Köln – Frau Rinast, der 1. FC Köln kehrt am Sonntag beim Spiel in Würzburg nach über fünf Monaten zurück in den Liga-Betrieb. Wie groß ist die Vorfreude?
Die ist riesig. Wir durften seit dem 10. oder 11. Januar – ich bin mir gar nicht sicher, weil ich die Tage nicht mehr zähle – wieder trainieren. Das ist ein Riesen-Privileg, das mich sicher auch irgendwie vor einer depressiven Stimmung gerettet hat. Aber als Fußballer willst du dann auch irgendwann spielen. Es ist natürlich Klagen auf hohem Niveau. Andere Mannschaften konnten nicht einmal richtig trainieren. Da hatten wir Glück beim FC.
Bei den Männern wurde trotz Pandemie noch bis runter in die Regionalliga gespielt, bei den Frauen lief die Bundesliga weiter. Hätten Sie in der Zweiten Liga auch gerne weitergemacht?
Wir hätten gerne weitergespielt. Aber beim FC ist mit dem Hygienekonzept auch eine größere Sicherheit gegeben und wir profitieren von den Strukturen des gesamten Clubs. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Zweitligisten ist. Das ist ja auch vom Budget abhängig. Und da kann man anderen Vereinen keinen Vorwurf machen. Viele Spielerinnen sind auch nicht bei der Berufsgenossenschaft versichert und sind deshalb keine Profis. Deshalb war eine Fortsetzung auch vom Gesetz her zunächst nicht möglich.
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Ganz auf Fußball verzichten mussten Sie nicht. Der DFB-Pokal wurde fortgesetzt, unter anderem mit dem Kölner Coup gegen Erstligist Leverkusen. Und mit der Schweizer Nationalmannschaft waren Sie in Rumänien, Belgien und Frankreich aktiv. War es eine willkommene Abwechslung?
Ja. So gerne ich auch in Köln bin, war es schön, noch einmal rauszukommen. Vor allem unter diesen Bedingungen. Allerdings reise ich dann vier oder fünf Stunden mit der Bahn in die Schweiz. Und das ist ein total unangenehmes Gefühl, auch wenn die Bahn nicht voll ist. Ich kenne es überhaupt nicht mehr, irgendwo mit fremden Leuten zu sitzen. Dann habe ich automatisch Angst, mir Corona einzufangen. Wenn wir bei der Nationalmannschaft sind, dann sind wir sicher in unserer Blase. Auf der einen Seite sind so Touren also cool, auf der anderen Seite aber auch beklemmend. Am Ende bin ich dann froh, wenn ich wieder in Köln bin.
Angesichts einer Reise über die Schweiz nach Rumänien wirkt es skurril, dass der FC in der Liga nicht in Andernach spielen durfte.
Ja. Mein Verstand fragt sich: Muss das jetzt alles so sein? So viel ist verboten – und ich fliege mit einer Chartermaschine nach Rumänien oder Belgien. Aber es ist halt mein Job und den mache ich gerne. Es bleibt ein innerer Kampf.
In der spielfreien Zeit haben Sie sich vermutlich nicht gelangweilt. Sie waren Kandidatin der ProSieben-Talentshow „Fame Maker“, haben erfolgreich als Stand-Up-Comedian bei den „Nightwash Talent Awards“ teilgenommen und ein Lied über die FC-Fußballerinnen herausgebracht.
Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Ich genieße das. Während meiner Abi-Zeit war es am intensivsten. Aber später durch das Studium und den Fußball hat man dann kaum noch Zeit dafür. Nach Köln bin ich als Sportlerin gekommen, hatte also wenig Kontakt zu Künstlern. Mittlerweile konnte ich mir da aber ein Netzwerk aufbauen. Und jetzt hatte ich die Zeit, um meine anderen Leidenschaften wieder etwas auszuleben.
