch die Chemie zwischen beiden hatte einfach nicht mehr gestimmt, schon Wochen zuvor hatte Anfang mehrfach auf der Kippe gestanden. Der bisherige U21-Trainer André Pawlak und Chefsout Manfred Schmid übernahmen und finalisierten die Bundesliga-Rückkehr, die nach einem souveränen 4:0-Erfolg in Fürth am 32. Spieltag auch rechnerisch perfekt war. „Wir hatten 2018/19 ein starkes Team mit vielen erfahrenen Jungs. Die Saison war aber eine ständige Achterbahnfahrt mit vielen Diskussionen. Nach dem Aufstieg war die Erleichterung spürbar“, erinnert sich Pawlak.
Aufstiegstrainer Pawlak: Besser besetzte Liga, aber auch ein FC-Vorteil
Und dies könnte ein großer Unterschied zu 2018/19 sein: Obwohl Struber nominell einen nicht ganz so starken Kader wie vor sechs Jahren zur Verfügung hat, dürfte der 47-Jährige mehr Rückendeckung als Anfang erhalten und ohnehin ein anderes Standing haben. Auch der langjährige FC-Trainer Pawlak, der seit dem 1. Juli als U16-Nationaltrainer beim DFB tätig ist, gibt sich zuversichtlich, was die Kölnern Aufstiegschancen angeht: „Ich meine zwar, dass die 2. Bundesliga in der kommenden Saison deutlich besser besetzt ist als die in der Spielzeit 2018/19. Doch es ist natürlich ein Vorteil, dass die Kölner Mannschaft im Großen und Ganzen zusammengeblieben ist. Die Rückkehrer sind schon eine echte Verstärkung, vor allem hat der Trainer dadurch noch mehr Alternativen. Das größte Fragzeichen ist sicherlich der Sturm, da fehlt es an einem klaren Torjäger. Doch den hatten die Aufsteiger St. Pauli und Kiel in der vergangenen Saison auch nicht. Der FC wird meiner Meinung nach im Kampf um den Aufstieg mehr als ein Wörtchen mitreden können.“