Erst wurde Marvin Schwäbe von Jonas Urbig im Tor des 1. FC Köln verdrängt, nun ist er zurück. Doch die Vertragssituation beider Keeper ist kompliziert.
Torwartwechsel beim 1. FC KölnSchwäbes Rückkehr und die Folgen
Der 1. FC Köln der Gegenwart ist nicht zwingend für Entscheidungen bekannt, die kurzfristigen sportlichen Erfolg versprechen. Lieber verlegt man sich aufs nachhaltige Planen, was jeweils eine willkommene Erklärung ist, wenn es mal wieder auf dem Platz nicht nach Wunsch läuft. Insofern ist der 1. FC Köln in der vergangenen Woche gleich mehrfach über seinen Schatten gesprungen. Zunächst wechselte man nach zehn Zweitligaspielen und einem Pokalduell die Formation und verteidigt nun vorerst mit einer Fünferkette und zwei defensiven Mittelfeldspieler davor. Außerdem benannte Gerhard Struber eine neue Nummer eins: Marvin Schwäbe wird vorerst das Kölner Tor hüten.
Zweimal stand der 29-Jährige nun zwischen den Pfosten, seine Bilanz ist makellos: Zwei Spiele ohne Gegentor gelangen den Kölnern zuletzt vor einem knappen Jahr. Zuvor hatte Jonas Urbig in elf Pflichtspielen 22 Treffer kassiert – zwei pro Partie, eine indiskutable Quote.
1. FC Köln: Gerhard Struber setzt vorerst auf Marvin Schwäbe
In der Vorsaison war Urbig nach Fürth ausgeliehen, elfmal blieb er dort ohne Gegentreffer, was den zweithöchsten Wert der Liga bedeutete. Schwäbe kam beim FC auf 13 Weiße Westen – in drei Jahren.
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Urbig hat also einige Erfahrung darin, im Unterhaus ohne Gegentor zu bleiben. Dass es zuletzt so nachhaltig nicht funktionierte, könnte daher durchaus an seinen Vorderleuten gelegen haben. Die Kölner Abwehr erwies sich bislang als überaus anfällig, doch Fußball wäre nicht Fußball und eine Torhüterdebatte nicht so kompliziert, könnte man die Güte der Abwehr nicht wiederum mit dem Wirken des Torwarts erklären, der hinter ihr steht.
Dennoch dürfte sich die Lage für Urbig unfair anfühlen, schließlich spielte Schwäbe zwar zweimal zu null, ohne dabei einen schweren Ball halten zu müssen. Urbig dagegen sah sich monatelang mit schwierigsten Herausforderungen konfrontiert, ohne darüber in eine dauerhafte Formkrise zu geraten. Dennoch ist Urbigs Karriereplan vorerst gestoppt. Zweimal ließ er sich in die Zweite Liga verleihen, um nicht in Köln in der Bundesliga auf der Bank zu sitzen. Nun sitzt er in Köln auf der Bank – in der Zweiten Liga.
Für Gerhard Struber ist die Sache nicht allzu kompliziert. Als Trainer darf er sich auf die Position zurückziehen, dass seine Mannschaft neuerdings keine Tore mehr kassiert. Wer Spiele gewinnt, hat die entscheidenden Argumente auf seiner Seite. „Marvin hat eine Ausstrahlung, bringt Erfahrung und Führungsqualität mit, auf die wir speziell in unserer jetzigen Situation zählen wollen. Marvin hat in beiden Spielen und schon im Test gegen Bochum diese Attribute ausgestrahlt. Das hilft uns im Moment sehr. Er hat es als Verpflichtung gesehen, der Mannschaft diese Stabilität zu geben, die wichtig war nach den letzten Wochen“, sagte Struber nach dem 1:0 in Berlin am Samstagabend.
