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Kommentar

FC-Kolumne
Den 1. FC Köln erwartet wegweisendes Duell – Bayer macht sich unnötig zum Gespött

Ein Kommentar von
Lesezeit 5 Minuten
Steffen Baumgart beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim

Steffen Baumgart beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim

Auch wenn der FC gegen Hoffenheim verlor, ließ der Auftritt der Kölner auf Besserung hoffen. Der Werkself scheint derweil der Erfolg zu Kopf zu steigen.

Die Social-Media-Beauftragten bei Bayer 04 Leverkusen scheinen angesichts der fußballerischen Brillanz ihrer Mannschaft zurzeit ein wenig die Bodenhaftung zu verlieren, was womöglich daran liegt, dass Reiner Calmund (74) nicht mehr unterm Bayerkreuz wirkt. Calmund sprach nämlich stets von den „Bleischuhen“, die es zu tragen gelte, sobald die Gefahr des Abhebens drohe.

So aber veröffentlichten die Leverkusener in dieser Woche ein Foto, das Victor Boniface neben Bayerns Harry Kane zeigt, unterschrieben mit „Victor Boniface mit einem Fan“. Das war so unlustig wie unnötig.

Weder wissen wir, ob Kane ein Fan des Nigerianers ist. Noch, ob Boniface Wert darauf legt, eine Rolle in einem verunglückten Scherz zu spielen, in dem ein Weltstar hochgenommen werden soll. Woran man sich dann ja traditionell verhebt.

Der talentierte Herr Boniface

Schon da jedenfalls fragte man sich: Jetzt haben die Leverkusener einen fantastischen Transfer getätigt und Victor Boniface geholt, der die Leute verzückt und herausragend spielt. Was braucht man da den Kapitän der englischen Nationalmannschaft und Stürmer des Rekordmeisters, um sich an Boniface zu freuen?


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Dann legte Leverkusen nach. Mit einem Schaubild stellte man dar, dass ein Fußballfan in die Bay-Arena kommen müsse, um schönen Fußball zu sehen. Wer auf Abstiegskampf stehe, der sei dann wohl Köln-Fan. Es ist dasselbe Muster: Man erfreut sich an sich selbst, bemüht zur scheinbaren Verstärkung aber etwas Größeres – und macht sich damit zum Gespött. Steffen Baumgart nahm die Vorlage am Donnerstag gern auf. „Es gibt einen großen Verein und einen nicht so großen Verein. Ich glaube, wir sind der Größere, auch wenn es sportlich vielleicht anders erscheint. Noch mal: Der FC steht in dieser Region über allem. Da kannst du zwanzigmal den Uefa-Cup holen oder Vizemeister werden, das ist scheißegal“, sagte der Kölner Trainer.

Baumgart reagiert auf Überheblichkeit

Wir Reporter haben in den vergangenen zwei Jahren mit Steffen Baumgart ein gewisses Gespür für Dinge entwickelt, die der Trainer nicht mag. Überheblichkeit gehört dazu, insofern war es keine Überraschung, dass der 51-Jährige auf die Wortmeldung aus Leverkusen reagierte.

Da kannst du zwanzigmal den Uefa-Cup holen oder Vizemeister werden, das ist scheißegal.
Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC Köln

Erinnerungen an Plastika Nitra

Weil man den Dingen allerdings auf den Grund gehen will, war ich am Donnerstagabend selbstverständlich in der Bay-Arena. Und um die Liste abzuarbeiten: Ja, Boniface war wieder fantastisch, wobei zu sagen bleibt: Hätte er Kanes Abschlussqualitäten, hätte er gegen den überforderten schwedischen Meister BK Häcken eher fünf Tore gemacht als bloß eines. Schönen Fußball gab es ebenfalls zu sehen. Die Leverkusener haben eine Mannschaft beisammen, die nicht nur eine technische Pracht entwickeln kann. Sondern die mit Xhaka und Palacios im Mittelfeld auch einen Maschinenraum betreibt, wie ich ihn selten in der Bundesliga erlebt habe.

