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Pyrotechnik und PlatzsturmChronologie der Schande von Mönchengladbach

Lesezeit 7 Minuten

Einige FC-Fans stürmten nach dem Derby den Platz im Borussia-Park.

Mönchengladbach/Köln – Erst die Pyrotechnik-Shows während des Spiels, dann der Platzsturm wenige Sekunden nach dem Treffer von Granit Xhaka, der die 0:1-Niederlage in Mönchengladbach besiegelt hat: Hinter dem 1. FC Köln liegen ein sportlicher und vor allem ein imagemäßiger Rückschlag. Der Klub hat inzwischen erste Maßnahmen ergriffen. Wir fassen die Ereignisse der vergangenen Tage zusammen.

Samstag, 14. Februar 2015:

- Die Anreise der Kölner Fans mit Bussen und Sonderzügen läuft so ruhig wie selten ab – der Mönchengladbacher Polizei kommt das nach deren Angaben sogar verdächtig vor: „Das haben wir so noch nicht gesehen, und wir haben uns schon gedacht: Die haben noch etwas vor“.

- Vor dem Stadion sammeln sich die FC-Fans im dafür vorgesehenen Bereich. Ein paar Mal kocht die Stimmung hoch, wenn sich Mönchengladbacher Fans dem Zaun nähern – insgesamt ist aber alles relativ verhalten. Auch dann noch, als die Shuttle-Busse ankommen, in denen jene Fans hocken, die mit Sonderzügen angereist sind.

Alles zum Thema Peter Stöger

- Vor dem Block warten etliche Kölner in weißen Maleranzügen, mehr als eine halbe Stunde lang steht die Gruppe von etwa 80 bis 120 Leuten unbeteiligt da. Die Polizei erklärt später: Die Männer haben sich geweigert, sich kontrollieren zu lassen. Und: Der Ordnungsdienst wollte den Männern den Zutritt in den Kostümen untersagen. Fazit: Kontrolliert wurde schließlich, dabei wurde unter anderem Pyrotechnik sichergestellt. Die Kostüme haben die Männer jedoch anbehalten. Im Internet kursiert ein Video, das danach aussieht, als hätten die Kölner Fans den Auswärtsblock teilweise unkontrolliert gestürmt:

- Der Anstoß des Spiels verzögert sich. Im Kölner Block werden bengalische Fackeln, Böller und Leuchtspuren gezündet. Selbiges ereignet sich auch vor dem Anpfiff der zweiten Halbzeit. Unter anderem werden Leuchtspuren in Richtung des Spielfeldes abgeschossen.

- FC-Geschäftsführer Jörg Schmadtke verlässt die Trainerbank und geht während des Spiels zu den Fans, um zu beschwichtigen. Er wird nicht gehört, stattdessen angepöbelt. Nach wenigen Sekunden dreht Schmadtke um und schreitet zurück zur Bank.

- Vor dem Spiel präsentiert die Mönchengladbacher Nordkurve eine Choreografie, die zeigt, wie der Kölner Geißbock von einem Mann im Gladbach-Trikot versohlt wird. Während der gesamten Spielzeit sind in der Nordkurve nacheinander riesige Banner zu sehen, die an einen Vorfall vor dem Hinspiel erinnern: Damals hatten Gladbach-Anhänger auf der Jahnwiese Kölner Fans überfallen, es kam zu Jagdszenen und Prügeleien mit Dachlatten und Metall-Absperrpfosten. In der Schlussphase des Spiels zeigt die Nordkurve außerdem Kölner Fan-Artikel wie Fahnen und Schals, die angeblich unter anderem bei Auseinandersetzungen geraubt worden sind.

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- In der Nachspielzeit trifft Granit Xhaka zum 1:0 für Borussia Mönchengladbach. Dann brechen im Kölner Fan-Block alle Dämme. Nach Polizeiangaben springen einige Fans über den Zaun und überwältigen die Ordner, anschließend wird ein Fluchttor des Gästeblocks geöffnet und knapp 30 Kölner Fans stürmen auf das Spielfeld. Fast alle tragen Maleranzüge und sind durch Sturmhauben, Tücher oder Masken vermummt.

- Sie zünden auf dem Feld weitere Pyrotechnik, es kommt zu Schlägereien im Innenraum. Die Polizei eilt herbei und bekommt schnell die Kontrolle über die Situation, treibt die Platzstürmer zurück in den Block. Zwei Männer werden festgenommen, ein Polizist wird am Auge durch Reizgas verletzt, das nach Angaben der Beamten von Kölner Fans verwendet wurde.

- Abseits des Stadions passiert nach dem Spiel nicht mehr viel.

- Die Verantwortlichen sind wenige Minuten nach dem Spielende schockiert über die Vorfälle.

Jörg Schmadtke sagt: „Es ist schon einiges ruhiger, einiges besser geworden. Nichtsdestotrotz sind solche Auswüchse wie heute nicht gut und da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Ich bin nicht der DFB und werde jetzt nicht mutmaßen, was uns nun an Strafen bevorsteht. Aber das wird schon deutlich sein.“

Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl meint: „Wenn der Verstand aussetzt, dann sind solche Menschen wie Tiere, und dann sind Tiere schwer zu bändigen.“ Er fordert Gefängnisstrafen für die Täter.

