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Partizan BelgradSo ticken die Fans des FC-Gegners

Lesezeit 7 Minuten
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Beim Pokalfinale Ende Mai gegen den Erzrivalen Roter Stern Belgrad kochten die Emotionen der Fans im Partizan-Block hoch.

Köln – Am Donnerstagabend trifft der 1. FC Köln im Conference League -Rückspiel auf Partizan Belgrad. Das Hinspiel haben die Kölner mit 0:1 verloren.

Boban Lapčević ist Partizan-Fan und Buchautor von „FK Partizan Belgrad – Fußballfibel“. Er lebt derzeit in der Schweiz, ist aber noch Mitglied der aktiven Fanszene.

Im Interview spricht der Serbe über die Liebe zu seinem Verein, die Rivalität zum Stadtrivalen Roter Stern und Sicherheitsratschläge für anreisende Kölner Fans.

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Herr Lapčević, Sie sind Partizan-Fan, haben ein Buch („FK Partizan Belgrad – Fußballfibel“) über Ihren Verein geschrieben und waren, obwohl Sie in der Schweiz leben, Mitglied der aktiven Fanszene. Wie haben Sie das Spiel Ihres Teams am vergangenen Donnerstag in Köln erlebt?

Ich war selbst nicht in Köln. Aber wir Partizan-Fans waren wirklich überrascht, dass wir gewonnen haben. Normalerweise sind wir nämlich eher eine jener Mannschaften, die sich in den letzten Minuten noch den Ausgleich oder den entscheidenden Gegentreffer fangen.

Welchen Stellenwert hat die Conference League bei Partizan?

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Buchautor und Partizan-Fan Boban Boban Lapčević.

Der Wettbewerb an sich ist der aktiven Fanszene erstmal egal. Die freut sich einfach, dass der Klub gegen europäische Teams spielt. Aber: Die Vereinsoberen und die normalen Fans wollen natürlich viel lieber die Champions League sehen, für die wir uns alle fünf bis zehn Jahre mal qualifizieren. Bei diesen Spielen – und bei den Derbys gegen Roter Stern – ist das Stadion dann auch mal wirklich voll. Das ist sonst eher selten der Fall.

Was zeichnet den Verein beziehungsweise die Fanszene Partizans aus?

Ich mag dieses Rebellentum, für das wir stehen. Die Fanszene bei Partizan ist vor allem anarchistisch. Es ist ein großes Durcheinander mit vielen kleinen Gruppen. Sowas gibt es nirgendwo anders. Die meisten dieser Gruppen nennen sich Grobari, die Totengräber – angelehnt an die schwarz-weißen Vereinsfarben – und dann verbunden mit dem Namen des Stadtteils oder der Stadt, aus der sie kommen. Ich war ein paar Jahre lang sehr aktiv bei den Grobari Kruševac aus meiner Geburtsstadt – und wahrscheinlich das einzige Mitglied, das im Ausland lebte. Was mir so gefällt, ist dieser Status der Rebellen, der Außenseiter, den wir haben. Wir sind eben nur der zweitbeliebteste Klub im Land.

Nach Roter Stern.

Genau. Aber wir sind die besseren Fans. Ich weiß: Das sagt ja jede Fanszene von sich. (lacht). Aber man muss sich nur in Belgrad umschauen: Du wirst von Partizan sehr viel wirklich sehr künstlerische Street Art sehen. Es gibt Punkbands, die Partizan-Lieder spielen. Fan-Magazine. Sowas findest Du bei Roter Stern nicht.

Apropos Roter Stern: Bei Ihrem Erzrivalen geht es seit jeher sehr nationalistisch zu. Im Jugoslawienkrieg wurden sogar Fans als Kämpfer für die Truppen des Kriegsverbrechers Željko „Arkan“ Ražnatović rekrutiert. Gibt es bei Partizan Nationalismus im Stadion?

Es gab sicher auch bei Partizan Fans, die freiwillig in den Krieg gegangen sind. Den Nationalismus, den es oftmals in Fankurven gibt, gibt es sicher auch bei Partizan, da muss nichts schöngeredet werden. Dennoch geht es dabei in erster Linie darum, einfach den Gegner zu beleidigen, wenn er etwa aus Albanien oder Kroatien kommt. Bei Roter Stern hingegen geht es nach meiner Einschätzung wirklich explizit nationalistisch zu, im Sinne von: Das steht im Mittelpunkt. Auch, weil sich die Fans ob des Vereinsstatus sozusagen immer als die besten Serben überhaupt darstellen wollen. Bei Partizan dagegen ist noch die Liebe zum Klub am wichtigsten. Egal, ob man aus Bosnien, Kroatien, Albanien oder Jamaika kommt: In der Kurve – wie auf dem Platz – sind alle gleich, sofern du Partizan aufrichtig liebst. Bei uns stehen Menschen, die aus dem linken Spektrum kommen, neben Menschen, die politisch eher nach rechts tendieren.

