Seit 789 Minuten ist der 1. FC Köln in der Bundesliga ohne Stürmertor. Steffen Tigges will die Serie gegen Borussia Dortmund beenden.
FC-Stürmer Steffen Tigges„Ich gehe davon aus, dass die Serie am Samstag endet“
Die Frage, ob es nun an den Stürmern liegt oder an den Flanken, beantwortet der Stürmer Steffen Tigges mit einem souveränen „Sowohl als auch“. Und er hat ja auch recht: Der 1. FC Köln hat zwar in den jüngsten vier Spielen nur einen Punkt geholt und dabei kein Tor erzielt. Doch die Ursachen sind vielschichtig.
Man merkt Tigges an, dass es beim 1. FC Köln zuletzt viele Gespräche zum Thema gegeben hat. Die Analyse hat das Bewusstsein geschärft, selbst wenn noch keine Lösung vorliegt, die Tigges am Samstagabend (18.30 Uhr) in Dortmund einen Hattrick garantiert. „Wir sind die Mannschaft, die die meisten Flanken schlägt. Da hat vieles nicht gepasst: zu wenige Leute im Strafraum, die falschen Laufwege. Vielleicht wurden dann auch mal die falschen Bälle reingespielt. Die kleinen Fehler fallen uns derzeit derbe auf die Füße“, sagt der Mittelstürmer.
Schwierigkeiten mit den Details
Ein Profifußballer, zumal auf der Mittelstürmerposition, improvisiert viel weniger, als man glaubt. Im Idealfall verfügt eine Bundesligamannschaft über ein Repertoire geübter Abläufe, auf das sie jederzeit zurückfallen kann. Doch diese Abläufe stimmten bei den Kölnern zuletzt in den Details nicht. Obgleich das Spiel insgesamt funktionierte: Passquoten, Ballbesitz, Abschlüsse. Es fehlte zwar mehr als das Quäntchen, von dem nach den jüngsten Auftritten ein wenig zu oft die Rede war. Doch wäre es übertrieben, der Mannschaft zu attestieren, dass keine Aussichten auf Besserung bestehen.
Im Gegenteil gab sich Tigges zuversichtlich. „Wir sehen Verbesserungen. Es kommt zurück, man darf sich das auch nicht zu sehr zerdenken“, erklärt der 24-Jährige. Das 7:1 gegen Bremen zum Jahresauftakt war auch für Tigges ein Ausnahmespiel. Eine Vorlage und zwei Tore gelangen ihm damals, den zweiten Treffer erzielte er aus 47 Metern, weil ihm der Ball am Mittelkreis vor die Füße fiel und er sich einfach ein Herz nahm. Die Leichtigkeit des Toreschießens ist seitdem dahin. Damit die zurückkehrt, hilft nur die Detailarbeit. „Wir als Stürmer müssen dafür sorgen, dass wir da stehen, wo der Ball hinkommt. Deswegen versuchen wir, die Abläufe zu trainieren, damit jeder weiß, was der andere macht. Das wird es vereinfachen.“ Am Samstag kehrt Tigges mit den Kölnern nach Dortmund zurück, wo er zum Bundesligaspieler wurde.
15 Partien absolvierte er in zwei Spielzeiten für die Borussia, jedoch keine von Beginn an. Erst im vergangenen August in Frankfurt erlebte Tigges im Trikot des 1. FC Köln seinen ersten Startelf-Einsatz im Oberhaus, und es fiel auf, dass der Mittelstürmer nicht durch die Mitte stürmte. Sondern über den Flügel. Dort hatte er jedenfalls seine besten Aktionen.
Das war keine Überraschung, schließlich sieht Tigges zwar mit 1,94 Metern Körpergröße aus wie der Prototyp eines Torjägers. Allerdings spielte er in der Jugend woanders. „Da habe ich Linksaußen gespielt, in Osnabrück zeitweise sogar links in einer Fünferkette“, sagt Tigges und lacht, als sehe er vor seinem inneren Auge gerade einen Zwei-Meter-Mann ins Dribbling auf der linken Außenbahn gehen.
Positionswechsel, um in der Bundesliga Karriere zu machen
Die Entscheidung zum Positionswechsel war eine pragmatische: Womöglich hätte Tigges eine angenehme Karriere als Linksaußen in der Dritten Liga hinlegen können. Doch für die Bundesliga musste er in die Spitze, wo er seinen Körper einsetzen kann. In Dortmund wurde Tigges als Stürmer eingeplant, und in der Saison 20/21 gelangen ihm in 35 Partien 22 Tore und 15 Vorlagen – mit der Dortmunder U21 in der Regionalliga. Dennoch: Der Linksfuß weiß, wie ein Ball ins Tor zu befördern ist.
Allerdings wurde Tigges’ Entwicklung in Dortmund jäh gestoppt. Wegen eines Verrenkungsbruchs im Sprunggelenk verpasste er die beiden letzten Monate der vergangenen Saison und hatte seine Reha-Maßnahmen noch nicht abgeschlossen, als er im Sommer nach Köln kam.
Erst verspätet stieg er ins Teamtraining ein – und wurde dennoch schon bald dringend gebraucht, weil Anthony Modeste spät in der Transferphase nach Dortmund gewechselt war.
Ein Mittelstürmer ohne Startelf-Einsatz in der Bundesliga, der aus einer schweren Verletzung kommt und seine Jugend auf einer anderen Position verbracht hat: Es ist keine Überraschung, dass Steffen Tigges nach 28 Pflichtspielen für Köln noch nicht wie am Fließband trifft. „Es gibt viele Abläufe, die ich noch verinnerlichen muss. Es ist immer noch eine Anpassungsphase, in der ich versuche, alles von den Trainern mitzunehmen oder auch von meinen Kollegen. Um das in mein Spiel zu integrieren.“
Er sei gerade in der Hinrunde zu oft auf die Flügel ausgewichen und habe dann im Zentrum gefehlt. Das führte zu gewaltigen Laufleistungen, und man fragte sich, wie ein Spieler mit Tigges’ Statur überhaupt derart weit rennen kann. Seit 789 Minuten wartet der FC nun auf ein Stürmertor, doch Tigges selbst bleibt gelassen. „Es ist nervig, aber ich versuche, das Thema auszublenden“, sagt er. Sein Optimismus vor dem Topspiel in der alten Heimat ist jedenfalls ungebrochen. „Ich denke mal, dass die Serie am Samstag aufhört.“