Mit 430 Spielen für Werder und 79 für die deutsche Nationalmannschaft hat der heute 46-Jährige eine Ära entscheidend mitgeprägt.
Werder-Legende im InterviewTorsten Frings über seine Beziehung zu Baumgart, das FC-Duell und den DFB
Torsten Frings ist beim SV Werder Bremen eine Legende. 430 Spiele absolvierte der defensive Mittelfeldspieler für die Grün-Weißen. Für die deutsche Nationalmannschaft war der heute 46-Jährige 79-mal im Einsatz, wurde 2002 Vizeweltmeister, bei der Heim-WM 2006 Dritter und 2008 EM-Zweiter.
Heute lebt Frings weiter in Bremen. Und ist Trainer, war Assistent beim SV Werder (bis 2016), danach Cheftrainer beim SV Darmstadt und zuletzt beim SV Meppen. Am Samstag (18.30 Uhr, Sky) wird der Ex-Nationalspieler trotz seiner rheinischen Herkunft (geboren in Würselen, aufgewachsen in Alsdorf, sieben Jahre gespielt für Alemannia Aachen) „seinem“ SV Werder im Keller-Duell gegen den 1. FC Köln im Weserstadion selbstverständlich die Daumen drücken. Er ist schließlich Ehrenspielführer des vierfachen Meisters.
Im großen Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Frings über seine besondere Beziehung zum FC-Cheftrainer Steffen Baumgart, die Nationalmannschaft und deren neuen Trainer Julian Nagelsmann, seine Schwierigkeiten mit einem sehr bekannten Coach. Und darüber, dass er einst fast einmal selbst beim 1. FC Köln gelandet wäre.
Herr Frings, sie galten als aggressiver, emotionaler, manchmal auch impulsiver Spieler. Wie wären Sie mit dem Trainer Steffen Baumgart klargekommen?
Torsten Frings: Bestimmt sehr gut. Thomas Schaaf war der Trainer, unter dem ich am längsten gespielt habe. Er galt für Außenstehende immer als ruhiger Typ, in der Kabine konnte er allerdings auch sehr emotional und streng werden. Mit Matthias Sammer hatte ich einen weiteren Trainer, der wie Steffen ein Wirbelwind ist. Ich finde es gut, wenn ein Trainer viele Emotionen zeigt, die Mannschaft pusht, eine gewisse Strenge zeigt, gleichzeitig aber auch sehr nahbar und ist und die Spieler auch mal in den Arm nimmt. Und genauso tickt auch Steffen.
Frings: Baumgart hat bei Fußballlehrer-Ausbildung für Pils und Kölsch gesorgt
Sie haben 2014/2015 zusammen mit Baumgart den Fußballlehrer-Lehrgang des DFB in Hennef in absolviert. Wie haben Sie ihn damals wahrgenommen?
Steffen war immer dafür verantwortlich, dass in unserem Aufenthaltsraum der Kühlschrank mit Pils und Kölsch voll war (lacht). Er hatte sich gleich dieser Aufgabe angenommen und sie bis zum Ende perfekt ausgefüllt. Steffen war so, wie wir ihn heute kennen: emotional, direkt, ehrlich, authentisch. Du konntest dich zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Ein super Typ eben, der einer Mannschaft die Dinge, die ihm wichtig erscheinen, auch jeden Tag vorlebt. Von außen betrachtet sieht es für mich auch so aus, dass er in Köln ein sehr gutes Verhältnis zur Mannschaft hat und ihm die Spieler absolut folgen.
Und wie war Baumgart in der Theorie?
Sicherlich kein Streber (lacht). Wir hatten zusammen eine super Zeit. 24 Typen, viele Persönlichkeiten, die ein großes Ziel hatten: den erfolgreichen Abschluss. Und den haben wir auch geschafft. Wir haben gepaukt, aber auch viel gelacht. Wir haben das Jahr durchgezogen, Luxus hatten wir in der Sportschule dabei sicher nicht. Aber es war eine tolle Zeit, an die ich mich gerne zurückerinnere.
Ihre Trainer hießen neben Schaaf und Sammer auch Felix Magath, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann oder Joachim Löw. Eine ziemliche Bandbreite unterschiedlicher Typen.
Wie erwähnt, kam ich am besten mit den nahbaren, emotionalen Trainern klar, zu denen man auch ein Vertrauensverhältnis aufbauen konnte. Und ich glaube, dass auch eine Mannschaft von diesen Eigenschaften eines Trainers profitiert. Das beste Beispiel ist doch aktuell Rudi Völler. Der nimmt dich auch mal in den Arm, schenkt dir Vertrauen und bleibt menschlich. Das komplette Gegenteil dazu war für mich Felix Magath. Ganz sicher ein absoluter Fachmann, aber menschlich hatte ich meine Probleme mit ihm. Magath ist halt ein Trainer, der Distanz hält. Aber es gibt auch viele Spieler, die mit ihm gut klarkamen. Am Ende ist für einen Spieler in der Bewertung eines Trainers natürlich entscheidend, ob der Coach auf dich baut – oder eben nicht.
