Köln – Nach dem Abpfiff standen Ellyes Skhiri und Rafael Czichos Arm in Arm auf dem Rasen und schauten sich auf der Videowand die wohl entscheidende Szene zum zwischenzeitlichen 2:1 gegen Greuther Fürth (Endstand: 3:1) noch einmal an. Nach einer Ecke von Florian Kainz und Jonas Hectors Kopfball-Verlängerung hatten beide Kölner praktisch gemeinsam den Ball über die Torlinie bugsiert.
Das Spielgerät lag im Netz, doch der Torschütze war nicht so recht auszumachen. Und stand Czichos nicht im Abseits? Stadionsprecher Michael Trippel rief zur Belustigung der Fans gleich mal beide als Torschützen aus.
Der Videoschiedsrichter überprüfte den Treffer. Kurzes Zittern, bange Blicke. Doch das Tor zählte. Der Jubel war groß. Und der Flachs blühte. „Du hast mir doch auf dem Platz gesagt, dass ich es war. Das haben wir doch schon geklärt“, sagte Czichos mit einem Grinsen in Richtung des Teamkollegen. Der übte sich in Diplomatie: „Wir haben es doch zusammen gemacht.“ Offiziell wurde das Tor allerdings Skhiri zugeschrieben. „Wenn das so ist, schreibe ich eine Beschwerde an die DFL“, kündigte Czichos an.
Späte Kraft vor dem 3:1
Eindeutig war die Sache beim Tor zum 3:1-Endstand. In der 89. Minute hatte Skhiri noch die Kraft und die Lunge, in Forrest-Gump-Manier über den Platz zu laufen. Und besaß am Ende sogar noch die Ruhe und Technik, nach Schaubs Zuspiel das Spielgerät perfekt ins Tor zu lupfen. „Das war eine pure Energieleistung. Den am Ende noch so locker reinzuschieben, kommt an Qualität noch hinzu“, lobte Sportdirektor Jörg Jakobs den Tunesier, der einen Jubelorkan in Müngersdorf ausgelöst hatte.
Es war Skhiris dritter Treffer in dieser Saison und sein elfter im 78. Pflichtspiel für den 1. FC Köln. Der Mittelfeldspieler wird für seinen Klub immer wertvoller. Skhiri hat sich beim FC unverzichtbar gemacht.
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Bereits jetzt zeigt sich deutlich, wie wichtig es für den FC war, dass der defensive Mittelfeldspieler im vergangenen Sommer doch nicht gewechselt ist. Bis zum Ende der Transferphase wurde der Mittelfeldspieler als Kandidat gehandelt, der den FC verlassen könnte. Doch Skhiri blieb. Zum einen, weil er sich in Köln wohlfühlt. Zum anderen, weil das perfekte Angebot offenbar ausblieb. Die Spekulationen brachten Skhiri allerdings nicht aus der Fassung. Der Mittelfeldspieler bringt konstant starke Leistungen. Er ist einer der zweikampfstärksten Spieler der Liga (Platz elf mit bisher 80 gewonnenen Duellen), hat eine überragende Passquote (91,87 Prozent seiner Pässe kommen beim Mitspieler an, Platz sieben).
Skhiri läuft drittmeisten Kilometer in Liga
Und er läuft und läuft. Insgesamt 79,1 Kilometer spulte Skhiri bisher ab. Platz drei hinter Fürths Paul Seguin (80,6) und Gladbachs Jungstar Joe Scally (80,1). Der Kölner wäre wohl Erster, wäre er in Freiburg nicht erst in der zweiten Halbzeit eingewechselt worden. Bereits in der vergangenen Saison hatte er die Liga-Wertung mit mehr als 400 Kilometern angeführt. Skhiri bleibt auch in seiner dritten Saison Kölns Dauerläufer. Doch er hat sich weiter verbessert, ist torgefährlicher und präsenter geworden.
Sechs Millionen Euro Ablöse hatte der FC im Juli 2019 an Montpellier HSC für Skhiri überwiesen. Ex-FC-Sportchef Armin Veh hat also nicht nur Fehlgriffe getätigt, der hagere Tunesier erwies sich vielmehr als Volltreffer. Und der Marktwert des 26-Jährigen, der noch bis zum 30. Juni 2023 in Köln unter Vertrag steht, steigt weiter.
Zugute kommt Skhiri Baumgarts mutige Spielidee. Anspruchsvoll sei sie, er könne sich etwas weniger als vorher in die Offensive einschalten. Doch insgesamt überwiegen auch für Skhiri klar die Vorteile: „Ich mag das System. Wir spielen aggressiv und pressen den Gegner sehr früh. Damit wollen wir die Gegner destabilisieren. Das macht mir großen Spaß und es klappt bisher sehr gut. Die Spielweise verlangt eine hohe Aktivität und Laufbereitschaft – ich mag das. Insgesamt trage ich viel Verantwortung, da ich im System des Trainers oft alleine im Zentrum spiele.“
Baumgarts überraschende Kritik
Und der hat trotz der Wechsel-Spekulationen von Anfang an auf den Tunesier gebaut. Baumgart ist der Überzeugung, dass bei Skhiri das Ende der Fahnenstange allerdings noch nicht erreicht ist. „Wenn wir das letzte Tor sehen, wie er da vom eigenen Strafraum durchsprintet, da kann man schon mal die Kappe ziehen“, sagte Baumgart, der Trainer mit der Schiebermütze. Und dennoch will der Trainer noch mehr aus Skhiri herauskitzeln.
„Ellyes hat noch einen langen Weg vor sich, um dahin zu kommen, wo manche ihn schon sehen. Er ist ein sehr guter Spieler, sehr fleißig, sehr wichtig. Aber gerade im taktischen Bereich sieht man, dass er den einen oder anderen Schritt machen muss. Ellyes läuft sehr viel, aber nicht immer richtig. Manchmal läuft er sogar zu viel, weil er viel machen will für die Jungs“, sagte Baumgart nach dem Sieg überraschend kritisch.
Laufen, sagt Skhiri, sei schon immer sein Ding gewesen. Schon als Kind in Montpellier habe er die Lauf-Wettbewerbe in der Schule gewonnen. Und Skhiri braucht irgendwie keine Verschnaufpause. In der Vereins-Doku 24/7 ist zu sehen, wie der Dauerläufer in der Halbzeitpause eines Bundesligaspiels auf dem Ergometer sitzt. Während andere sich erholen, gibt Skhiri weiter Gas.