Leverkusen – Erwartungsgemäß gab es in der ersten Trainingseinheit von Bayer 04 Leverkusen nach dem Pokal-Debakel von Elversberg (3:4) keine drakonischen Strafmaßnahmen zu beobachten. Vielmehr versuchten Trainer Gerardo Seoane und sein Team, den gewohnten Rhythmus umgehend wieder aufzunehmen – obwohl noch vor dem Bundesliga-Start bereits mehr oder weniger feststeht, dass Bayer 04 die große Titelsehnsucht trotz eines auf dem Papier beeindruckenden Kaders auch in dieser Saison nicht stillen werden kann.
In Seoanes Überlegungen haben solche Gedankengänge jedoch keinen Platz. Der Schweizer lässt keine Gelegenheit aus, um zu bekräftigen, dass nur das Hier und Jetzt eine Rolle spielt. „Wir haben die Situation intern analysiert und aufgearbeitet. Aber das sind keine Dinge, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden“, sagte der Leverkusener Trainer am Dienstagmittag. Eine seiner ersten Ausführungen endete mit: „Heute ist es bereits abgehakt. Wir schauen nach vorne.“ Doch ist bei einer Blamage solchen Ausmaßes der Blick zurück nicht zu verhindern.
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Bayer 04 hatte die erste Pokalrunde nicht wegen eines Sonntagsschusses des Außenseiters oder eines eigenen Chancenwuchers verloren. Sondern, weil der frischgebackene Drittligist die schlimmen Zustände in der Leverkusener Abwehr ohne viel Mühe aufdeckte. Ein qualitativ besseres Team hätte wohl noch deutlich mehr als vier Tore gegen die Werkself erzielt. „Ein bisschen was von allem: Nicht synchron, zu weite Abstände, falsche Entscheidung, keine gute Kommunikation. Es hat bei vielen Dingen nicht gepasst“, resümierte Seoane die Defizite seines Teams.
Angesichts der ungenügenden Leistungen ließen die Leverkusener Wortführer direkt nach Schlusspfiff ihrem Ärger freien Lauf. „Wir sind mit allen anderen Sachen beschäftigt als mit Fußballspielen. Wir beschäftigen uns mit dem Schiri, den Zuschauern, dem Platz und verbreiten nur negative Energie. Wir denken, wir sind die Tollsten, und verlieren gegen Elversberg. Ich habe meine Mannschaft nicht wiedererkannt“, sprudelte es am Samstag Kapitän Lukas Hradecky hinaus.
„Wir haben keine Sorgenfalten“
Gerardo Seoane ist kein Typ für derlei öffentliche Ausbrüche. „Ich bewerte keine Aussagen meiner Spieler fünf Minuten nach Spielschluss. Da ist es klar, dass die Enttäuschung überwiegt.“ Für Reporter seien solche Aussagen mit Puls 180 dankbar, fügte der Trainer an. Inhaltlich schien er mit Hradeckys Ausführungen, die sich in vielen überspitzten Beschreibungen von Bayer 04 Leverkusen der vergangenen Jahre wiederfinden, nicht einverstanden. „Sorgen haben Leute mit anderen Problemen. Wir haben keine Sorgenfalten und keine Depressionen. Wir suchen nach sportlichen Lösungen und einer sportlichen Weiterentwicklung. Ich möchte das nicht mit diesem Wortschatz dramatisieren“, sagte Seoane.
Der Meinung, dass das Pokal-Aus nach einer gelungenen Vorbereitung einer eingespielten Mannschaft extrem überraschend kam, wollte Seoane nicht uneingeschränkt zustimmen. „Von wem wurde es gesagt, dass die Vorbereitung so hervorragend war? Es ist ein Satz, an dem immer alles aufgehängt und bewertet wird. Was gestern war zählt heute alles nichts mehr“, entgegnete Seoane, dem offenbar seine eigenen Einschätzungen nicht mehr präsent waren. Denn nach dem Trainingslager in Österreich hatte sich der Schweizer noch über einen vollständigen Kader, gute Einheiten, eine gute Stimmung und gute Rahmenbedingungen gefreut: „Es war eine wunderbare Woche.“ Geschäftsführer Simon Rolfes sprach nach der Pleite beim Drittligisten Elversberg davon, dass es in der gesamten Vorbereitung keinen Hinweis darauf gegeben hätte, „dass so etwas passieren würde“.
Bundesliga-Auftakt am Samstag bei Borussia Dortmund
Bis zum Wochenende muss Trainer Seoane nun dafür sorgen, dass „so etwas“ nicht noch einmal vorkommt. Am Samstag startet für Bayer 04 die Bundesliga-Saison bei Borussia Dortmund (18.30 Uhr/Sky). „Wir müssen unser Gesamt-Gesicht ändern: taktisch, technisch. Aber auch im physischen Bereich und in der Intensität. Und schlussendlich auch im mentalen Bereich. Welcher Punkt der wichtigste ist, könnt ihr entscheiden“, sagte Seoane in Richtung der Reporter. „Ich wüsste aber einen: Es beginnt alles im Kopf.“