Am 9. Mai 1998 sprach Christoph Daum im Backsteinbau des alten Müngersdorfer Stadions folgende Worte: „Wir waren Zweiter, wir waren im Halbfinale des Uefa-Cups, wir hatten 20 Millionen Mark auf dem Konto. Wir waren dabei, so etwas wie Borussia Dortmund zu werden. Und heute sieht man, was daraus geworden ist.“
Christoph Daum hat dies gesagt als Trainer von Bayer 04 Leverkusen nach einem 2:2 am letzten Spieltag, durch das der erste Abstieg des 1. FC Köln nach 35 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur Fußball-Bundesliga besiegelt worden war. Der stolze Klub vom Geißbockheim, das Real Madrid des Westens, der Erfinder des modernen Profitums im deutschen Fußball, war zweitklassig geworden.
Daum war dabei, mit einer zuvor nicht gekannten Melange aus Fachwissen, Mut und Hybris zu einem Vorbild für eine Generation junger Trainer zu werden, die keine große Vergangenheit als Spieler vorweisen konnten. Am Geißbockheim herrschte Euphorie. Der FC hatte zwar nicht „die beste Mannschaft der Welt“, wie Daum damals im Überschwang behauptete, aber gemessen an seiner Besetzung ein Top-Team der Bundesliga. Wenn nicht sogar das beste.
Der verlorene Titel von 1989
Die Saison 1988/89 wurde deshalb zu einem Zweikampf des FC mit den großen Bayern, der von einer spektakulären Verbal-Schlacht zwischen Christoph Daum und Jupp Heynckes begleitet wurde. Am 25. Mai empfing der 1. FC Köln die Münchner zum Spitzenspiel im Müngersdorfer Stadion. Der Sieger, das war klar, würde Deutscher Meister werden. Der FC Bayern München gewann 3:1. Der FC wurde Zweiter. Das Gefühl, einen Titel verloren zu haben, war stark und führte nicht in die Irre.
Nach einer weiteren Spitzensaison stand der FC im Frühsommer 1990 glänzend da: Platz zwei in der Bundesliga, Halbfinale im Uefa-Pokal, ein Kader voller Nationalspieler. Aber im Innenleben des Klubs hatte es zu gären begonnen. Der 14-Millionen-Mark-Transfer von Thomas Häßler zu Juventus Turin war von viel Intransparenz und Aufregung begleitet. Die Vorkommnisse des 18. Juni 1990 ahnte dennoch keiner voraus. Die Führung des 1. FC Köln um Präsident Dietmar Artzinger-Bolten tauchte im deutschen WM-Vorbereitungsquartier in Erba auf und verkündete die Entlassung ihres Trainers Christoph Daum, der in der Nacht zuvor in Norditalien eine rauschende Party für Freunde und Journalisten gegeben hatte. Begründung: keine.
Bis heute gibt es nur Gerüchte und Spekulationen. Nachfolger wurde der gute Mensch Erich Rutemöller. Sein Aufpasser war der mit allen Abgründen des Fußballs vertraute Sportdirektor Udo Lattek. Rutemöller und Lattek passten nicht zusammen, und keiner im Verein konnte das moderieren. Man beendete die Saison auf Platz sieben, aber immerhin im DFB-Pokalfinale, das der FC gegen Werder Bremen nach Elfmeterschießen 4:5 verlor. Erich Rutemöller musste in der Folgesaison bereits am 23. August 1991 gehen, und es begann eine turbulente Spielzeit unter dem Trainer Jörg Berger (Platz 4, 44:32 Punkte), die sich als letztes Aufbäumen des FC vor der Häutung vom Spitzen- zum Durchschnittsklub erwies.
Für den 1. FC Köln kam die Entwicklung im Profi-Fußball ein paar Jahre zu spät
Erstmals erklärte sich der einst reiche Verein für verschuldet. Vizepräsident Karl Heinz Thielen nannte ein Defizit von sechs Millionen Mark. Berger verlor im Februar 1993 seinen Job und nach einer Interimsphase (Wolfgang Jerat) kam das einstige Spieler-Idol Morten Olsen im April, um den erstmals seit Jahrzehnten in Abstiegsgefahr geratenen FC vor dem Schlimmsten zu bewahren.
Es war die Zeit, als der Aufschwung der zuvor sportlich lange Zeit bedeutungslosen Dortmunder zur zweiten Großmacht neben dem FC Bayern München begann. Parallel mit der Einführung der neuen Champions League, die zur Geldmaschine für alle Spitzenklubs der europäischen Top-Ligen wurde. Für den FC kam die Entwicklung ein paar Jahre zu spät, sonst wäre er rechtzeitig vor seinem Zusammenbruch womöglich reich geworden. So aber war er bereits implodiert und fand keinen Weg zurück zu ehemaliger Größe. Nach zwei quälend mäßigen Jahren unter dem aufrechten und kompetenten Trainer Morten Olsen (Plätze 11 und 10) tauchte im Frühjahr 1996 der Name Christoph Daum wieder auf. Peter Neururer – jung und unverfroren – hatte das Team im Abstiegskampf von Stefan Engels übernommen. Die Rettung am letzten Spieltag durch den 1:0-Sieg in Rostock durch ein Tor von Holger Gaißmayer ist heute noch allen FC-Fans bekannt.
Weniger in Erinnerung geblieben ist, dass der Wunschtrainer des Präsidiums für die Saison danach Christoph Daum hieß. Allerdings hatte er seine Vorstellung von der Neuordnung des Klubs in einem 16-seitigen Dossier niedergeschrieben. Darin stand offenbar eine lange Liste von Namen aus dem damaligen Führungs- und Funktionsteam, von denen sich der Klub hätte trennen müssen. Daraufhin arbeiteten beim FC viele Fans von Peter Neururer, und der Hype um die Rettung in letzter Minute tat den Rest. Daum kam nicht und ging stattdessen zwei Monate später zu Bayer 04 Leverkusen.
Das Handspiel von Schalke
Der Neururer-Effekt hielt nur eine Saison und half vor allem dabei, Leverkusen und Daum am 24. Mai 1997 mit einem 4:0-Heimsieg eine mögliche Meisterschaft zu versauen. Aber im September des Jahres war die Zeit dieses Trainers beendet und sein braver Nachfolger Lorenz-Günther Köstner, verpflichtet vom damaligen Manager Carl-Heinz Rühl, sollte für Stabilität sorgen. Er führte den Klub dann aber doch nur tapfer in die Zweite Liga. Dramatische Höhepunkte dabei waren die 0:1-Niederlage in Schalke mit dem ungeahndeten Handspiel von Oliver Held, das ein Kölner Tor verhinderte, und die 1:2-Niederlage in Bielefeld. Damit war der Abstieg praktisch besiegelt und Daum hielt nach dem letzten Akt in Müngersdorf die sportliche Grabrede.