Seit über sechs Jahren hat der 1. FC Köln nicht mehr in Hamburg gespielt. Die Vorfreunde und Anspannung auf das Spiel beim HSV sind gewaltig.
FC spielte letztmals 2018 in HamburgDas große Prickeln auf beiden Seiten
Es prickelt bei allen Beteiligten. Bei den Mannschaften, aber natürlich auch bei den Fans aus beiden Lagern. Und das schon seit Wochen. Über 15.000 Ticketanfragen verzeichnete der 1. FC Köln für das Zweitliga-Spitzenspiel beim Hamburger SV, 7500 FC-Fans werden am Samstagabend (20.30 Uhr, Sky und Sport1) die Glücklichen sein, die im mit 57.000 Zuschauern ausverkauften Volksparkstadion vor Ort dabei sein werden.
Etliche Kölner machen sich bereits am Freitag in die Hansestadt auf. In Vorfreude auf das Duell der Traditionsklubs, aber auch, weil Hamburg, die Perle des Nordens, immer eine Reise wert ist. Selbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Es ist zudem eine Fußballreise, auf die FC-Anhänger schon lange warten mussten. Vor über sechs Jahren, am 5. November 2018, trat der FC letztmals beim HSV an und verlor am zwölften Spieltag der 2. Bundesliga durch ein spätes Tor von Pierre-Michel Lasogga (86.) mit 0:1. Auch die bis dato letzte Pflichtspielpartie beim Stadtrivalen FC St. Pauli liegt lange zurück: Am 2. September 2018 gewannen die Kölner ein spektakuläres Zweitliga-Spiel auf dem Kiez mit 5:3. FC und HSV – man hat sich irgendwie dann doch gegenseitig vermisst.
Früher, da waren die Duelle zwischen den Traditionsklubs Gewohnheit, Von der Saison 1963/64 bis zur Spielzeit 1997/98 standen sich die Gründungsmitglieder der Bundesliga stets gegenüber, bis die Kölner erstmals den Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten und zum Fahrstuhlklub mutierten. Mit der Euphorie hielt es sich seinerzeit aber in engen Grenzen: Als der HSV in besagter Saison 1997/98 den FC empfing, verloren sich beim 2:1-Sieg im September ganze 22.433 Zuschauer in der riesigen, alten Schüssel im Stadtteil Bahrenfeld. Beim HSV setzte der sportliche Abstieg später ein, kam dafür aber umso gewaltiger: Der Bundesliga-Dino ist mittlerweile zum Zweitliga-Dino geworden und kämpft seit dem ersten Abstieg 2018 im nunmehr siebten Anlauf um die Rückkehr ins Oberhaus. Bisher, auch das hat mittlerweile Tradition, musste der HSV meistens im Frühjahr durch teilweise unerklärliche Abstürze seine Aufstiegsambitionen begraben.
Alles zum Thema Davie Selke
- Transferfenster öffnet Der 1. FC Köln will sich verstärken – Stürmer und Verteidiger gesucht
- „Wenn mich Kölner Fans auspfeifen...“ Ex-FC-Stürmer Selke spricht über negative Resonanz nach HSV-Wechsel
- Spezielle Bitte Ehemaliger FC-Stürmer: Ex-Mitspieler verrät kurioses Angebot von Davie Selke
- Zweitliga-Talk von Sky in Köln Experte legt sich fest: Aufstieg geht nur über den 1. FC Köln
- „Freue mich sehr auf den HSV“ Baumgart holt Ex-FC-Stürmer Selke nach Hamburg
- Vage Anschuldigungen gegen Mitternacht Davie Selkes seltsames FC-Betthupferl
- Kommentar zum Selke-Abschied Viel Wirbel beim 1. FC Köln um eine eigentlich logische Trennung
Jetzt mischen die Rothosen wieder oben mit und liegen mit 28 Punkten auf Platz drei. Zwar ist die 2. Bundesliga nicht so stark, aber auf jeden Fall so spannend wie nie zuvor: Nur fünf Punkte trennen die Teams von Platz eins bis neun – so eng war es in Zeiten der Drei-Punkte-Regelung noch nie nach der Hinrunde. Sollte der HSV den Tabellenführer aus Köln schlagen, zöge er am FC vorbei. Umgekehrt: Sollten die Kölner die Oberhand behalten, hätten sie Hamburg auf sechs Punkte distanziert und ihren eindeutigen Aufwärtstrend bestätigt.