Wer war Ihr Lieblingstrainer?
Thomas Schaaf. Ich habe ihm am meisten zu verdanken. Er hat mich über viele Jahre gefordert und gefördert – in guten und in schlechten Zeiten. Ohne ihn stünde ich heute nicht da, wo ich stehe, ohne ihn hätte ich diese Karriere sicherlich nicht gemacht.
Hansi Flick war „die ärmste Sau“ – Torsten Frings nimmt Ex-Bundestrainer in Schutz
Sie haben 79 Länderspiele absolviert. Jetzt hat sich der DFB von Bundestrainer Hansi Flick getrennt, Julian Nagelsmann folgt ihm nach. Die richtige Entscheidung?
Zuerst möchte ich sagen, dass Hansi doch die ärmste Sau war. Ich mag es nicht, wenn immer der Trainer der Alleinschuldige sein soll. Da müssen sich auch die Spieler vielmehr selbst in die Pflicht nehmen. Da passiert mir viel zu selten. Es kann nicht sein, dass unsere Nationalmannschaft zum zweiten Mal in Folge eine solch desaströse WM hinlegt und sich die Spieler danach auch so katastrophal in den Testspielen wie gegen Japan (1:4, d. Red.) präsentieren.
Und ist Nagelsmann trotzdem die richtige Lösung?
Er ist ein sehr guter Trainer – gar keine Frage. Ob er auch der richtige Trainer in dieser schwierigen Situation ist, das wird sich zeigen. Die Frage ist ja immer auch, wen der DFB ansonsten hätte bekommen können, wer verfügbar war.
Vielleicht wäre auch ein Typ wie Louis van Gaal mal der richtige gewesen. Die Nationalspieler haben in den vergangenen Jahren in einer Wohlfühloase gelebt, da wäre auch ein Trainer mit einer anderen Herangehensweise sicherlich nicht schlecht gewesen.
Ich bin selbst gespannt auf Julian. Die Arbeit alle paar Wochen mit einer Nationalmannschaft ist eine ganz andere als die tägliche bei einem Verein.
Torsten Frings appelliert an die Nationalelf: Gewinnt die Fans für euch, sorgt für Euphorie
Vor der WM 2006 im eigenen Land befand sich die deutsche Nationalmannschaft in einer ähnlichen Situation wie heute. Auch damals war die Stimmung schlecht. Sie standen am 1. März 2006 in der Startelf, die dann mit 1:4 in Italien unterging. Sie scheinen sich aber immerhin gewehrt zu haben und wurden früh verwarnt.
… Wahrscheinlich ein Frustfoul (lacht). Das Spiel war der Tiefpunkt einer unguten Entwicklung. Aber wir machten uns immer wieder klar: Wir standen vor der WM im eigenen Land! Das sollte der Karriere-Höhepunkt eines Profifußballers sein.
Jürgen Klinsmann hat danach auch die Tonart geändert. Ich erinnere mich noch an seine Ansprache: ‚Wer nicht Vollgas gibt und mitzieht, der fliegt raus.‘ Danach haben wir uns alle richtig den Hintern aufgerissen. Und die letzten Länderspiele vor der WM waren dann auch besser. Bei einem Heim-Turnier kommt dem Auftaktspiel eine ganz besondere Bedeutung zu. Hier entscheidet sich schon fast, wie die Stimmung wird.
Unser Spiel gegen Costa Rica (4:2, d. Red.) war damals sicherlich nicht perfekt, aber wir haben es geschafft, die Fans für uns zu gewinnen und eine Euphorie zu entfachen, die uns die kommenden Wochen förmlich getragen hat. Das sollte man auch bei der aktuellen Nationalmannschaft in Erinnerung rufen. Mit Rudi Völler ist aber jetzt einer da, der genau das kann und weiß. Das hat sich bereits beim Sieg gegen Frankreich gezeigt, da war schon wieder etwas von Aufbruchsstimmung zu erkennen.
Hat die Nationalmannschaft denn die Qualität, um eine einigermaßen erfolgreiche WM zu spielen?
Wir haben schon eine gute Mannschaft, ob sie allerdings so gut wie unsere von 2006 ist, da habe ich meine Zweifel (lacht). Aber wir haben Spieler, die in absoluten Top-Klubs spielen. Da muss einfach mehr gehen. Frankreich, Spanien oder England sind von der Qualität her etwas besser. Wir sind sicherlich nicht der Top-Favorit, aber das muss nicht immer ein Nachteil sein. Wir sollten im eigenen Land vor unseren Fans aber zu den Mitfavoriten zählen. Wir sollten uns nicht in die Hose und zu klein machen, sondern mit breiterer Brust an die Aufgabe herangehen.
Stimmung ist bei Werder laut Frings ähnlich unruhig wie beim FC
Diese breite Brust ist auch bei Ihrem Ex-Klub Werder Bremen und beim 1. FC Köln derzeit nicht gerade ausgeprägt. Sie wohnen in Bremen, wie ist die Stimmung bei Werder?
