Köln/Borissow – Ziemlich genau fünf Monate ist die Kölner Qualifikation für die Europa League mit all ihrem Jubel nun her. Doch nach der Trennung von Starstürmer Anthony Modeste, einer Sommervorbereitung ohne Glanz und den vielen Pflichtspiel-Niederlagen der vergangenen Monate ist geschehen, worauf niemand vorbereitet war: Die Europa League ist dem 1.FC Köln eine Last geworden. Auch das Spiel am Donnerstag (19 Uhr) bei Bate Borissow in Weißrussland ist kein Feiertag mehr. Zu oft haben die Kölner zuletzt verloren, zu dramatisch immer wieder die Umstände. „Es ist schon erdrückend, wenn es Woche für Woche so ist. Aber es bringt ja nichts. Ich würde jetzt zum ersten Mal sagen, dass das Spiel ungelegen kommt, weil das am Sonntag doch das deutlich wichtigere ist“, sagt Kapitän Matthias Lehmann.
Dass der FC als punktschwächster Tabellen-Fünfter der Bundesligageschichte das Ticket nach Europa löste, dass man nicht antreten würde, um nun den ersten internationalen Titel der Vereinsgeschichte zu gewinnen – darauf war der Verein gefasst. Eher ging es darum, endlich wieder einzuzahlen auf das nach den trüben Jahrzehnten doch arg leere Konto der Emotionen. Das Los hatte diese Aussicht ja eingehalten, die Rückkehr nach Europa im Emirates-Stadion gegen Arsenal, all die FC-Fans in London – das war ein Tag für die Geschichtsbücher des Vereins.
Doch seit London sind weitere Niederlagen hinzugekommen, zuletzt der Niederschlag in Stuttgart. Köln ist Letzter, ohne Sieg bislang, und trifft am Sonntag in der Liga auf Werder Bremen, ebenfalls ein Team auf der Kippe, ein wegweisendes Duell im Kampf gegen den Sog des Tabellengrunds.
Nachvollziehbar, dass die Aussicht auf das Heimspiel gegen Werder die Reise nach Weißrussland etwas überflüssig erscheinen lässt. „Trotzdem werden wir versuchen, dort Selbstvertrauen zu tanken“, sagt Lehmann.
Ein bisschen Vorbereitung in der Ferne, die Reise traten die Kölner erst am Mittwochnachmittag an, das Abschlusstraining absolvierten sie noch am Geißbockheim. Der Einfachheit wegen.
Ganz in schwarz, die Hände in den Hosentaschen und mit der Kappe tief ins Gesicht gezogen betrat Trainer Peter Stöger dort den Platz, lieferte gleich aber die Gegenthese zu jeder möglichen Interpretation seines Aufzugs, indem er breit lächelt und gelassen grüßt. Fast schon eine buddhistische Aura der Ruhe strahlt der 51-Jährige in dieser Zeit aus, beim Training, am Spielfeldrand, in Interviews. „Mit einem Sieg“, sagt er nach der Abschlusseinheit, „haben wir noch gute Möglichkeiten aufs Weiterkommen. Das wird schwierig, ist aber machbar.“
Stöger kündigt Umstellungen an
Stöger spricht mit der Ernsthaftigkeit eines Deutschlehrers beim Diktat. Keine Deutung notwendig. Er meint das genauso so, wie er es sagt. Und kündigt am Abend während der Abschluss-Pressekonferenz in Minsk ein paar Umstellungen an: „Wir haben kein großes Leistungsgefälle in der Mannschaft, unsere Spielidee bliebe also unberührt. Wir werden zwar nichts machen, womit sich die Jungs unwohl fühlen. Aber es kann schon sein, dass wir Veränderungen an der Formation vornehmen.“
Der Trainer bleibt Optimist. Seine Spieler steckt das an. Timo Horn und Dominic Maroh scherzen auf dem Platz um die Wette, Simon Zoller übt sich in Hackentricks. Der Trainer lacht mit, lässt warmlaufen, dann trainieren mit und ohne Ball. Keine Nervosität, Weltuntergangsstimmung schon gar nicht. Auch wenn Marcel Risse und Jorge Meré auf dem Nebenplatz individuell trainieren müssen – und damit fehlen. Auch wenn Claudio Pizarro nicht spielen darf, weil er zu spät verpflichtet wurde. „Gegen Stuttgart waren wir nah am Sieg“, sagt Verteidiger Dominique Heintz vor der Abreise, „Wenn wir in Borissow so spielen und Tore schießen, gewinnen wir.“ Der Siegeswille ist noch da.
Nach dem Spiel werden Heintz und der Rest der Elf noch in der Nacht zum Freitag nach Hause fliegen und „versuchen, im Rhythmus zu bleiben“, wie Spielführer Lehmann anmerkt. Den Samstag wolle man zur Erholung nutzen, um am Sonntag zur ungewohnten Zeit um 13.30 Uhr wieder bereit zu sein für den Existenzkampf in der Bundesliga.
Vorrunden-Aus wäre nicht dramatisch
Trotz aller Gelassenheit wollen sich die Kölner den eigenen Problemen nicht entziehen. Das Selbstvertrauen hat durch die Pleiten in der Liga gelitten. „Es macht es nicht einfacher, wenn man gut spielt und dann verliert. Man baut sich damit zwar etwas auf. Aber es bricht auch immer wieder was weg“, sagt Lehmann.
Die Aussicht, nach der Gruppenphase aus der Europa League zu kippen und sich dann ausschließlich auf die Liga konzentrieren zu können, ist keine dramatische. Dennoch will die Mannschaft das Spiel „nicht abschenken“, wie Lehmann versichert. Lieber wolle man darauf achten, die Offensive zum Erfolg zu führen. „Es ist die Chancenverwertung. Die Tore sind das größte Manko. Die Chancen waren mehr als da, teilweise klare Chancen. Und dann kriegen wir Tore, die man nur kriegt, wenn man unten steht. Kullertore, Tore aus dem Nichts.“ Auch die Partie in der kleinen, aber modernen Borissow-Arena dürfte keine einfache Aufgabe werden. Bate hat jahrelang in der Champions League gespielt.