Steffen Baumgart ging gegen Hoffenheim in die Luft und blieb dort eine Weile.

Steffen Baumgart ging gegen Hoffenheim in die Luft und blieb dort eine Weile.

25.400 Zuschauer waren für Leverkusener Verhältnisse tatsächlich ein Erfolg, schließlich ist die Werkself praktisch permanent im internationalen Wettbewerb vertreten. Da ist es als Fan womöglich schwierig, sich an einem regnerischen Donnerstagabend für den Stadionbesuch zu motivieren, wenn man noch nie vom Gegner gehört hat. Wenn ich daran denke, wie ich früher nach Müngersdorf fuhr, um den FC gegen Plastika Nitra oder Inter Bratislava zu erleben – da waren dann auch keine 50.000 im Stadion. Selbst vor einem Halbfinale gegen Juventus Turin ging man früher einfach zur Theaterkasse im Kaufhof und kaufte Karten.

Brillanz bis zur Langeweile

Leverkusen trat am Donnerstagabend phasenweise brillant auf, allerdings gab es auch Momente, in denen einen die Überlegenheit glatt langweilte. Nach einer Viertelstunde stand es 2:0, und BK Häcken wirkte in diesen Momenten, als könnte der Abend richtig bitter ausgehen. Doch dann verwaltete Leverkusen ein wenig, zog in der zweiten Halbzeit noch einmal das Tempo an und machte zwei weitere Tore. Aber insgesamt fehlte das Drama.

Wer regelmäßig dem 1. FC Köln zuschaut, gewöhnt sich an den steten Kampf: Gegen die eigenen Unzulänglichkeiten, gegen überlegene Gegner – gegen das Gefühl, dass der nächste Abstieg nur ein paar Niederlagen entfernt ist. Oder das große Glück womöglich nur einen Sieg, der dann aber im entscheidenden Moment doch ausbleibt.

In Leverkusen saßen die Leute am Donnerstag dagegen ein bisschen wie im Kino. Gute Unterhaltung, alles solide gemacht und wohl auch nicht ganz billig. Anders als in Köln regnete es nicht mal durchs Stadiondach. Netter Abend, alles Geschmackssache. Die Bayer AG hat ein gut funktionierendes Fußballprodukt etabliert. Mit dem 1. FC Köln hat das alles aber auf sehr vielen Ebenen überhaupt nichts zu tun.

Expedition in die Welt des Dramas

Am Samstag werde ich mich dann wieder ins echte Fußballdrama begeben. Köln spielt in Bremen, wo man sich ebenfalls noch gut an den jüngsten Abstieg erinnert. Beide Klubs sind schwach gestartet und beginnen nun, sich ordentlich zu sorgen. Der FC verlor am vergangenen Wochenende zwar 1:3 gegen die TSG Hoffenheim. Dennoch war zu erkennen, dass die Mannschaft sich auf dem Weg zurück zu ihrem in den zwei Jahren zuvor bemerkenswert erfolgreichen Fußball befindet. Die Reaktion der Spieler war wichtig, zeigte sie doch, dass Steffen Baumgarts Einfluss auf den Stil seiner Mannschaft nach wie vor groß ist.

Der Faktor Traumtor

Hoffenheim erzielte zwei Traumtore, dennoch konnte anschließend niemand von einem Glückssieg sprechen. Entsprechend überoptimistisch wäre es wohl, in einem 1:3 die Wende zum Guten zu sehen. Allerdings dürfte der Auftritt gegen die TSG den Kölnern mehr Hoffnung gegeben haben als das trübe 1:1 zuvor in Frankfurt.

In Bremen wird sich nun im Duell mit einem Gegner auf Augenhöhe erweisen müssen, welche Art Herbst den Kölnern bevorsteht. Vor der zweiten Länderspielpause trifft Baumgarts Mannschaft auf Bremen, Stuttgart – und Leverkusen.


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