Sie ist nach dem Start schon etwas unruhig. Wenn Werder gegen den FC verlieren sollte, wird sie natürlich noch viel unruhiger. Das hängt natürlich auch mit der vergangenen Rückrunde zusammen, die aus Bremer Sicht wahrlich nicht gut war.
Ist das ähnlich wie beim FC: War die Transferperiode im Vergleich zur Konkurrenz ungenügend?
Schwierig zu beantworten. Beide Klubs eint vor allem eines: Sie haben wenig Geld. Mit Spielern wie Keita, Borré, Lynen oder Deman hat sich Werder nicht so schlecht verstärkt. Aber einen so tollen Spieler wie Naby Keita bekommt Werder auch nur, weil es da eine Geschichte gibt – eine Verletzungsgeschichte. Leider war er zuletzt erneut verletzt.
Auf der anderen Seite wiegt der Abschied von Niclas Füllkrug natürlich sehr schwer. Es war zuletzt das Gesicht, Aushängeschild des Klubs und Führungsspieler der Mannschaft. Er verließ Werder erst kurz vor Ende der Transferperiode. Ich weiß nicht – und jetzt kommt ein Wortspiel – wer die Lücke füllen soll („Lücke“ ist der Spitzname von Füllkrug, d. Red.).
Sein Abgang hat die Arbeit für Trainer Ole Werner nicht einfacher gemacht. Ole wusste ohnehin über eine lange Zeit nicht, wie der Kader am Ende aussieht. Er hatte den Bonus des Aufstiegstrainers. Lange war in der vergangenen Saison auch eine Euphorie da, doch die ist jetzt weg. Nicht umsonst sagt man, dass es in der zweiten Saison nach dem Aufstieg immer schwieriger wird als in der ersten.
Wie viel Kredit hat Ole Werner in Bremen?
Ole ist ein Glücksfall für Werder. Er hat mit sehr viel Klasse und Ruhe die Dinge bisher gemeistert. Aber er weiß natürlich auch, dass sich heutzutage die Dinge schnell verändern können. Für mich persönlich wäre es aber der Wahnsinn, wenn man ihm bereits jetzt nicht mehr vertrauen würde. Das würde ich aber genauso auch in Köln bei Steffen nicht verstehen. Bei Werder ist Frank Baumann (Geschäftsführer Sport, d. Red.) allerdings ohnehin dafür bekannt, lange an Trainern festzuhalten.
Frings: FC hat „unfassbar viel Potenziel“ – hat finanziell aber den Anschluss verloren
Wie nehmen Sie die Entwicklung des 1. FC Köln wahr?
In den letzten Jahren hat es der FC schon etwas besser gemacht als Werder. Der FC hat – wie Werder – so unfassbar viel Potenzial: Tradition, eine tolle und große Fangemeinde, ein stimmungsvolles Stadion. Die Voraussetzungen für viel mehr sind eigentlich gegeben, doch aus unterschiedlichen Gründen haben die Vereine finanziell den Anschluss verloren. Diesen Rückstand aufzuholen, ist extrem schwierig bis unmöglich.
Gab es eigentlich mal Kontakt zum 1. FC Köln, wollten der Klub Sie mal verpflichten?
Ja, aber nur in der Jugend. Um 1990 war das, da war ich 13 oder 14. Ich bin damals aber bei Alemannia Aachen geblieben, mit 16 habe ich dann das Angebot von Werder angenommen.
Sie sind Samstag im Stadion. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Ein sehr intensives. Aber erst einmal erwarte ich zu Beginn ein ziemliches Gebolze, denn beide Mannschaften dürften etwas nervös sein. Das Spiel hat schließlich eine hohe Bedeutung für beide Vereine und ist schon wegweisend. Ich hoffe, dass mein Ex-Klub 2:1 gewinnt – Steffen möge mir das bitte verzeihen (lacht).
Ihre letzte Trainerstation liegt rund zweieinhalb Jahre zurück. Wann sehen wir Sie wieder auf der Trainerbank?
Ich will natürlich wieder als Trainer arbeiten und bin offen für eine neue Aufgabe. Wenn ich irgendwo einsteige, dann muss ich von der Aufgabe und dem Verein auch absolut überzeugt sein. Wenn ich irgendwo bin, dann nur mit totalem Herzblut und Identifikation – so, wie ich auch als Spieler war.
Sie sind in Würselen bei Aachen geboren und in Alsdorf aufgewachsen. Haben Sie noch Verbindungen in Ihre Heimat und zu Ihrem Ex-Klub Alemannia?
Ich bin schon so viele Jahre weg, diese Verbindung ist mit der Zeit weniger geworden. Meine Geschwister leben noch dort. Dass Alemannia sportlich einfach nicht mehr auf einen grünen Zweig kommt und in der vierten Liga festhängt, das stimmt mich natürlich traurig.