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„An der Grenze des Legalen“Wie Davie Selke dem 1. FC Köln helfen will

Lesezeit 4 Minuten
04.01.2023, Köln: Davie Selke beim Training des 1. FC Köln. Foto: Uwe Weiser

Davie Selke im Training des 1. FC Köln

Der Winter-Neuzugang geht fest davon aus, dass der FC bald wieder in höheren Tabellen-Regionen zu finden ist.

Davie Selke bringt viel von dem mit, was einen guten und modernen Mittelstürmer ausmacht. Im Training des 1. FC Köln am Mittwoch, der zweiten Einheit mit dem Team, konnte der neue Mann am Geißbockheim erneut mit einigen wuchtigen Abschlussaktionen überzeugen. Seine Zutaten sind vielversprechend. 1,95 Meter Körpergröße, Athletik, Kopfballstärke, ein gesundes Selbstvertrauen sowie, aus Sicht des 1. FC Köln von enormer Bedeutung, keine besonders große Verletzungsanfälligkeit.

Davie Selke laut Steffen Baumgart „ekelig und unangenehm“

Der 27 Jahre alte Neuzugang des Bundesligisten zeichnete nach dem Training in ruhigem und überlegten Ton ein fast grimmiges Bild von seinem Fußballer-Ich: „Ich versuche, auf dem Platz für mein Team und meine Jungs alles rauszuhauen, an der Grenze des Legalen“, sagte Selke, „das mache ich in jedem Spiel. Wenn man so jemanden im eigenen Team hat, ist das super. Wenn man dagegen spielen muss, ist es nicht ganz so gut.“ FC-Trainer Steffen Baumgart hatte Selke unlängst als „ekelig und unangenehm“ für jeden Gegner beschrieben.

Nun möchte der Sohn eines Äthiopiers und einer Tschechin diese gerade für einen Stürmer notwendigen Qualitäten für den 1.FC Köln auf den Platz bringen. „Ich will öfter wieder in die Situation kommen, in der ich Abschlüsse habe. Da passt Köln perfekt. Für mich ist es eine Riesen-Chance, die ich unbedingt nutzen möchte“, erklärte der U-19-Europameister von 2014 und U-21-Europameister von 2017.

Ablösefreier Transfer von Hertha BSC

Selke, ablösefrei von Hertha BSC verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet, berichtete, dass allen voran FC-Trainer Baumgart für den Wechsel entscheidend war. „Ganz klar“, sagte Selke. „Die Spielart von Köln unter Steffen Baumgart. Das Offensive, das Mutige. Viele Torchancen werden kreiert. Es ist eine Spielart, die zu mir passt.“

Auf Baumgart, einst als Angreifer nicht minder unangenehm für die Gegner als Selke heute, wird in den kommenden Wochen die Aufgabe zukommen, seinen neuen Sturm-Schüler in eine Form zu bringen, die dem Liga-Dreizehnten kurzfristig in der prekären Tabellensituation weiterhilft. Bei einem Anthony Modeste in zuvor katastrophaler Verfassung war Baumgart das in beeindruckender Manier gelungen.

55 Torbeteiligungen in 202 Bundesliga-Spielen für Davie Selke

Bei Selke ist die Herausforderung wohl nicht ganz so groß, obwohl seine erfolgreichsten Saisons (neun Tore für Bremen 2014/15 und zehn Tore für Hertha 2017/18) schon lange zurückliegen. Der 27-Jährige ist topfit, es bedarf keiner Grundlagen-Arbeit. Selkes 55 Torbeteiligungen in 202 Bundesliga-Einsätzen ergibt keine Überquote. Allerdings kam der Stürmer häufiger von der Bank (107 Mal) als er in der Startelf stand (95 Mal). Im Schnitt dauerte jeder seiner Einsätze knapp 48 Minuten.

In Köln wird sich dieses Verhältnis, sollte nichts Unerwartetes passieren, wohl schnell in Richtung der Spiele von Beginn an verschieben – seine Konkurrenz ist entweder verletzt oder blieb bislang den Nachweis von dauerhaftem Bundesliga-Niveau schuldig. Dieser eklatante Mangel lässt sich gut in der Statistik ablesen. Der 1. FC Köln hat in der bisherigen Bundesliga-Saison 25 Großchancen vergeben, was ihm im Ranking eine Top-Platzierung beschert.

Einstand gegen Ex-Klub Werder Bremen

Selke interpretiert die ohne sein Einwirken entstandenen Zahlen positiv. „Um so viele Chancen zu vergeben, muss man erst einmal welche haben. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Aber ich bin mir sicher, unabhängig von mir, dass die Bälle bald wieder regelmäßiger reingehen“, sagte Selke. „Das Team hat eine hohe Qualität, auch heute beim Training sind wieder viele Tore gefallen. Da mache ich mir gar keine Sorgen.“ Es sei mit Blick auf Intensität des Kölner Spiels nur „eine Frage der Zeit“, bis das Team sich mit den nötigen Punkten belohnen würde. Die erste Chance bietet sich am 21. Januar, im Heimspiel gegen Selkes Ex-Klub Werder Bremen. „Ein super Stadion, tolle Fans. Als Gegner war es immer relativ unangenehm, in Köln zu spielen“, so Selke. „Ich freue mich, dass ich es jetzt von der anderen Seite erleben werde.“

Dass er besonders in der deutschen Social-Media-Fußball-Blase entweder belächelt oder kritisiert wird, ist Kölns Neuzugang bewusst. „Ich weiß nicht warum, aber irgendwie polarisiere ich immer. Groß etwas getan dafür habe ich eigentlich nicht. Ich versuche, das auszublenden“, sagte der Stürmer. Eine Kombination aus unerfüllten Erwartungen, seinem vor allem früher extravaganten Auftreten außerhalb und jenem „ekeligen“ Verhalten auf dem Rasen sowie den bundesweit nicht besonders beliebten Ex-Klubs RB Leipzig und Hertha BSC könnten Selke in jene Schublade mit Fußballern befördert haben, denen grundsätzlich zunächst Skepsis entgegen schlägt. „Es geht darum, für den FC zu arbeiten. Und dann werden die Leute sehen, was ich bereit bin, für den Klub zu leisten“, sagte Kölns neue Nummer 27.

Die von seinem Vorgänger Anthony Modeste (mittlerweile Dortmund) vom Zaun gebrochene Debatte um dessen frühere und Selkes ausgewählte Rückennummer 27 sieht der Stürmer gelassen. „Ich habe die 27 genommen, weil es meine Lieblingsnummer ist. Ich hatte sie in Bremen, in Leipzig und bei Hertha. Ich respektiere Anthony Modeste enorm und alles, was er für den FC geleistet hat“, stellte Selke klar. „Es war nichts gegen Tony. Die 27 ist meine Lieblingsnummer, und die war frei.“