Analyse zum DerbysiegWer gegen den FC nachlässig ist, der wird nun mal bestraft
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Das Wichtigste zuerst
Der 1. FC Köln hat zum ersten Mal nach acht Jahren ein rheinisches Derby in Mönchengladbach gewonnen. Nach einer ihrerseits schwachen ersten und besseren zweiten Halbzeit gewannen die Kölner im mit 53.500 Zuschauern selbstverständlich ausverkauften Borussia-Park mit 2:1.
Die von Trainer Peter Stöger trainierte Mannschaft setzt sich durch den Sieg vorerst in der schönsten Region der Bundesliga-Tabelle fest. Die Borussia hingegen hält sich näher an der Abstiegszone auf als an jenen Plätzen, die zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb berechtigen. Und die Diskussionen über die Zukunft von Trainer André Schubert werden in der nächsten Woche gewiss nicht zurückhaltender geführt als zuletzt.
Auch auf die Gefahr hin, dass es in dieser Kategorie der Spielanalyse zu allwöchentlichen Wiederholungen kommt, so ist erneut die Comeback-Qualität der Kölner zu erwähnen. Wer gegen den FC nach der ersten Halbzeit nicht mit mindestens zwei Toren Vorsprung führt, der kann sich seiner Sache keinesfalls gewiss sein.
Wie zuverlässig die Kölner Mannschaft immer und immer wieder bemerkenswerte Leistungssteigerungen im jeweils zweiten Durchgang fabriziert, bleibt ein bemerkenswertes Kennzeichen ihrer Stärke. Auch wenn es ebenso dabei bleibt, dass es nervenschonender für alle Beteiligten und grundsätzlich weniger riskant wäre, wenn es diese Qualität gar nicht erst brauchen würde – mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Das war schlecht
Wie schon beim 0:1 in Frankfurt: Die Leistung des FC in der ersten Halbzeit. Wenn es einen Unterschied gab, dann lag der im Auftreten des Gegners – die Mönchengladbacher spielten vor der Pause noch sehr viel ansehnlicher, als es vor zwei Wochen die Eintracht getan hat.
Zu diesem Zeitpunkt sah das, was auf dem Rasen geschah, so aus wie das, was es auf dem Papier war, auch wenn die Tabelle es gegenwärtig nicht zeigt: wie das Duell eines Champions-League-Teilnehmers mit einer Mannschaft, die sich über eine einstellige Abschlussplatzierung freut.
Den Kölnern fehlten gegen die vor allem in der Offensive fantastische Borussia – Raffael! Hazard! – der Zugriff auf das Spiel und die Gegenspieler, die Orientierung in der Abwehr und die Inspiration im Spiel nach vorn.
Die Tore, der Mann des Spiels und der Moment des Spiels
Die Tore
32. Minute – 1:0: Nach einer Flanke von der linken Seite klärt Dominique Heintz mit dem Kopf, der Ball landet allerdings bei Ibrahima Traoré, der die Kugel im Kölner Strafraum kontrolliert und die Zeit und die Ruhe hat, einen Querpass auf Lars Stindl folgen zu lassen. Den Schuss des Mönchengladbacher Kapitäns, der das Potenzial zum Nationalspieler hat, fälscht Mergim Mavraj ab – das raubt Thomas Kessler jegliche Abwehrchance.
59. Minute – 1:1: Mavraj eröffnet das Spiel mit einem langen Pass auf die linke Außenbahn, wo merkwürdigerweise Dominique Heintz wartet, den Ball kontrolliert und präzise ins Zentrum flankt. Dort gibt es ein Luftduell zwischen Borussia-Verteidiger Jannik Vestergaard und Anthony Modeste. Der Däne köpft den Franzosen an – und der Ball springt über die Linie.
90.+1 Minute – 1:2: Freistoß für den 1. FC Köln aus etwas mehr als 30 Metern Entfernung zum Tor der Borussia. Salih Özcan tippt den Ball an, Marcel Risse schießt – Tor. Ein sensationeller Schuss, beinahe eine Kopie des Treffers, mit dem der formstarke Risse den FC vor wenigen Wochen im DFB-Pokal-Zweitrundenspiel gegen Hoffenheim in die Verlängerung gerettet hat.