Schwäbes Vorderleute nehmen die Dinge, wie sie kommen. „Mich beeinflusst das in keiner Weiser. Ich spiele mit denen, die auf dem Platz stehen. Ich verstehe mich mit beiden super“, sagte Dominique Heintz, den neben dem neuen Kölner Trend zu mehr Erfahrung auch der Wechsel zur Dreierkette in die Startelf gespült hat. Heintz ist 31 Jahre alt; er weiß, wie schnell sich das Schicksal drehen kann. „Das ist im Fußball so, das ist die Entscheidung des Trainers. Die muss jeder akzeptieren und weiter Vollgas geben. Ich weiß, wie es ist, auf der Bank zu sitzen, obwohl du glaubst, dass du spielst“, sagt der Pfälzer.
Abwehrchef Timo Hübers hatte sich nach dem 3:0 über Kiel im DFB-Pokal positiv über Schwäbe geäußert, ohne dabei allerdings Urbig zu kritisieren. „Marvin und ich sind im selben Jahr zum FC gekommen, wir haben zusammen eine richtig gute Zeit gehabt. Jetzt hat er ein super Spiel gemacht, ich habe mich für ihn gefreut. Es macht Spaß, mit ihm zu spielen“, sagte der Kapitän.
Schwäbe selbst dürfte eine gewisse Genugtuung spüren. Bereits im vergangenen Frühjahr hatte er wissen lassen, für ein Engagement in der Zweiten Liga nicht zur Verfügung zu stehen. Daraufhin hatten sich die Kölner darauf festgelegt, Urbig zur Nummer eins zu machen. Der U21-Nationaltorwart gilt als außergewöhnliches Talent. Ihn nach anderthalb starken Spielzeiten in der Zweiten Liga zum Stammkeeper auszurufen, war kein Wagnis.
Doch hatte Schwäbe den Torwartmarkt falsch eingeschätzt. Die Stimmung zwischen Torwart und Klub trübte sich nachhaltig ein, es gab atmosphärische Störungen, die nicht unbedingt erwarten ließen, dass es zu einem Comeback kommen könnte. Doch Schwäbe bekam sein Ego in den Griff, arbeitete hart im Training und nutzte seine Chance. Aus seiner Position zu Saisonbeginn den Weg zurück ins Kölner Tor zu finden, zeugt von einer guten Fähigkeit zum gegenseitigen Verzeihen –auf Klub- wie Spielerseite.
Geht Schwäbe in diesem Winter – und Urbig im nächsten Sommer?
Die geforderten Ergebnisse hat Struber sich und dem Verein nun beschert, und niemand wird je beantworten können, wie die jüngsten Partien ausgegangen wären, hätte Urbig im Kölner Tor gestanden. Doch steht zu befürchten, dass Struber nun Probleme geschaffen hat, wo bislang gar keine waren.
Die Vertragssituation beider Keeper ist jedenfalls kompliziert. Urbig ist in Köln noch bis 2026 gebunden, angesichts der jüngsten Entwicklungen könnte das Interesse des Torhüters an einer Vertragsverlängerung weiter gesunken sein. Zumal der Verein ihm eine Erstliga-Perspektive bieten müsste. Schwäbe wiederum soll eine Zusage haben, im Winter gehen zu dürfen. Zuletzt wechselte der Profi zur Berateragentur von Jörg Neblung, einem ausgewiesenen Spezialisten für Torhüter. Die jüngsten Auftritte könnten am Ende dafür gesorgt haben, dass Schwäbes Marktchancen im Winter noch einmal gestiegen sind.
Dann ginge Köln mit Jonas Urbig in die Rückrunde – und liefe im kommenden Sommer Gefahr, sich im Tor vollends neu aufstellen zu müssen. Denn dann böte sich für Köln letztmalig die Chance, mit dem Talent eine Ablöse zu erzielen. Der Traum, mittelfristig einen deutschen Nationaltorhüter im FC-Trikot zu erleben, wäre damit jäh beendet – wegen des Drucks, eine kurzfristige Wende bewirken zu wollen.