Zur Person
Rachel Rinast (29), geboren in Bad Segeberg, ist Fußballerin beim 1. FC Köln. Die Linksverteidigerin war bereits 2010 bis 2012 und 2013 bis 2016 für den FC aktiv. Zudem stand Rinast u.a. bei Holsten Kiel, Bayer 04, Basel, Freiburg und in Tel Aviv unter Vertrag. Ihre größten Erfolge waren die Zweitliga-Meisterschaft mit dem FC 2015 und der Meistertitel in Israel 2019. Mit der Schweiz erreichte sie bei der WM 2015 das Achtelfinale. (ckr)
Männliche Fußballer sind in der Regel eher unfreiwillig komisch. Was hat Sie zum Stand Up gebracht?
(lacht) Ein Kumpel meinte zu mir: „Du bist witzig, mach doch mal Stand Up“. Ich habe nur gesagt: „Du findest mich witzig. Stand Up ist schon eine andere Nummer.“ Ich bin eher ein Situationskomiker und nicht so fürs Programm schreiben und das dann zehnmal auf einer Bühne wiederholen. Aber er hat mich dann dazu gekriegt. Ich hatte zwar keine Ahnung, kannte vielleicht drei Comedians und wusste nicht einmal, was „Nightwash“ ist. Aber ich habe gedacht: Wie schlimm kann es schon werden? Die Zuschauer haben sicher keine faulen Eier und Tomaten dabei. Höchsten können sie mich ausbuhen – das wäre ja schon mehr Aufmerksamkeit, als man sonst bekommt. Am Ende war es cool. Und ich habe mir auch schon etwas Neues überlegt und würde da gerne weitermachen. Aber alles entspannt und mit Rücksicht auf den Fußball. Der bleibt die Nummer eins.
Welches Gefühl ist schlimmer: Wenn ein Gag auf der Bühne nicht sitzt oder als Verteidigerin einen Tunnel zu kassieren?
Ich glaube der Tunnel. Da kriege ich immer eine leichte Aggression und muss gucken, dass ich die Gegnerin nicht von hinten umgrätsche (lacht). Da meditiere ich im Vollsprint nach hinten und sage mir: „Nicht umhauen! Stell sie!“
In Ihrem Lied „Die Mädcher vum FC“ heißt es: „Wir spielen Bundesliga, doch wir sind Mädchen. Und das passt nicht ins System.“ Lässt sich in wenigen Sätzen erklären, was sich ändern muss, damit der Frauenfußball mehr Anerkennung bekommt?
Das System muss sich verändern. Und die Einstellung. Und zwar nicht die zum „Frauenfußball“, sondern zum Fußball, der von Frauen gespielt wird. Es ist ja trotzdem Fußball. Ich vergleiche mich sicher nicht mit einem Mann, der in der Bundesliga spielt. Natürlich hat der andere körperliche Voraussetzungen. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht gut Fußball spielen kann. Es ist im Denken verankert, aber man sollte Männer und Frauen im Fußball einfach nicht vergleichen. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich es selbst manchmal mache: „Das war ein typisches Frauenfußball-Tor.“ Direkt danach denke ich mir: „Ey, warum sagst Du sowas? Weil es ein Kullerball war? Du setzt ja gerade selbst die Frauen herab.“ Es wird einfach anerzogen in der Fußballwelt. Das muss sich ändern. Genau wie die Wertschätzung. Wenn ein FC-Fan sagt: „Der FC ist alles für mich, der ist mein Leben.“ Warum ist dann die Frauen-Mannschaft nicht auch alles für ihn? Warum nur die Männer-Mannschaft?
Anderswo läuft es besser. In Spanien hat Atlético gegen Barcelona 2019 vor über 60.000 Zuschauern gespielt. Die Frauen von Manchester United werden bald erstmals im Old Trafford auflaufen. Warum hängt Deutschland hinterher?
