Der 1. FC Köln beauftragt eine externe Kanzlei, um die Verantwortung in der Affäre Potocnik zu verteilen und Konsequenzen zu ergreifen.
Nach KündigungJakobs widerspricht Darstellung des 1. FC Köln
Der Vorstand des 1. FC Köln hat erste Schritte unternommen, die Affäre um die Verpflichtung des slowenischen Mittelstürmers Jaka Cuber Potocnik aufzuarbeiten. Nach zwei Urteilen, eines davon nach ausgiebigen Verhandlungen vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne, sind zumindest hinsichtlich des Sachverhalts keine nennenswerten Fragen mehr offen. Beide beteiligten Vereine, der 1. FC Köln sowie Olimpija Ljubljana, haben intensive Vorträge zu den Abläufen im Winter 2021/22 eingereicht, wenige Details wurden ausgespart. Und wie zuvor der Fußball-Weltverband (Fifa) fällten auch die Schiedsrichter in Lausanne ein eindeutiges Urteil: Potocnik hatte seinen Vertrag in Ljubljana ohne rechtlichen Grund gekündigt. Indem der 1. FC Köln den Spieler tags darauf unter Vertrag genommen hatte, war zudem der Tatbestand der Anstiftung nach Paragraf 17.4 der Fifa-Statuten erfüllt.
Als Beleg für die Anstiftung nannten die Cas-Richter die Kontakte zwischen dem damals für den Kölner Kader verantwortlichen Jörg Jakobs und Potocniks Agent Goran Sukalo. Spätestens im Dezember 2021 hatte es Kontakte zwischen Sukalo und Jakobs gegeben, Jakobs war damals sportlicher Berater der Kölner Geschäftsführung, nachdem Horst Heldt im Mai 2021 von seinen Aufgaben entbunden worden war. Zwar versuchten die Kölner, Jakobs' Rolle herunterzuspielen. Doch hatte der Verein unter anderem in einer Pressemitteilung zu Heldts Ablösung mitgeteilt, Jakobs werde „die strategische Ausrichtung des sportlichen Bereichs und die Kaderplanung verantworten“. Das und zahlreiche weitere Veröffentlichungen hatten die Juristen der Fifa vorgelegt, zur Verwunderung der Kölner, die nicht mit derartigem Recherche-Eifer der Gegenseite gerechnet hatten.
Am Morgen des 31. Januar 2021 hatte es im Geißbockheim eine Sitzung gegeben, während derer unter anderem Jakobs seine Einschätzung des Spielers abgegeben hatte. Ebenfalls zugegen war allerdings ein Mitarbeiter der FC-Rechtsabteilung, Justiziar Oliver Zierold, der die Risiken einer Verpflichtung des Spielers darstellte. Letztlich hatten weder der eine noch der andere die Befugnis, Potocnik tatsächlich zu verpflichten. Dafür waren die damals amtierenden Geschäftsführer im Raum: Alexander Wehrle und Philipp Türoff. Nach den Informationsrunden fassten Türoff und Wehrle den Geschäftsführerbeschluss, Potocnik unter Vertrag zu nehmen. Beide Herren unterschrieben, noch am Nachmittag desselben Tages lud der 1. FC Köln die fertigen Unterlagen ins Transfersystem der Fifa – was bei den Richtern am Cas ebenfalls für Verwunderung sorgte: Offenbar hatte man den Stürmer nicht in einer spontanen Aktion verpflichtet. Vielmehr war man ausreichend vorbereitet, um die Angelegenheit innerhalb weniger Stunden zu finalisieren – und ein kaputtes Faxgerät spielte ebenfalls keine Rolle.
