Leverkusen – Nach drei Pflichtspielen ist Bayer 04 Leverkusen aus dem DFB-Pokal ausgeschieden und in der Fußball-Bundesliga mit null Punkten auf den letzten Platz zurückgefallen. Wir liefern Fragen und Antworten zur Krise.
Bayer 04 Leverkusen ist aus dem DFB-Pokal ausgeschieden und liegt nach zwei Spieltagen der Fußball-Bundesliga auf dem letzten Platz. Das Team von Cheftrainer Gerardo Seoane galt als Geheimtipp in allen Wettbewerben. Was ist das los?Nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Augsburg erwecken die Verantwortlichen beim Werksklub den Anschein, als wüssten sie es selbst gern. Offensichtlich ist, dass die Mannschaft mit dem massiven offensiven Talent zu viele Torchancen vergibt. Gegen den Abstiegskandidaten hat sie 24 Schüsse aufs Tor abgegeben und mehr als ein halbes Dutzend hundertprozentige Gelegenheiten liegen lassen. Verloren hat sie das Spiel aber wegen zweier Gegentore, die ein Spitzenteam vermieden hätte. Wie weit die Ansammlung guter Spieler aktuell davon entfernt ist, ein Spitzenteam zu sein, hat nach harmonischen Vorbereitung alle überrascht. Die Trainer, Betreuer, die Kluboberen und die Betrachter.
Wie konnte es zu einer solchen Täuschung kommen?Offenbar haben der dritte Platz der Vorsaison und der Erfolg im Zusammenhalten der Top-Spieler Patrik Schick, Florian Wirtz und Moussa Diaby zum Glauben geführt, dass dieses junge Team ganz selbstverständlich den nächsten Schritt tun würde. Die ersten Spiele der Saison haben allerdings gezeigt, dass – vor allem ohne den verletzten Florian Wirtz – allen zusammen die Härte, die Tiefe und zuweilen auch die Ernsthaftigkeit einer Top-Mannschaft fehlt. Das Pokal-Spiel in Elversberg war deshalb ein Skandal, weil die Mannschaft ohne Ausnahme die richtige Einstellung zur Pflichterfüllung bei einem Drittligisten vermissen ließ. Dadurch hatte Bayer 04 die einzig konkrete Titelmöglichkeit weggeworfen, bevor die Saison richtig begonnen hatte. Das zweite Versäumnis war, dass alle im Klub nach diesem Spiel weitergemacht haben, als hätte es diesen Totalschaden nicht gegeben. Die 0:1-Niederlage in Dortmund wurde als Fortschritt empfunden, was eine Niederlage in der Krise jedoch niemals sein kann. Und die Folge von allem war das Chancen-Debakel gegen Augsburg mit dem Fall ans Tabellenende.
Das könnte Sie auch interessieren:
Was reagiert die sportliche Leistung auf diesen historischen Fehlstart?Trainer Gerardo Seoane bleibt mit seinem Stab an Assistenten erwartungsgemäß beim streng analytischen Ansatz und verspricht eine gründliche Aufarbeitung. Er hat dabei die Rückendeckung von Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes, der sich am Montag gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ so äußerte: „Nach zwei Spieltagen interessiert mich die Bundesliga-Tabelle nicht. Das wäre auch so, wenn wir die beiden ersten Spiele gewonnen hätten. Natürlich ist die Situation nicht schön, und das Pokal-Aus schmerzt uns besonders, aber es gibt nicht den einen Grund dafür, dass wir noch nicht gewonnen haben. Es sind viele unterschiedliche Faktoren.“ Nachdenklich macht den ehemaligen Nationalspieler die mangelnde Präsenz in der Anfangsphase der Partien: „In der Bundesliga haben wir beide Spiele nicht gut begonnen. Und hier haben wir auch Gegentore bekommen. Das müssen wir genauso verbessern wie die Chancenverwertung.“
Ist der Kader für die Ansprüche in Bundesliga und Champions League gut genug besetzt?Nach den drei Niederlagen zum Saisonstart müssen Zweifel erlaubt sein. Besonders die linke Seite ist nach den erneuten Verletzungen von Amine Adli (Schlüsselbeinbruch) und Karim Bellarabi (Riss des Außenmeniskus) problematisch. Beide werden mindestens sechs Wochen ausfallen. Dadurch fehlt Geschwindigkeit, die auf der rechten Seite mit dem Duo Frimpong/Diaby im Übermaß vorhanden ist. Mitchel Bakker, der zwar mit den Beinen schnell, aber im Kopf langsam ist und derzeit alles falsch macht, wenn ihn der Trainer auf der linken Seite spielen lässt, scheint eine komplette fußballerische Neuprogrammierung zu benötigen. Gegner wie Augsburg können sich auf die rechte Angriffsseite der Leverkusener konzentrieren. Eine weitere Problemzone ist das zentrale offensive Mittelfeld, wo der zum Regisseur umgebaute Mittelstürmer Sardar Azmoun so viel rackert, dass er im Abschluss die besten Chancen vergibt. Hier ist niemand in der Lage, Florian Wirtz dauerhaft auch nur annähernd zu ersetzen.
Der 19-Jährige fällt aber womöglich noch bis zur WM aus. Die Reha nach dem Kreuzbandriss wird noch Wochen dauern.Wird Bayer 04 bis zur Schließung des Transferfensters am 1. September noch Spieler verpflichten oder verkaufen?Für die Verpflichtung teurer Spieler fehlen die Mittel, da der Klub diesen Sommer keine großen Transfereinnahmen erzielt hat und die Vertragsverlängerungen nicht billig waren. Es könnten zwar noch wechselwillige Kandidaten wie Nadiem Amiri, Paulinho und Dailey Sinkgraven gehen, aber es es fehlt an Angeboten mit der nötigen finanziellen Überzeugungskraft. Außerdem werden Amiri und Paulinho angesichts der aktuellen Verletztenproblematik womöglich noch bis Winter ernsthaft gebraucht. Der Rücktransfer des 18-jährigen Iker Bravo nach Spanien, zu Real Madrid, kann durch Boni erst langfristig zu einem großen Geschäft werden. Der kurzfristige Deal; Leihe mit Kaufoption für Real, bringt Bayer 04 etwa eine Million Euro.
Wie stehen die Chancen für ein schnelles Ende der Krise?Schwer zu sagen. Der nächste Gegner Hoffenheim hat eine offensivstarke Mannschaft und kann jederzeit drei oder mehr Tore erzielen. Simon Rolfes, der den Werksklub nach dem Abschied von Rudi Völler aus dem operativen Geschäft nach außen hin mehr vertreten muss als zuvor, vertraut vor allem auf die Qualität seiner Spieler: „Wir haben eine gute Mannschaft. Wir hatten letzte Saison auch schwierige Phasen, nach der Derby-Niederlage gegen den FC zum Beispiel. Wir haben uns daraus befreit. Und das werden wir auch wieder schaffen.“