Die Hinrunde der vergangenen Saison war für Victor Boniface sehr erfolgreich, bis eine Verletzung ihn ausbremste. Jetzt ist der Stürmer von Bayer 04 Leverkusen fit und bereit für die Champions League und weitere Titelgewinne.
„Habe viele Spiele gemacht, in denen es mir schlecht ging“Victor Boniface ist wieder fit und will mit Bayer 04 angreifen
Victor Boniface ist keiner, der gerne plaudert. Smalltalk ist für ihn ein Fremdwort. Private Fragen beantwortet er – wenn überhaupt – einsilbig, gepaart mit einer Miene und einem Blick, die dringend nahelegen, nicht in diese Richtung nachzuhaken. Wenn man mit ihm hingegen über Fußball spricht, ändert sich das Gesprächsklima rasch. Dann sagt der Stürmer von Doublesieger Bayer 04 Leverkusen zu weiteren Titelambitionen etwa: „Wissen Sie: Wenn man eine leckere Soße probiert hat, will man sie weiter essen.“ Oder zu seinen bevorstehenden ersten Auftritten in der Champions League: „Als ich noch klein war, habe ich in Nigeria mein Taschengeld dafür gegeben, um ein Champions-League-Spiel zu sehen. Und jetzt stehe ich selbst dort.“ Dann wird die Miene freundlicher und die Augen funkeln.
Victor Okoh Boniface, im Jahr 2000 in Akure im Südwesten Nigerias geboren, war der Shootingstar der Fußball-Bundesliga in der vergangenen Hinrunde. Für rund 22 Millionen war der 1,90-Meter-Mann aus Belgien von Union Saint-Gilloise gekommen und verzauberte die Fans ohne Verzögerung. Schon bei der Saisoneröffnung widmeten ihm die Leverkusener Anhänger einen Gesang mit seinem Namen zur Melodie von „KC & The Sunshine Band – Give It Up“.
Es folgten 23 Partien in Bundesliga, Pokal und Europa League mit 16 Toren und neun Assists. Der robuste, aber dennoch sehr agile und wendige Stürmer hatte einen enormen Anteil am Höhenflug der Werkself. Dann kam das neue Jahr. Während der Vorbereitung auf den Afrika-Cup zog sich Boniface eine schwere Adduktorenverletzung zu, die ihn zu drei Monaten Pause zwang. „Ich war sehr traurig. Das Team und auch ich haben bis dahin eine fantastische Saison gespielt“, erzählt er rückblickend. „Aber so ist der Fußball, so etwas kann passieren. Es kommt darauf an, wie stark man in seinem Kopf ist, um wieder der zu werden, der man vor der Verletzung war, um als die beste Version von sich zurückzukommen.“
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Boniface ist kein Mensch, der viel über Probleme nachdenkt. Man könne sein Schicksal ohnehin nicht ändern, sagt der Stürmer. Das hat er auch durch seine beiden Kreuzbandrisse, die er sich in seiner Zeit bei Bodo/Glimt in Norwegen zugezogen hatte, gelernt. „Als ich verletzt war, habe ich nicht darüber nachgedacht, was ich gerade durchmache, sondern nur darüber, wie ich die Verletzung schnell hinter mir lassen kann, um wieder auf dem Spielfeld helfen zu können“, betont er. Im April feierte „Boni“ – wie er rund um die Bay-Arena von allen gerufen wird – sein Comeback, kam somit gerade noch rechtzeitig, um auch beim Spiel, das den Gewinn der Meisterschaft besiegelte, dabei zu sein. Sein Elfmetertreffer war der Startschuss zur Party beim 5:0 gegen Werder Bremen.
Stolz auf den gesamten Verein
„Dieser Erfolg bleibt für die Ewigkeit“, sagt Boniface und denkt dabei weniger an die Mannschaft: „Es geht nicht nur um die Spieler, sondern um den Verein im Allgemeinen, um die Leute, die im Verein arbeiten. Die meisten Spieler sind – wie ich – erst seit ein paar Jahren hier. Die meisten Mitarbeiter, die für den Verein arbeiten, sind seit vielen Jahren hier. Und die Fans natürlich noch länger. Sie haben alle davon geträumt. Deshalb bin ich glücklich, dass ich Teil der Mannschaft bin, die dem Klub diese Titel schenken konnte. Wir sind so stolz auf uns, wir sind stolz auf alle, die im Verein arbeiten.“
Den Erfolg und den Geschmack der leckeren Soße, wie er es nennt, will die Bayer-Elf in der kommenden Saison wieder erleben. Dass es nicht leicht werden wird, sei allen bewusst. „Wir sind jetzt die Mannschaft in der Bundesliga, die jeder schlagen will. Aber wenn ich in die Gesichter der Jungs sehe, sehe ich, dass keiner von ihnen aufhören will“, sagt Boniface und richtet eine Kampfansage an die Konkurrenz: „Wir wollen gemeinsam weiter viel erreichen. Wir wollen ein Teil der Geschichte werden, nicht nur für Leverkusen, sondern für die Bundesliga.“
Als wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Elf soll Boniface dann an seine erfolgreiche Hinrunde anknüpfen. Sportgeschäftsführer Simon Rolfes geht davon aus, dass Bayer Nummer 22 wieder zu alter Form finden wird: „Nach solch einer Verletzung ist es nicht so einfach, diese Explosivität zurückzugewinnen, um voll in die Duelle gehen zu können – körperlich, aber auch vom Kopf her. Er wird sich zum Saisonstart in einem ganz anderen Zustand befinden.“ Dass es für Boniface nach dem Bremen-Spiel nicht einfach war, den Rest der Saison zu bestreiten, gibt er zu. „Als ich zurückkam, haben sich die ersten zwei, drei Wochen so wie vor der Verletzung angefühlt. Danach habe ich Schmerzen im Bein bekommen“, erzählt er. „Ich habe mich nicht wohlgefühlt, und hatte kein echtes Vertrauen in mein Bein. Ich habe viele Spiele gemacht, in denen es mir schlecht ging. Jetzt ist aber alles gut.“
Seinen Marktwert hat der bullige Angreifer in einem Jahr verdoppelt, die Einsätze in der Champions League will er dazu nutzen, sich auf der größtmöglichen Bühne im Klubfußball weiterzuentwickeln. „Ich bin kein Typ, der sagt: Ich will 50 Tore schießen“, sagt Boniface zu seinen Zielen. „Ich will wirklich nur Spaß auf dem Spielfeld haben. Ich will Spiele gewinnen. Es macht mir nichts aus, wenn ich keine Tore schieße, solange wir gewinnen und ich gut spiele. Die Tore werden kommen, aber mein Ziel ist es, eine gute Saison ohne Verletzungen zu spielen.“ Los geht es am Samstag mit dem Supercup in der Bay-Arena gegen Vizemeister VfB Stuttgart (20.30 Uhr, Sat.1).