Bern – Bayer 04 Leverkusen hat es am Donnerstagabend versäumt, eine Aufholjagd im Wankdorfstadion mit dem passenden Ergebnis zu beenden. Nach einem peinlichen 0:3-Halbzeitstand schien der Bundesligist mit drei Toren auf dem besten Weg, bei Young Boys Bern den Grundstein zum Einzug ins Achtelfinale der Europa League zu legen. Doch ein spätes Tor von Jordan Siebatcheu brachte dem Schweizer Meister doch noch den 4:3-Sieg. Der Bundesliga-Fünfte benötigt im Rückspiel einen Sieg mit weniger als drei Gegentoren zum Einzug ins Achtelfinale.
Peter Bosz wird eine Idee gehabt haben, als er seine Startformation gegenüber dem Bundesliga-Spiel gegen Mainz (2:2) auf sieben Positionen änderte. Eine davon wird die Schonung wichtiger Kräfte wie Edmond Tapsoba, Charles Aránguiz und Moussa Diaby gewesen sein. Und die Erprobung neuer Kräfte wie Jeremie Frimpong und Demarai Gray in der Startelf. Allerdings hat sich der Trainer dafür offenbar den falschen Wettbewerb und den falschen Gegner ausgesucht, denn Young Boys Bern, die überragende Mannschaft der Schweiz, begann vom Anpfiff weg, den Gast aus der prominenten Bundesliga in Stücke zu zerlegen. Dazu genügten ihr Aggressivität, Entschlossenheit und eine gute Ordnung. Den Rest erledigte die Werkself mit krassen Fehlern. Ein Eckball in der dritten Minute führte zum 1:0 für die Gastgeber, weil Nadiem Amiri am Mann ganz schlecht verteidigte und Fassnacht den Standard von Christian Aebischer direkt ins Tor schießen durfte. Es sah gar nicht schwer aus.
Katastrophale erste Halbzeit
Ein frühes Gegentor im Auswärts-Hinspiel der Europa League ist kein Drama, wenn es sich um ein singuläres negatives Ereignis handelt. Aber Bayer 04 kam als Ansammlung von Spielern auf den Platz, der jeder mannschaftlicher Zusammenhalt fehlte. Die Abwehr um taumelnde Innenverteidiger wurde vom Mittelfeld ohne defensive Absicherung im Stich gelassen, die Seiten waren weit offen und nach Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte geriet die Werkself innerhalb von Sekunden hinten in Unterzahl. Young Boys kam aus dem Spiel heraus zu einer atemberaubenden Anzahl von gefährlichen Momenten. Allerdings nutzte sie dann doch wieder die Schwäche der Leverkusener beim Verteidigen von Eckbällen zum 2:0. Wieder schlug Aebischer den Ball nach innen, diesmal patzte Tah und Berns Torjäger Jordan Siebatcheu erzielte per Kopf das 2:0.
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Dieses Tor verschärfte den Zerfall des Bundesligisten weiter. Nur mit viel Glück und Berner Schlampigkeit überstand Bayer 04 mehrere Konter unbeschadet. Dann jedoch lud Aleksandar Dragovic die Gastgeber persönlich ein, verschätzte sich als letzter Mann bei einem hohen Ball, Elia ist auf und davon und überwindet Niklas Lomb kühl im direkten Duell. Bayer 04 ging mit einem 0:3-Rückstand in die Pause und schien nach einer von vier Halbzeiten der K.o.-Runde bereits aus der Europa League ausgeschieden.
„Die erste Halbzeit kann ich nicht erklären“, sagte Trainer Bosz nach dem Spiel ehrlich und nahm branchenuntypisch die Schuld auf sich: „Das fällt in meine Verantwortung. Da habe ich wahrscheinlich einen Fehler gemacht und die Mannschaft nicht erreicht. Meine Arbeit ist eigentlich sehr schön. Die erste halbe Stunde heute war nicht schön. Da wollte man lieber kein Trainer von Bayer 04 sein.“
In der Pause korrigierte er sich. Bosz schickte Edmond Tapsoba für Nadiem Amiri auf den Platz, schuf so eine Kette von drei Innenverteidigern, die das zusammengebrochene Abwehrkonstrukt wieder aufrichten sollte. Sofort wurde es ein anderes Spiel. Jeremie Frimpong setzte sich auf der rechten Seite mit einer Klasse-Aktion durch und servierte den Ball präzise auf den Kopf des Mittelstürmers Patrik Schick, der in der 49. Minute aus kurzer Distanz das 1:3 erzielte.
Bern trifft spät zum Sieg
Ein Auswärtstor hat im Europapokal schon viele Mannschaften wiederbelebt. Und so war es auch hier. Berns Zweikampfdominanz und taktische Disziplin war wie weggeblasen, Leverkusen dominierte die Partie aus heiterem Himmel. Und schon stand es 2:3. Der Torhüter mit dem schönen Namen David von Ballmoos ließ nach einem Freistoß von Kerem Demirbay den Kopfball von Jonathan Tah zur Seite prallen, da stand wieder Patrik Schick und erzielte aus kurzer Distanz das 2:3. Gray vergab in der 66. Minute aus perfektem Winkel die Chance zum Ausgleich.
Aber bevor sich der Bundesligist richtig darüber ärgern konnte, stand es 3:3. Bosz hatte Moussa Diaby für Leon Bailey eingewechselt. Fünf Minuten später erlief der Franzose mit dem Raketenantrieb einen Pass von Florian Wirtz und erzielte in der 68. Minute mit einem feinen Lupfer den Ausgleich. Statt des mehrmals möglichen Siegtreffers fiel kurz vor Schluss jedoch das 4:3 für Bern. Lomb konnte einen Schuss von Gaudino nur an den Pfosten abwehren. Von dort prallte er an Lomb und zurück ins Feld. Siebatcheu war zur Stelle und erzielte das Siegtor.
„Das war ärgerlich“, sagte Peter Bosz, „wir müssen schnell zu unserer Stärke zurückfinden und das Rückspiel gewinnen.“