Köln – Der 1. FC Köln ist zum sechsten Mal aus der Bundesliga abgestiegen. Die Saison, die voller Vorfreude begonnen hatte, ist im Drama geendet. Aber die Fans demonstrierten in Freiburg ihren Zusammenhalt mit der Mannschaft. Die Dramaturgie eines Untergangs.
Der Sommer
Im Trainingslager war die Stimmung rund um die Mannschaft heiter. Der riesige Erfolg mit Rang fünf war nicht lange her, und auf dem Platz ging es locker zu. Ungewöhnlich ist das nicht. Es gibt Trainer, die in der Vorbereitung extreme Umfänge fordern, ihre müde Mannschaft jedes Testspiel verlieren lassen und sich nicht weiter darum scheren.
Andere dagegen achten mehr auf die Stimmung, verleben in der Vorbereitung glückliche Sommertage und hoffen, dass die Fitness über die Saison schon kommt. Doch die Entfremdung von Trainer Peter Stöger und Manager Jörg Schmadtke störte das Bild.
Am Ende der Transferphase hatte der FC noch Geld in der Kasse, ein schlechtes Zeichen. Trainer und Manager hatten keine Einigkeit über Transfers gefunden. Schmadtke holte Spieler, die Stöger nicht wollte – und ignorierte Wünsche des Trainers.
Der Saisonstart
Die Leher Turnerschaft war der klassenniedrigste Teilnehmer in der ersten Pokalrunde. 5:0 gewannen die Kölner. Jhon Córdoba erzielte per Elfmeter im ersten Pflichtspiel sein erstes Tor für den 1. FC Köln, das nahm man damals eher heiter zur Kenntnis.
Der 17-Millionen-Mann würde ja noch oft genug treffen. Vielleicht nicht 25 Mal wie Modeste. Aber 15 Tore sollten es schon werden. Es blieb Córdobas einziges Tor auf deutschem Boden bis zum Abstieg.
Zum Auftakt 0:1 gegen Gladbach
Es folgte der Liga-Auftakt in Mönchengladbach, 0:1 mit Pech. Dann die verlorene Heimpremiere gegen den HSV. Ein bisschen zeichnete sich ab, dass der 1. FC Köln ein sehr einfach zu benennendes Problem hatte: Die langen Bälle, die Anthony Modeste in der Vorsaison festgemacht, abgelegt oder selbst ins Tor geschossen hatte – sie landeten im Nirgendwo.
Im Angriff lief nichts, doch konnte es tatsächlich an einem Spieler liegen? Es schien zu banal, um wahr zu sein. Köln verlor 0:3 in Augsburg, es folgte ein erregendes Moment: Der Tag in London, die Rückkehr auf die internationale Bühne mit dem Spiel beim FC Arsenal.
Es war eine Demonstration der Größe dieses Vereins. Der FC verlor trotzdem. Die Saison schien zwar neu begonnen zu haben, doch drei Tage später folgte der erste Untergang: 0:5 in Dortmund. Köln war Letzter.
Scheiternde Helden
In der klassischen Tragödie scheitern Helden erst am Ende, beim 1. FC Köln war das anders. Jörg Schmadtkes Krisenmanagement hatte sich darauf beschränkt, dem Vorstand zu sagen, alles sei in Ordnung. Als man ihm das nicht mehr glaubte und Maßnahmen verlangte, schlug er Bruno Labbadia als neuen Trainer vor, was der Verein ablehnte.
Schmadtke ergreift die Flucht
Als die Kölner das erste Endspiel am neunten Spieltag gegen den Tabellen-Vorletzten Werder Bremen nicht gewinnen konnten und sich die Stimmung drehte, ergriff Schmadtke die Flucht. Dabei brauchte der FC dringend Klärung in der Trainerfrage, für die Schmadtke zuständig gewesen wäre.
Denn nicht nur gewann der FC kein Bundesligaspiel. Es häuften sich auch die Verletzungen. Doch Stögers Sturz verzögerte sich, denn Horst Heldt kam nicht weg von Hannover 96 – obwohl er eine aussichtsreiche Zeitungskampagne inszeniert hatte, die seine Entlassung zur Folgehätte haben sollen.