Ex-Kölner Selke zurück im Training
Kölns Trainer Gerhard Struber weiß natürlich um die Konstellation und die Bedeutung des Starts, doch erst einmal überwiegt auch beim Österreicher die Vorfreude auf das Spitzenspiel, das zugleich seine Premiere im Volksparkstadion ist: „Ich bin bereit und freue mich richtig auf den Auftakt in Hamburg. Wir wissen, was dort auf uns zukommt. Der HSV ist vom Kader her in der Liga top, aber wenn wir unsere Stärken unter Beweis stellen, wird es auch für den HSV nicht so einfach. Für uns gilt es, die Dinge, die wir erarbeitet haben, auf den Punkt hinzubekommen. Das muss uns gelingen, sonst wird es schwer. Wir haben in den Testspielen zuletzt gesehen, wie wichtig es ist, immer die richtige Haltung zu den Spielen zu haben. Das gilt auch für Samstag“, sagt Struber.
Respekt zeigt der Coach auch vor einem, den man in Köln besonders gut kennt: Torjäger Davie Selke, der bis Ende der vergangenen Saison noch für den FC auflief und nach einem unwürdig verlaufenden Vertragspoker mit Anschuldigungen auf beiden Seiten den Klub in Richtung HSV verließ, der damals noch von Steffen Baumgart trainiert wurde. „Wir wissen, dass Davie Selke Hamburgs Top-Goalgetter ist. Er bringt einiges mit, hat eine gewisse Torgarantie und das gewisse Näschen“, sagt Struber über den Stürmer, der in 17 Einsätzen bereits zehn Treffer erzielen konnte, zuletzt aber angeschlagen war. Doch seit Mittwoch nimmt Selke wieder am Mannschaftstraining teil. Gemeinsam mit Ransford-Yeboah Königsdörffer kehrte der Torjäger nach muskulären Problemen zurück – das Sturmproblem von Baumgart-Nachfolger Merlin Polzin scheint vor dem Rückrundenstart damit gelöst.
Lemperle und Ljubicic weiter fraglich
Nicht ganz so groß ist die Hoffnung von Struber, dass auch er auf ein angeschlagenes Duo setzen kann. Torjäger Tim Lemperle und Mittelfeldspieler Dejan Ljubicic mussten am Dienstag im Testspiel gegen Viktoria Köln (3:2) mit Oberschenkelproblemen noch vor der Halbzeitpause vom Platz. „Die Verletzungen sind jetzt nicht irgendwie struktureller Natur. Da es aber muskuläre Themen sind, wollen wir auch nichts riskieren“,meint der Coach. „Wir brauchen Jungs, die einfach 100 Prozent Verlässlichkeit haben, was die Körperlichkeit angeht.“ Ihr Einsatz scheint zwar nicht ausgeschlossen, aber fraglich. Definitiv fallen dagegen neben den Langzeitverletzten auch Mark Uth (Muskelverletzung) und Julian Pauli (Folgen der Gehirnerschütterung) aus.
Viel spricht dafür, dass die beiden Winter-Neuzugänge gleich beginnen. „Joël Schmied hat sich sehr gut im Team etabliert. Er ist fit und wird auf jeden Fall im Kader stehen“, sagt Struber über den zuletzt aus der Schweiz geholten Innenverteidiger. Diese Aussicht gibt er auch Rechtsverteidiger Jusuf Gazibegovic. „Wir wollen ihm die Chancen geben, schnell hier zu landen und da ist Spielzeit natürlich hilfreich.“
HSV rechnet mit eher abwartenden Gästen
Während die Kölner weniger über ihre taktische Marschroute preisgeben wollten, rechnen die Hamburger erst einmal mit Gästen, die nach der Änderung ihrer Grundordnung ohnehin zuletzt mehr Wert auf die Defensive legten als noch in irrlichternden Phasen zu Saisonbeginn. Das Auftaktspiel gegen den HSV hatte der FC beispielsweise trotz Dominanz mit 1:2 verloren. „Ich könnte mir schon vorstellen, dass es ein Spektakel wird, auch wenn Köln mittlerweile abwartender spielt als noch im Hinspiel. Da hatten wir noch diese Rolle inne, werden diese Mal aber auf keinen Fall abwartend spielen. Ich bin überzeugt, dass wir Tore schießen werden“, gibt sich Hamburgs Jonas Meffert selbstbewusst.
Für den 30-jährigen Mittelfeldspieler ist die Partie ohnehin etwas ganz Besonderes – auch wenn er nie für den FC auflief. Meffert wurde in Köln geboren. „Es kribbelt extrem – und zwar bei allen von uns. Natürlich ist es für mich zusätzlich ein besonderes Spiel. Köln ist meine Heimatstadt und in meinem Umfeld ist eigentlich jeder FC-Fan. Dementsprechend musste ich auch sehr viele Karten für Freunde und Familie besorgen.“ Und zumindest einige Freunde könnten am Samstag eher dem FC die Daumen drücken.