Mann des Spiels
Thomas Kessler. Wechselt aus Liebe zum FC nicht den Verein, obwohl er fast nie spielt. Wartete seit Jahren darauf, mal in einem wichtigen Spiel zum Einsatz zu kommen und nicht erst dann, wenn es am Saisonende um nichts mehr geht. Hatte seinen ersten Saisoneinsatz als Vertreter des verletzten Timo Horn nun am Samstag im Derby. Und war von der ersten bis zur letzten Minute fantastisch. Schöne Geschichte.
Moment des Spiels
In der 52. Minute haben die Mönchengladbacher abermals das Tor zum 2:0 auf dem Fuß – genauer gesagt: Mahmoud Dahoud hat die Chance zum zweiten Treffer. Dann aber verliert sich der U-21-Nationalspieler in Überheblichkeit und versucht es mit einem Lupfer, der in Thomas Kesslers Armen landet. Dahoud hätte den sehr vielversprechenden Angriff auch konzentriert abschließen können. Oder einen seiner gut postierten Mitspieler in Szene setzen. So aber war es eine Szene, symptomatisch dafür, wie die Mönchengladbacher die Kölner im Spiel hielten. Nun: Wer dafür bestraft wird, darf sich nicht beklagen.
Moment zum Vergessen
Schon vor dem Spiel raucht und blinkt es im Auswärts-Zuschauerblock. Die Choreographie der Kölner Fans wird dominiert von Pyrotechnik. Auch während des Spiels wird die eine und auch die andere Fackel gezündet. Keine Frage: Das wird mal wieder teuer für den Verein.
Das sagen die Trainer, das sagen wir
André Schubert (Borussia Mönchengladbach): „Wenn der Gegner sagt, es war super glücklich für ihn, dann muss ich natürlich sagen: es war sehr unglücklich für uns. Wir hatten in der ersten Halbzeit eine Reihe sehr guter Situationen am Strafraum und auch Torchancen. Das Manko, das wir zur Halbzeit ansprechen konnten, war, dass wir nicht das zweite oder dritte Tor erzielt haben, das vielleicht möglich gewesen wäre. Insgesamt haben wir über das ganze Spiel wenig bis gar keine Torchancen zugelassen. Wir hatten auch in der zweiten Halbzeit ein paar gute Situationen. Aber der Gegner hatte dann das notwendige Quäntchen Glück. Das Ende ist für uns extrem hart und extrem bitter – das hatten wir natürlich nicht verdient.“
Peter Stöger (1. FC Köln): „Es war für uns ein extrem schweres Spiel gegen eine Mannschaft, die gezeigt hat, was sie für Qualitäten hat. Wir haben alles reingeworfen, haben versucht, zu verteidigen, was möglich war, und wir waren leidenschaftlich. Wir haben einen guten Torhüter gehabt und wir haben alles abgerufen, was man vom 1. FC Köln verlangen kann – ich bin sehr, sehr zufrieden. Mit so einem Sonntagsschuss das Spiel hier zu gewinnen, ist für uns außergewöhnlich. Wir sind sehr glücklich.“
Das sagen wir
Im Fußball gibt es Dinge, die schwer zu erklären sind. In diese Kategorie gehört, wie der 1. FC Köln die Partie gegen Mönchengladbach nach einer ersten Halbzeit, wie sie am Samstag zu sehen war, noch gewinnen konnte. Beziehungsweise: dass die Mönchengladbacher, die höher als 1:0 hätten führen müssen, das Spiel aus der Hand gegeben haben. Im ersten Durchgang spielte die Borussia wie der furiose Champions-League-Teilnehmer, der sie zu Saisonbeginn war. Und niemand glaubte daran, dass die Kölner dieses Duell noch würden drehen können.
Aber: Ob Schalke, die Bayern, Hoffenheim oder nun die Borussia – wer gegen den 1. FC Köln nachlässig ist, wird bestraft. Das ist eine der Lehren dieser nicht mehr ganz so jungen Saison.
Das spricht im aktuellen Fall natürlich auch gegen Borussia Mönchengladbach, generell aber für die Kölner, die, wie sie selbst stets sagen, seit Saisonbeginn zumeist am Limit ihrer Möglichkeiten spielen. Dieses Limit unabhängig von der Qualität des Gegners recht zuverlässig im Verlauf nahezu eines jeden Spiels zu erreichen, ist eine gigantische Leistung – für die ein Derbysieg und der andauernde Aufenthalt im oberen Tabellendrittel eine ebenso schöne wie angemessene Belohnung sind.