Stöger muss gehen
So mussten Präsident Werner Spinner und Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle an einem Sonntag im Dezember die Trennung von Trainer Peter Stöger bekanntgeben – und sahen nicht sehr gut aus dabei. So absurd der Vorgang in der Fußball-Bundesliga anmuten mag – im klassischen Theater ist er ein verbreitetes Stilmittel.
Denn possenhafte Szenen kündigen in der Regel weitere wichtige Geschehnisse an. Und es war ja längst nicht vorbei.
Tragisches Moment
Wenig später bekam das Publikum einen neuen Helden präsentiert: Stefan Ruthenbeck, der sich bereiterklärte, ein Himmelfahrtskommando anzuführen und schon deshalb ein Denkmal verdient hätte. Ruthenbeck verlor das bereits jetzt legendäre Schneespiel gegen Freiburg nach 3:0-Führung noch 3:4. Der Abstieg schien erstmals festzustehen.
Fallende Handlung
Am 17. Spieltag verdoppelte der 1. FC Köln mit Stefan Ruthenbeck durch ein 1:0 über Wolfsburg seine Punkte. Alles fühlte sich etwas weniger schlimm an, und es folgte eine Winterpause in tiefer Gelassenheit: Armin Veh hatte die Geschicke übernommen und konnte dem weiteren Saisonverlauf ruhig entgegensehen, denn dem FC war schon alles passiert – und er trug ja keine Schuld daran.
Auch Stefan Ruthenbeck kam zupass, dass es nicht schlimmer werden konnte. Und mit seiner Maßnahme, für den Rest der Saison Endspiele auszurufen, schien er vorerst den richtigen Ton getroffen zu haben: Gegen Mönchengladbach gewann der FC in letzter Minute.
Es folgte ein Sieg in Hamburg und ein Unentschieden in Augsburg. Nach dem 20. Spieltag war Köln dran – und hätte die Saison neu beginnen können. Denn in 13 Partien war noch alles möglich.
Auf und Ab – Siege und Niederlagen
Immerhin hatte das Publikum durch die Wochen nach der Winterpause genug Gelegenheit gefunden, Hoffnung zu schöpfen und die Sympathien mit der Mannschaft neu zu verhandeln. Denn nur wer Mitleid empfindet, kann mitleiden.
Und während die Angst vor dem näher rückenden Abstieg grassierte, gab es Momente der Hoffnung. Doch dem Sieg in Leipzig folgte eine dramatische Heimpleite gegen Stuttgart; dem Derbytriumph über Bayer 04 der Niederschlag: 0:6 in Hoffenheim. Nichts war von Bestand. Die Mannschaft zeigte zuletzt vor allem, wie sehr die Monate im Endspielmodus sie ausgezehrt hatte.
Letzte Spannung
Im Heimspiel gegen Schalke schlugen die Kölner nach einem 0:2-Rückstand noch zurück, glichen aus und schienen zu einem letzten Comeback in der Lage. Nach der Partie war klar, dass die Katastrophe wohl nur noch zu verzögern, nicht aber zu verhindern war.
Doch schien der Innenraum des Kölner Stadions voller Unschuldiger: Trainer Ruthenbeck hatte eine unlösbare Aufgabe übernommen, wobei die Frage erlaubt sein darf, warum er nach der Aufholphase keinen Wechsel in der Ansprache vornahm und stattdessen seine Mannschaft immer weiter überforderte.
Die Mannschaft als Opfer
Armin Veh fegte Schmadtkes Scherben zusammen, verschob den Neuaufbau aber vor allem auf die nächste Saison. Und die Mannschaft mühte sich zwar offensichtlich, galt jedoch vor allem als Opfer – falls man Profis erlauben mag, so einfach davonzukommen.
Denn selbstverständlich hätten die Spieler sich melden dürfen, als sie das Gefühl hatten, weniger zu trainieren als mancher Hobbysportler. Doch sich zu melden überließen sie dem Fitnesstrainer – und der musste dafür gehen.
Die Vollendung
Nichts am Spiel in Freiburg kam überraschend, dennoch flossen die Tränen. Doch der Abstieg fühlte sich sanft an. Womöglich auch deshalb, weil man von sich selbst gerührt war.
Und eben auch, weil es irgendwann ja gut sein muss. Dass die FC-Spieler in Freiburg gefeiert wurden, war zwar grundsätzlich eine Sensation. Aber auch ein angemessenes Ende des Kölner Dramas dieser Saison.