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Den Spielervertrag unterschrieb letztlich nur Türoff, der damals erst seit wenigen Wochen im Amt war. Türoff wollte sich allerdings der Verantwortung nicht entziehen. „Ich war zwar frisch geschlüpft, habe aber alles angehört, was vorgetragen wurde“, erklärte der Geschäftsführer beim Mitgliederstammtisch im Januar. Anlässlich dieser Veranstaltung erklärte auch Werner Wolf, die Angelegenheit sei noch nicht abgeschlossen. „Wir arbeiten das auf und werden Sie darüber informieren, wenn es so weit ist. Wir evaluieren, was da vorher passiert ist“, sagte der Vereinspräsident und sorgte damit für Empörung unter den Mitgliedern, die zwei Jahre nach Potocniks Unterschrift beim FC Antworten wollten.
Die interne Aufarbeitung scheint nun endlich Tempo aufzunehmen, es geht um die Frage der Verantwortung. Bislang schien es in der Darstellung aus dem Geißbockheim stets, als fühle sich der 1. FC Köln vor allem verraten und verkauft und als Opfer der Willkür der internationalen Sportgerichtsbarkeit. Am Ende schien ein gewaltiges Unglück über den 1. FC Köln hereingebrochen zu sein, an dem niemand so recht die Schuld trug. Weder die Geschäftsführer, die Potocniks Verpflichtung verantwortet hatten. Noch Sportchef Christian Keller, der den Fall Potocnik bei seinem Amtsantritt im April 2022 erbte und mehrfach die Chance ausließ, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Selbst zum Unverständnis von Jakobs, wie zu erfahren war. Er soll mehrfach an die Klub-Verantwortlichen appelliert haben, sich mit Ljubljana außergerichtlich zu einigen.
Auch der Vorstand, unter dessen Verantwortung das alles passiert war, übernahm keine Verantwortung. Fragen nach einem Rücktritt wies Werner Wolf kurz vor Weihnachten deutlich zurück. Im April folgte dann immerhin die Ankündigung, die Sache nun immerhin aufzuklären.
Dieser Prozess hat nun erste Ergebnisse gezeitigt. Am Mittwoch teilte der 1. FC Köln in ein paar dürren Sätzen die Trennung von Jörg Jakobs bekannt, der zuvor zwölf Jahre lang in unterschiedlichen Positionen beim FC gewirkt hatte. Jakobs' Rolle lasse „eine weitere Zusammenarbeit als sportlicher Berater des Vorstands aus unserer Sicht nicht zu“.
Die genauen Umstände würden „gegenwärtig aufgearbeitet“, man werde die Ergebnisse „in wenigen Wochen“ vorstellen, teilte das Präsidium mit. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat der 1. FC Köln die Klärung in die Hände einer Anwaltskanzlei gelegt, die sich mit Haftungsfragen befasst. Die Juristen werden nun die Abläufe beim FC analysieren, die möglicherweise noch nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens waren, und beurteilen, ob sich Beteiligte haftbar gemacht haben.
Es muss also nicht bei der einen Trennung bleiben, und auch aus dem Mitgliederrat war zu erfahren, dass man die Aufarbeitung längst nicht als abgeschlossen ansieht. Jörg Jakobs war überrascht, als er vom Ende seiner Dienstzeit beim FC erfuhr, und zwar „über Zeitpunkt und Tonalität der Pressemitteilung“, sagte der 53-Jährige dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Allerdings sei er „nach vielen Jahren im Fußballgeschäft realistisch und habe nicht immer Erwartungen an allzu hohe Standards“.
Der 1. FC Köln hatte die Personalie am Mittwoch spontan nach einer Presseanfrage öffentlich gemacht, wie die „Bild“-Zeitung berichtete. Die Aufarbeitung der Geschehnisse habe noch nicht begonnen, man habe ihn nicht weiter einbezogen, sagte Jakobs etwas überrascht, der auf seinen Kontrakt verwies: „Im Übrigen stehe ich aufgrund der ordentlichen Kündigung noch bis zum 30. April 2024 in einem gültigen Vertragsverhältnis mit dem 1. FC Köln.“