Da ist natürlich viel Geld im Spiel. Der englische Verband hat gesagt: Alle Männer-Profiklubs müssen eine Frauen-Mannschaft stellen, mit dem Budget X. Die Vertragsspielerinnen müssen alle davon leben können. Und wir als Verband schießen ordentlich Kohle in die Medienarbeit. Und das haben die gemacht und es hat funktioniert, sie hauen voll auf die Medien-Glocke. Genau das fehlt in Deutschland. Vor jeder EM oder WM wird etwas ausprobiert und dann denkt man: Ja, das ist cool, das kann funktionieren. Anschließend kommt zwei Jahre wieder weniger. Der DFB könnte sich den englischen Verband als gutes Beispiel nehmen. Aber es ist halt viel Geld im Spiel.
Sie würden sich mehr Engagement vom DFB wünschen.
Generell in der Gesellschaft. Mehr Interesse und einfach durchdachteres Handeln. Es gibt Leute mit genug Ideen, aber es scheitert zu oft am Geld. Dann kommt das Totschlagargument: „Der Frauenfußball ist ein Minusgeschäft. Ihr könnt froh sein, dass ihr überhaupt spielen dürft.“ Was will man dann sagen?
Ihnen schien zwischenzeitlich die Lust am Profifußball vergangen zu sein. Nach Ihrem Engagement in Freiburg 2018 haben Sie die Strukturen kritisiert. „Wer als Spielerin nicht alles abnickt, hat ein Problem.“ Hat sich seitdem etwas verändert?
Das weiß ich nicht. Ich bewege mich mittlerweile nur noch in meinem Kosmos 1. FC Köln. Und den habe ich in meiner Kritik auch immer ausdrücklich exkludiert. Deswegen bin ich auch zum FC zurückgekehrt – jeder andere Bundesligist hätte vom Kopf her nicht funktioniert. Bei uns ist es cool. Man merkt, dass der Verein viel für und mit den Frauen machen will. Leider sind wir letzte Saison abgestiegen, das war wenig hilfreich. Aber selbst als Zweitligist und Fahrstuhlmannschaft haben wir eine enorme Unterstützung. Und ich bin mir sicher, dass sich etwas entwickelt. Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft in der Bundesliga etablieren werden.
Großes Ziel für diese Saison ist der direkte Wiederaufstieg.
Das steht über allem, das muss geschehen. Das geht nicht anders – alle anderen Szenarien habe ich nicht im Kopf.
Sie sind in Schleswig-Holstein geboren und aufgewachsen, Ihre Mutter ist Schweizerin. Warum singen Sie heute Lieder auf Kölsch?
Ich hatte schon als kleines Mädchen eine große Affinität zu Köln. Meine Patentante ist Kölnerin, als wir früher Ausflüge gemacht haben, gingen die oft nach Köln. Für mich waren das kleine Highlight-Urlaube. Als Kletterfreak im Rheinpark auf dem Spinnennetz-Klettergerüst. Und ich fand den Rhein immer beeindruckend, auch wenn ich aus dem Norden komme und das Meer quasi vor der Haustüre hab. Dann der Zoo, die Seilbahn und natürlich der Dom. Obwohl ich gerne Witze über die Kirche mache – aber das machen die Kölner ja auch, selbst wenn sie Katholiken sind. Das finde ich sympathisch. Dann war schnell klar: Ich will nach Köln. Da gibt’s eine Sporthochschule, da will ich studieren. Und da gibt’s den FC. Deswegen gibt’s die Lieder auf Kölsch. Ich fühle das einfach.
Sie sind Fußballerin, Sängerin, Comedian und Lehramtsstudentin. Sport ist aktuell an Nummer eins. Was kommt danach?
Entertainerin, dann das Lehramtsstudium (lacht). Ich will das natürlich abschließen. Ich sage immer: Lehramt ist nicht mein Plan B, es ist mein zweiter Plan A. Mein erster Plan A ist, nach der Fußballkarriere in den Entertainment-Bereich zu gehen. Vielleicht eine Kombination aus Singen, Comedy und Schauspiel – alles, was das Herz begehrt.