Köln – Sein Tabak- und Lotto-Geschäft in der Luxemburger Straße 269 in Sülz hatte bei vielen Fans des 1. FC Köln Kultstatus. Denn hinter der Theke des Ladens, in dem auch FC-Eintrittskarten verkauft wurden, stand ein zweifacher Deutscher Meister, Nationalspieler, eine Klub-Legende: Leo Wilden. Der gelernte Schreiner verdiente seit 1966 seinen Lebensunterhalt im Tabakwaren Groß- und Einzelhandel. Vier Fachgeschäfte führte er insgesamt in Köln.
Noch am Mittwochabend fuhr der FC-Mannschaftsbus mit Fans an Bord am Laden im Kölner Süden vorbei. Der FC bietet seinem Anhang eine Stadtrundfahrt an, am Steuer: Michael Liebetrut, der Busfahrer der Profis. Am Mikrofon: Stadionsprecher Michael Trippel. Der erzählte selbstverständlich auch Anekdoten über Wilden und sein Geschäft.
Einen Tag später teilte der Klub mit: Wilden ist am Donnerstag im Alter von 85 Jahren verstorben.
Der Klub trauert um ein Idol. Wilden war einer der prägender Spieler des FC. Er trug in mehr als 300 Spielen zwischen 1958 und 1966 das Trikot mit dem Geißbock und gewann zweimal die Deutsche Meisterschaft: 1962 die erste der Klubgeschichte, 1964 die erste in der neu eingeführten Bundesliga. Und er wurde Nationalspieler: Mit der deutschen Auswahl nahm Wilden 1962 an der WM in Chile teil, 15 Länderspiele bestritt er insgesamt. Seine Karriere ließ er später bei Bayer 04 Leverkusen ausklingen.
Nach der Laufbahn unterstützte Wilden seinen Verein in der Talentsichtung. Viele Jahre lang war er zudem bei den „Altinternationalen“ aktiv. Überhaupt blieb er seinem FC lebenslang eng verbunden, war von 1995 bis 2010 fast 15 Jahre lang Mitglied des Sport- und Vereinsbeirats und regelmäßiger Gast bei Heimspielen. Doch in den letzten Jahren ging es ihm gesundheitlich nicht mehr gut, die Erinnerung verblasste. Am Ende starb Wilden in einem Kölner Heim.
Karl-Heinz Thielen (82) bedauert nicht nur den Verlust eines langjährigen Mitspielers, sondern auch eines echten Freundes. Der frühere Außenstürmer erinnert sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ an Wilden: „Leo ist eine Klub-Legende. Wir waren befreundet, hatten über viele Jahre zusammen ein Haus in der Eifel. Er zählt zu den besten Spielern des FC. Er war ehrgeizig, manchmal verbissen und hatte eine unglaubliche Ausdauer. Seine vielen Duelle mit Uwe Seeler waren legendär. Außerhalb des Platzes war Leo schwer in Ordnung und eine ehrliche Haut. Wir haben viel zusammen gemacht: Fußball geguckt, geangelt und noch einiges mehr. Mit seinen pechschwarzen Haaren und seiner braun gebrannten Haut war er auch ein Frauentyp. Er hat fast jeden Urlaub am Wörthersee verbracht, da gab es ja so einige, die wie er kein Kind von Traurigkeit waren. Es war eine schöne Zeit. Ich werde ihn vermissen.“
Wolfgang „Bulle“ Weber (77) war hörbar betroffen vom Tod seines langjährigen Weggefährten: „Leo war ’ne richtige kölsche Jung. Mit ihm konntest du auch außerhalb des Platzes viel lachen. Als Spieler war er sehr ehrgeizig, ansonsten hätte er auch nicht den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft. Er war Mittelläufer, wie man das damals nannte. Gegen ihn wollten die Mittelstürmer des Gegners nie gerne spielen. Er war ein zäher Knochen, aber auch sehr clever und fair. Wir werden Leo nicht vergessen.“
Für den Kölner Weltmeister Wolfgang Overath (78) war Wilden auf der Position einer der „Besten in Deutschland überhaupt. Menschlich war Leo sowieso ein ganz feiner Kerl. Als ich zum FC kam, war er ja schon einer der gestandenen Spieler, ein Großer. Doch er war auch zu den Jüngsten immer korrekt und freundlich.“
In Weidenpesch hatte Wilden seine Jugend verbracht. Sein erster Klub war der VfL Köln 99, in dem er zu einem erstklassigen Verteidiger heranreifte. Das entging auch den größeren Vereinen nicht, und so hatte er 1958 die Qual der Wahl, Viktoria Köln und der FC wollten ihn verpflichten. Die Entscheidung wurde nicht unwesentlich von Wildens Vater beeinflusst, der vom FC überzeugt war und dem Sohn für die Unterschrift dort immerhin ein Auto versprach, einen Ford Taunus 12M.
Samstag Ehrenapplaus für Wilden geplant
Spätestens in seiner zweiten Saison startete der Verteidiger am Geißbockheim durch und wurde zum unverzichtbaren Bestandteil der Abwehr. Vor allem an den Titel 1962 dachte er gerne zurück: „Die erste Meisterschaft eines Klubs ist immer etwas Besonderes. Wir sind vom Flughafen Köln-Wahn mit offenen Wagen zum menschenüberfüllten Neumarkt gefahren. Dazu hatte man sogar die Autobahn gesperrt.“
Im Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen Wolfsburg wird der FC seines Idols gedenken. Ein Ehrenapplaus ist geplant, die Kölner Spieler sollen zudem mit Trauerflor auflaufen.