Die nächste Krise ist beim 1. FC Köln trotz des Einzugs ins Pokal-Achtelfinale nur eine Niederlage entfernt.
1. FC Köln bei Hertha BSCSchicksalsspiel vor gewaltiger Kulisse
Nach dem 3:0 über Holstein Kiel und dem Erreichen der nächsten Pokalrunde am vergangenen Dienstag hätte der 1. FC Köln den Rest des Abends in stiller Zufriedenheit verbringen können. Stattdessen jedoch wirkten die Beteiligten weiterhin außerordentlich angespannt. Trainer Gerhard Struber antwortete auf der Pressekonferenz schmallippig, zu rein sportlichen Themen ebenso wie auf Fragen zur Lage insgesamt. Man sei im Innenverhältnis „klar und sachlich“ geblieben, befand der Trainer des Tabellen-Zwölften der Zweiten Liga – und schob hinterher: „Das kann ich nicht von allen im Umfeld behaupten, wenn ich die letzten 14 Tage sehe.“
Wen genau Struber zu seinem „Inner Circle“ zählt, ist schwierig zu beurteilen. Der Österreicher beschränkt seine Sichtbarkeit in Köln bislang auf den unmittelbaren Kreis seiner Mannschaft. Damit unterscheidet er sich etwa von seinem Vor-Vorgänger Steffen Baumgart, der sich vom ersten Testspiel an auf den 1. FC Köln eingelassen und bald eine Basis gefunden hatte, auf der er sich mit dem Klub und seinen Menschen auseinandersetzen konnte. Struber dagegen bleibt bislang distanziert. Dass er nach dem Sieg über Kiel so angefasst war, ließ daher umso mehr aufhorchen.
Christian Keller, als Sportgeschäftsführer womöglich zum direkten Umfeld zu zählen, hatte die Mannschaft nach dem 1:5 in Darmstadt „bodenlos, fürchterlich und desolat“ und eine „Schülermannschaft“ genannt, was eine so klare wie wohl auch treffende Einschätzung gewesen war. In der Art des Vortrags überschritt Keller jedoch durchaus die Grenzen zum Unsachlichen. Nach einem Bericht der „Sport Bild“ soll der 45-Jährige die FC-Spieler anlässlich der Nachbesprechung des Spiels in Darmstadt zudem als „Luschen“ bezeichnet haben, was bei mehreren Profis für Gelächter gesorgt haben soll. „Klar und sachlich“ war spätestens das nicht mehr. Doch welche Art der Meinungsäußerung im Profifußball statthaft ist und welche nicht, entscheiden die Verantwortlichen am liebsten selbst. Vor allem, wenn der Erfolg gerade auf sich warten lässt.
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Keller hatte nach dem Sieg im Pokal weiterhin angespannt gewirkt, und tatsächlich hat die Qualifikation für das Achtelfinale noch nicht die Kölner Saison gerettet. Am Samstagabend (20.30 Uhr) tritt der FC bei Hertha BSC im Olympiastadion an. Die Gastgeber haben sich nach Siegen über Braunschweig und Karlsruhe ins obere Tabellendrittel geschoben und mit einem Sieg über Erstligist Heidenheim ebenfalls die nächste Pokalrunde erreicht. Köln droht ein schwieriger Abend in der Hauptstadt. Nach bislang zwölf Punkten aus zehn Saisonspielen ist der 1. FC Köln in einer derart niedrigen Flughöhe unterwegs, dass kaum noch Toleranz für Fehler besteht.
Gegen Kiel wich Struber vom bedingungslosen Pressingfußball ab, den Keller beim 1. FC Köln für alle Mannschaften vorgibt, von der Jugend über die Frauen bis zu den Zweitliga-Profis. Gleichzeitig wechselte Köln die Formation und verteidigte mit einer Dreierkette. Wer sich erinnert fühlte an den November 2018, als Markus Anfang nach vier sieglosen Spielen in Serie am 13. Spieltag auf Dreierkette umstellte und Dynamo Dresden 8:1 bezwang, dem sei gesagt: In diesen Zeiten ging die Initiative von Sportchef Armin Veh aus. Wer aus dem „Inner Circle“ die aktuelle Umstellung verantwortet, ist offen.
