Pal Dardai will mit seiner Hertha in Köln drei wichtige Punkte im Abstiegskampf einfahren.
„Soll gegen uns ein Tor schießen“Hertha-Coach Dardai wird bei Kölner Stürmer sentimental
Die Abstiegssorgen sind riesig, die Finanznot drückt die Stimmung zusätzlich, doch in Pal Dardais großem Fußballer-Herz ist sogar noch Platz für einen Stürmer des nächsten Gegners.
Gefragt nach Davie Selke wurde der Trainer von Hertha BSC beim Pressegespräch vor dem nächsten Berliner Endspiel um den Bundesliga-Klassenverbleib am Freitag (20.30 Uhr/Liveticker auf ksta.de) beim 1. FC Köln geradezu sentimental. „Ich wünsche ihm, dass er gesund bleibt, gegen uns spielt, soll er sogar ein Tor schießen“, sagte Dardai, um gleich nachzuschieben, „aber wir gewinnen 2:1. Dann können wir schön ein Bier trinken.“
Selke, im Winter auch aus ökonomischer Notwendigkeit aus Berlin nach Köln transferiert, ist für Dardai eine Erinnerung an seine erste Zeit als Hertha-Trainer. „Davie und ich, das hat vom ersten Moment an funktioniert. Bei mir hat er immer gut gespielt“, erinnerte sich Dardai.
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Schießt ausgerechnet Kölns Selke die Hertha in die 2. Liga?
Die Karrierewege sind seit 2019 ähnlich holprig. Selke konnte die hohen Erwartungen in sein Potenzial weder bei der Hertha noch bei einem Leihgeschäft zu Werder Bremen richtig erfüllen. Dardai musste bei seinem Berliner Herzensclub zweimal gehen - war immer nur als Retter gut genug. So wie jetzt auch wieder.
Die Pointe, dass ausgerechnet er die Hertha ziemlich sicher Richtung 2. Liga schicken könnte, findet auch Selke irgendwie komisch. „Das wird schon ein besonderes Spiel. Ich gucke natürlich auch immer nach Berlin. Bei uns wird ja nicht mehr allzu viel passieren tabellarisch. Es ist komisch, wenn ich sage, dass sie es noch schaffen und wir spielen noch gegen sie“, sagte der 28-Jährige noch bevor er in der Vorwoche mit seinem Doppelpack gegen Bayer Leverkusen Kölns Bundesliga-Zugehörigkeit endgültig absicherte.
Selke kann also entspannt in das Duell gehen. Dardai nicht. Bei einer Niederlage wäre nicht nur sein großspurig anmutendes, aber sportlich alternativloses Leitmotiv für den Saisonendspurt schon nach der zweiten Etappe passé. Vier Spiele, vier Siege, das wäre dann nicht mehr drin. Im schlimmsten Falle könnte die Hertha am Sonntagnachmittag - parallel zur eigenen Mitgliederversammlung - zwar noch nicht faktisch, aber praktisch als Absteiger feststehen.
Hertha von der Konkurrenz aus Schalke und Stuttgart abhängig
Und zwar: wenn die Konkurrenz aus Schalke und Stuttgart ihre Spiele gewinnt. Konjunktiv und Theorie hat Dardai aber noch nie gemocht. Für sein drittes und größtes Hertha-Wunder setzt der kauzig-fröhliche Ungar auf seine genuine Stärke mit der Kurzbeschreibung: harte Hand und großes Herz. Endlich empfindet er die Stimmung als akzeptabel. „Es ist eine komplett andere Arbeitsatmosphäre. Jeder hört zu“, beschrieb er den Erfolg seiner Erziehungsmaßnahmen in einer seit Jahren als schwer trainierbar charakterisierten Mannschaft.
Gegen Köln soll personell genau die Elf spielen, die beim 2:1 gegen Stuttgart das erste Hoffnungszeichen abgab. Dardai setzt auf eine „ähnliche Kompaktheit“, will aber auch noch „Überraschungseffekte“ einbauen. Muss er auch angesichts von fünf Punkten Rückstand auf Schalke 04 auf Platz 15, der die direkte Rettung bedeuten würde.
Verkompliziert wird Dardais Berliner Problem durch die stetig durchsickernden Nachrichten über die finanziellen Schwierigkeiten bis hin zu drohendem Lizenzentzug. Noch nicht offiziell geklärt ist zudem, ob das Hertha-Konstrukt mit Investor 777 Partners mit den Regularien der Deutschen Fußball Liga kompatibel ist.
Einbußen monetärer Art, weil Verträge geändert werden müssen, könnten für die Hertha existenzgefährdend sein. Da würde auch Dardais Siegplan nichts mehr nutzen. Der Trainer kann seine Konzentration aber nicht abschweifen lassen und reagierte mit einer Anlehnung an das Berlin-Zitat des einstigen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit („arm, aber sexy“) auf die außersportliche Misere: „Geld haben wir nicht. Aber wir haben eine Menge Herz“, sagte Dardai - und das nicht nur für Davie Selke. (dpa, red)