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„Vielleicht besser, hier heute abzusteigen“FC-Fans in Heidenheim: Undercover zum siebten Abstieg

Lesezeit 4 Minuten
Enttäuschte Fußball-Fans sitzen auf der Brüstung der Tribüne.

Enttäuscht und stumm verfolgen die Fans des 1. FC Köln die letzten Bundesliga-Minuten ihrer Mannschaft in Heidenheim.

In Heidenheim wollte der 1. FC Köln den letzten Strohhalm zur Rettung ergreifen. So erlebten FC-Fans den letzten Spieltag auf der Schwäbischen Alb.

Auf dem Heidenheimer Schlossberg thront die ehemalige Festungsanlage Schloss Hellenstein. Weniger als einen Kilometer Luftlinie entfernt steht die Voith-Arena, im Volksmund Albstadion genannt. Die Heimat des 1. FC Heidenheim ist die höchstgelegene und zugleich kleinste Spielstätte im deutschen Profifußball.

Dementsprechend gering war das Kontingent, das den Fans des 1. FC Köln zur Verfügung gestellt wurde. Nur 2.250 Karten gingen an den Kölner Anhang. Hartnäckigkeit und dazugehörigen Erfindungsreichtum bei der Beschaffung von Eintrittskarten stellten die FC-Fans in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis.

FC-Fan sucht frühmorgens nach Eintrittskarten

Katja Szislowski-Reucker etwa stellte sich für Samstagmorgen vier Uhr den Wecker. Auf einschlägigen Internetportalen suchte sie nach halbwegs bezahlbaren Ticket-Angeboten für das entscheidende Spiel ihres 1. FC Köln in Heidenheim.

Sie wurde fündig. Zwei Stehplatzkarten für die Osttribüne zum stolzen Kurs von 60 Euro. Pro Karte wohlgemerkt. Dazu muss man allerdings wissen, dass die Osttribüne des Albstadions das Pendant zur Südkurve des Rhein-Energie-Stadions darstellt. In der Stadionordnung heißt es dazu: „Wir behalten uns das Recht vor, Fans mit anderen Fan-Utensilien abzuweisen. Die Eintrittskarte erlischt dann ersatzlos.“

In Heidenheim deutet nicht viel auf Bundesliga-Fußball hin

Gegen halb neun weckte Katja telefonisch ihre Schwester Ruth und stellte sie mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen. Von ihrem Wohnort Kruft machten sich die Geschwister ohne die sonst üblichen Trikots und Schals auf den Weg in den Osten Baden-Württembergs.

Gut zwei Stunden vor Spielbeginn deutete in Heidenheim nicht viel darauf hin, dass hier ein wichtiges Bundesliga-Spiel stattfinden sollte. Während es für den 1. FC Köln mal wieder um den Klassenverbleib ging, wollten sich die Gastgeber die Chance auf Platz 8 nicht entgehen lassen. Der könnte nämlich, den Pokalsieg von Bayer Leverkusen vorausgesetzt, die Qualifikation zur Conference League bedeuten.

Volksfestatmosphäre beim 1. FC Heidenheim

Entlang der Schloßhausstraße, die den Berg in Richtung Stadion hinaufführt, sind erste Fans beider Mannschaften zu entdecken. Unterhalb des Schlosses sieht es dann erstmals nach Spieltag aus. Polizisten beobachten die Fußball-Fans auf dem Weg zur Arena. Die Situation wirkt eher friedlich.

Hinter der Osttribüne wurde eine Bühne aufgebaut, Volksfestatmosphäre liegt in der Luft. In Heidenheim wird man unabhängig vom Ergebnis auf eine erfolgreiche Premieren-Saison in der Bundesliga zurückblicken können.

Ordnungspersonal verwehrt FC-Fans den Zugang

Ordnungspersonal verwehrt freundlich, aber bestimmt den Anhängern aus Köln den Zutritt zur kleinen Fan-Meile. Inzwischen sind Katja und Ruth auf dem Schlossberg eingetroffen. Aufgrund ihrer neutralen Kleidung sind sie einer Ordnerin aufgefallen. Mit einiger Überzeugungskraft gelingt den Schwestern letztlich der Weg in das gegnerische Lager.

„Ich traue dem FC zu, die benötigten Tore zu schießen. Wir holen es heute hier“, gibt sich Katja bedingt zuversichtlich. „Ich fürchte aber, Union holt es auch.“ Ein paar Meter weiter steht ein FC-Fan im Gewusel, der es irgendwie an den Ordnern vorbei geschafft hat. Als weitere Kölner auf die Fan-Meile spazieren wollen, werden diese zum Gehen aufgefordert. Der einzelne FC-Fan zieht daraufhin eilig seinen Schal vom Hals und schließt seine Jacke über dem Trikot. Undercover-Fans beim letzten Saisonspiel des 1. FC Köln.

Gästefans undercover im Heimblock

Während der Partie, die alles andere als erbaulich aus Kölner Sicht verläuft, halten sich Katja und Ruth so bedeckt wie möglich. Dennoch werden umstehende Heidenheimer misstrauisch. Es bleibt aber friedlich, was möglicherweise mit dem deutlichen Sieg der Heim-Elf zu tun hat.

Zwei Frauen lächeln in die Kamera. Hinter ihnen schwenken Fußball-Fans Fahnen.

FC-Fan Katja Szislowski-Reucker mit ihrer Schwester Ruth beim Auswärtsspiel ihres 1. FC Köln beim 1. FC Heidenheim im Fan-Block der Heimmannschaft.

Der Abstieg trifft mich nicht mehr ganz so hart, es ist schließlich der siebte“, sagt Katja nach Spielende gefasst. „Was mich viel mehr umtreibt, ist die Tatsache, dass es ganz offenbar keinerlei Konsequenzen in der Vereinsführung geben wird. Außerdem ist es vielleicht besser, hier heute abzusteigen, als in der Relegation von Düsseldorf aus der Liga geschossen zu werden.“ Katja lebte von 1995 bis 2006 unter anderem wegen ihres Studiums in Köln. Die Sozialpädagogin hatte sich nur an der Kölner Universität beworben. „Ich wollte näher an meinem FC sein“, erklärt die Dauerkarteninhaberin.

Mit dem 1. FC Köln nach Hamburg

Wie so viele andere FC-Fans ihrer Generation hat die 47-Jährige viel Erfahrung mit der 2. Bundesliga. Doch es sind die Umstände dieses erneuten Niedergangs, die sie wütend machen. Eine Wut, die sich mit einem gewissen Pragmatismus paart. „Immerhin können wir nächste Saison endlich mal wieder nach Hamburg fahren“, blickt Katja voraus. Dann wieder mit Trikot und Schal.

Während sich die deprimierten Gäste-Fans auf den Heimweg den Schlossberg hinab aufmachen, feiern die Einheimischen den größten Erfolg in der Geschichte ihres Vereins. Umgetextete Ballermann-Hits über künftige Europapokal-Fahrten müssen den Kölnern wie Hohn in den Ohren geklungen haben. Irgendwie ein bezeichnendes Ende einer Saison zum Vergessen.