Im Jahr 2018 war der Friede jedoch nicht nachhaltig. Zwei weitere Ergebnisdellen leistete sich Anfang mit seinem überlegenen Kader, ehe er nach dem 1:2 gegen Darmstadt Ende April entlassen wurde – als Tabellenführer und mit jenen 59 Punkten auf dem Konto, die letztlich ebenso zum Aufstieg gereicht hätten wie die 63, die Interimstrainer André Pawlak noch einfuhr.
Damals war beim 1. FC Köln klar, wo die Macht war: Armin Veh lebte seine Richtlinienkompetenz konsequent aus. Das ist in diesen Tagen anders. Das Vereinspräsidium ist angeschlagen. Nach dem 1:2 gegen Paderborn gab es zudem erneut deutliche Unmutsäußerungen der Fans gegen Sportchef Keller, der in seinen zweieinhalb Jahren als Verantwortlicher eine sportliche Bilanz verantwortet, die ihresgleichen sucht. Bei der jüngsten Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses am vergangenen Montag soll die Zukunft des Sportchefs Thema gewesen sein. Offenbar sind sich die Gremien längst nicht mehr einig.
So soll etwa Lionel Souque, Vorsitzender des FC-Aufsichtsrats, bereits in der vergangenen Saison Kellers Sparkurs infrage gestellt haben. Nun gilt der Vorstandschef des Hauptsponsors Rewe weiterhin als kritischer Geist, die sportliche Zwischenbilanz nach dem Abstieg hat Souque kaum davon abbringen können, neues Vertrauen zu fassen.
Das muss auch der Vorstand erkennen, dessen Maßnahmen längst nicht mehr unumstritten sind. Im September verweigerten die Mitglieder dem Vorstand um Werner Wolf auf Anraten des Mitgliederrats die Entlastung. Ein Misstrauensbeweis, den es in der Vereinsgeschichte zuvor nur einmal gegeben hatte. Mittlerweile gibt es zwar einen neuen Mitgliederrat. Doch von den Kräften, die vor der Versammlung im September gegen den Vorstand agierten, sind noch immer viele im Amt. Eher darf man davon ausgehen, dass der Rückhalt des Vorstands in seinem Kontrollgremium eher kleiner geworden ist. Die beiden Mitgliederräte im Gemeinsamen Ausschuss dürften daher kaum etwas dagegen haben, wenn Lionel Souque angesichts des sportlichen Niedergangs nicht mehr bereit ist, Kellers Wirken hinzunehmen, ohne nachzuhorchen.
Der Vorstand dagegen steht weiter zu Keller, wenngleich weniger fest als noch zu Saisonbeginn. Die öffentliche Reaktion auf die beiden jüngsten Niederlagen in der Liga haben die Zuversicht weiter erschüttert. In den Gremien wächst die Überzeugung, dass die andauernde Erzählung vom langfristigen Erfolg nicht mehr verfängt, wenn kurzfristig die Ziele außer Reichweite geraten.
So war zuletzt aus dem Klub zu vernehmen, dass Keller und mit ihm Gerhard Struber vor dem Pokalspiel noch exakt eine Niederlage entfernt waren von ihrer Absetzung. Was das für die Zukunft beider Herren bedeutet, lässt sich schwer sagen. Zumindest nichts Gutes. Denn es ist kaum davon auszugehen, dass der 1. FC Köln nun nie wieder ein Spiel verlieren wird. Je nach Art der Niederlage könnte also jede weitere Pleite Konsequenzen haben. Nach dem Spiel in Berlin gastiert vor der Länderspielpause Greuther Fürth in Müngersdorf, die Aufgaben werden nicht leichter.
Erinnerung an ein 5:2 gegen Berlin
So hat die Partie in Berlin durchaus das Zeug zum Kölner Schicksalsspiel. Die Kulisse am Samstagabend wird dem Anlass jedenfalls angemessen sein. Die Berliner erwarten mehr als 65.000 Zuschauer, rund 15.000 davon werden aus Köln erwartet. Der Klub will den Schwung des 3:0 über den Erstligisten Holstein Kiel mitnehmen. Es war ein ungewohntes Erfolgserlebnis. Ein Triumph mit drei Toren Unterschied war den Kölnern in der zurückliegenden Saison keinmal gelungen. So deutlich hatte man einen Bundesligisten zuletzt am 12. Mai 2023 geschlagen. Damals gelang Köln ein 5:2-Sieg – gegen Hertha BSC.