Wie gehen die Partizan-Fans nun damit um, dass trotz der UEFA-Sperre Kölner Fans zum Spiel anreisen?

Das ist ihnen vollkommen egal. Klar: Die Partizan-Fans kennen natürlich ihren internationalen Ruf. Und manche genießen das sicherlich auch auf eine gewisse Weise. Aber da hegt niemand böse Gefühle. Es drohen auch keine Krawalle.

Irgendwoher muss dieser Ruf aber doch kommen. Etwa von Krawallen.

Die gibt es aber auch nur dann, wenn der Klub gegen Erzrivalen spielt oder wenn die Fans der Gästemannschaft provozieren – und etwa eine albanische Flagge zeigen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass viele von uns bei einem Treffen mit einem Fan aus Köln am Donnerstag eher denken: „Wow, Du bist trotzdem hergekommen? Respekt! Das ist stark!“Trotzdem wird in Köln eindringlich vor einer Reise zum Spiel gewarnt.

Ja, aber das würde es doch auch, wenn es kein Kartenverbot seitens der Uefa gäbe.

Sogar auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes steht, dass der Besuch von Fußballspielen in Serbien gefährlich sei.

Ich weiß. Seit Jahren schon. Das müssen sie so schreiben, denn natürlich geht es hier emotionaler zu als anderswo. Aber: Wenn du es nicht provozierst, musst du schon der unglücklichste Mensch der Welt sein, damit dir hier etwas bei einem solchen Fußballspiel passiert.

Teilen der Partizan-Fanszene werden Verbindungen zum organisierten Verbrechen nachgesagt.

Ja, es gibt immer eine größere Gruppe, die in der Kurve den Ton angibt. Das entwickelt sich jedes Mal über einen längeren Zeitraum. Zu meiner aktiven Zeit war das die Gruppe Alcatraz. Zuletzt waren es die Principi um deren mittlerweile inhaftierten Anführer Veljko Belivuk. Das waren Kriminelle, die mit Fußball nichts am Hut hatten. Diese Gruppe war auch der Grund, warum ich irgendwann selbst nicht mehr auf die Südtribüne ging.

Im Jahre 2009 wurde vor einem Europacupspiel bei Partizan ein Fan aus dem französischen Toulouse getötet.

Das war und ist tragisch und schlimm. Das darf nicht passieren. Und ich will das auch nicht relativieren. Aber man muss auch sehen, was davor passiert sein soll: Es war wohl so, dass die französischen Fans vor dem Spiel in der Innenstadt gezielt provoziert haben. Da wurden Graffitis gesprüht und Anspielungen auf sowie Witze über das Bombardement Belgrads durch die Nato während des Jugoslawienkrieges gemacht. Erst dadurch kam es zu der verheerenden Prügelei, bei der der französische Fan einen Treppenschacht herunterstürzte und sich so schwer verletzte, dass er später starb. Im Urteil wurde ja auch nicht einmal genau definiert, ob er heruntergeworfen wurde oder heruntergestürzt ist – was die Fans in Serbien glauben. Die Staatsanwaltschaft hat damals die Täter aus Belgrad jedenfalls extrem schnell verurteilt – wohl auch, um nach außen zu zeigen, dass der Staat durchgreift. Was ich damit sagen möchte: Diese Umstände vor dem Tod spielten eine Rolle. Und kein Kölner muss sich deswegen Sorgen machen, am Donnerstag angegriffen zu werden.

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Haben Sie dennoch Sicherheitsratschläge für anreisende Kölner Fans?

Ja. Sie sollten sich nicht unbedingt weit außerhalb der Stadtmitte aufhalten. Und sich gänzlich neutral anziehen. Also: Keine Trikots, keine Schals, keine Sachen von irgendwelchen Ultragruppen. Sie sollten auch nicht laut vor dem Stadion herumbrüllen. Natürlich kann es leider immer einen Idioten geben, der ausschert. Aber so jemandem kannst du auch bei jedem anderen Spiel und in jeder anderen Situation begegnen. Das hat mit der Begegnung Partizan gegen Köln nichts zu tun. Ich behaupte: Selbst, wenn Partizan-Fans jemanden als deutsch erkennen, würden sie nicht gewalttätig. Abgesehen davon: Belgrad ist mittlerweile so voller Touristen, die auch vermehrt zu den als so gefährlich geltenden Derbys gehen – da ist es nichts Besonderes, wenn man im Stadion Deutsch spricht.

Wird die Polizei womöglich gegen angereiste Deutsche vorgehen?

Sie werden eher die Partizan-Fans schlagen als jemanden aus Köln. Serbien soll nämlich – das ist die Vorgabe – kein schlechtes Bild nach außen abgeben. In Serbien mag die Polizei vielleicht schneller zuschlagen als etwa in Deutschland. Aber wenn keine direkte Gefahr besteht und sie nicht provoziert werden, sind die Polizisten entspannt. Da muss sich niemand sorgen.

Das Gespräch führte Frank Weiffen