FC-Trainer Peter Stöger erklärt: „Vielleicht verliere ich Leute, die mir wohlgesinnt sind, aber ich habe das Gefühl, die Leute wollen das gar nicht kontrollieren. Denn man kann das kontrollieren, es gibt doch auch normal denkende Menschen im Block. Es wird immer gesprochen von Liebe, Herz und Tradition, aber ich weiß nicht, wo da die Liebe zum Verein sein soll. Und wir werden dauernd für Dinge bestraft, für die wir nichts können.“

- Der 1. FC Köln distanziert sich keine zwei Stunden nach Spielende in einem offiziellen Statement von den Vorfällen: „Wer von sich behauptet, Fan des 1. FC Köln zu sein und sich so verhält, hat grundlegende Regeln des Fußballs nicht verstanden und ist unerwünscht“, heißt es darin unter anderem. Der Klub werde „alles ihm Mögliche tun, um Täter zu ermitteln und konsequent zu sanktionieren und behält sich weitere, harte Schritte gegen die beteiligten Gruppierungen vor“.

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Sonntag, 15. Februar 2015:

- Der FC veröffentlicht bewusst Bilder der Szenen aus Mönchengladbach auf seiner Webseite. Der Klub werde „Personen, die gegen Stadionordnungen, die Regeln des Fairplay oder gar Gesetze vorsätzlich massiv verstoßen, nicht verteidigen. Sie machen unseren Einsatz für eine lebendige Fankultur zunichte. Sie bringen den FC, seine Mitglieder, Fans und Partner in Misskredit und den Club unter den Druck empfindlicher Strafen. Diese Personen gehören nicht in unsere Kurven. Und wir fordern alle Fans auf, den 1. FC Köln in dieser Haltung zu unterstützen.“

Montag, 16. Februar 2015:

- Der DFB fordert den FC zur Stellungnahme bis zum 24. Februar auf. Dem Klub drohen drakonische Strafen, Geisterspiele und hohe Geldbußen stehen im Raum. Zur Erinnerung: Der Klub wartet derzeit auf ein weiteres Urteil des DFB, bei dem es um verschiedene Vorfälle aus der vergangenen und dieser Saison geht, unter anderem um das Zünden von Pyrotechnik im DFB-Pokal-Zweitrundenspiel in Duisburg.

- Der FC greift hart durch: Am Rosenmontag schließt der Verein den Fanclub „Boyz“ aus, wie auf der Webseite verkündet wird: „Der 1. FC Köln entzieht den so genannten Boyz mit sofortiger Wirkung den Status eines Fanclubs und schließt die Gruppe aus der AG Fankultur aus. Für alle dem FC bekannten Mitglieder der etwa 40 Personen umfassenden Gruppe prüft der FC zudem in seinen dafür zuständigen Gremien noch in dieser Woche, also vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 am Samstag, ein lokales, unbefristetes Stadionverbot, sämtliche Dauerkarten von Boyz-Mitgliedern für Heim- und Auswärtsspiele zu kündigen und alle FC-Mitglieder, die den Boyz angehören, aus dem 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. auszuschließen.“ Führende Mitglieder der Gruppierung seien beim Derby in Mönchengladbach sowohl am massiven, erkennbar verabredeten Einsatz von illegaler Pyrotechnik als auch am Platzsturm beteiligt gewesen.

Dienstag, 17. Februar 2015:

- Die Deutsche Fußball Liga (DFL) denkt über mögliche Maßnahmen nach. „Das Instrument der Reduzierung von Tickets für Gästefans ist natürlich grundsätzlich möglich. Aber komplett auf Gästefans zu verzichten, mit der Entscheidung hätte ich Kummer“, sagt DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig dem Express.

Der langjährige Bundesliga-Manager betont: „Derbys leben ja auch von dieser Stimmung zwischen den Fanlagern. Ich kann mir aber vorstellen, über personalisierte Tickets für sicherheitsrelevante Spiele nachzudenken. Damit wurden beim Niedersachsen-Derby zwischen Braunschweig und Hannover gute Erfahrungen gemacht.“ Das harte Durchgreifen des FC, die Ultra-Gruppierung Boyz auszuschließen, begrüßt Rettig.

- Martin Kind, Präsident von Hannover 96, fordert im Umgang mit Problem-Fans eine einheitliche Linie der Bundesligaclubs. „Wir müssen gemeinsame Strategien entwickeln. Jetzt entscheidet es jeder Verein für sich, sehr unterschiedlich, der eine konsequenter, der andere weniger konsequent. Das ist kein gutes Signal“, sagte Kind im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

- Der FC hat die Veröffentlichung von Nahaufnahmen zur Ermittlung der randalierenden Hooligans mittlerweile verteidigt. Es habe Rücksprachen mit Juristen gegeben, die zur Entscheidung geführt hätten, „die Bilder zu veröffentlichen“, teilte der Klub am Dienstag mit. Demnach gebe es Ausnahmen vom Recht am eigenen Bild, etwa bei Versammlungen wie Demos, Konzerten oder auch Fußballspielen. (ksta)