Leverkusen – Paulo Henrique Sampaio Filho stand ruhig neben seinem Dolmetscher und versuchte aufrichtig, die Fragen zu beantworten, die in deutscher Sprache gestellt wurden. „Es war eine schwere Zeit“, ließ er übersetzen, „ich habe lange auf diesen Tag gewartet.“
Fast 15 Monate lang, um genau zu sein. Als Paulinho im am 15. Juli 2018 in Leverkusen ankam, war er auf den Tag genau 18 Jahre alt und hatte in Brasilien schon 1571 Minuten für seinen Klub Vasco da Gama gespielt. 17,5 Millionen Euro war Bayer 04 dieses Versprechen wert gewesen. Bis Samstag hatte es diesen Ertrag gebracht: 627 Spielminuten insgesamt, kein Startelfeinsatz in der Bundesliga, zwei Tore (eines davon in der Europa League) und eine Vorlage.
Der Plan von Peter Bosz funktioniert ohne Mittelstürmer
Dann kam dieses Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Die Aufstellung war eine Überraschung. Trainer Bosz hatte eine Mannschaft ohne Mittelstürmer aufs Feld geschickt. Kevin Volland (Syndesmoseriss) fällt bekanntlich bis Saisonende aus, sein Vertreter Lucas Alario saß auf der Bank. Auf dem Platz tummelten sich Diaby, Bellarabi, Havertz und eben Paulinho als Vierer-Offensive, deren zentrales Verbindungsstück offenbar der junge Brasilianer sein sollte.
Bevor man lange darüber nachdenken konnte, wie dieser ungewöhnliche Plan funktionieren sollte – Trainer Bosz hatte im Vergleich zum Pokalspiel gegen Union Berlin auf nicht weniger als sechs Positionen umgestellt – war das Spiel durch diese Vier schon entschieden. Das 1:0 in der vierten Minute bereitete Moussa Diaby mit einem perfekten letzten Pass auf Kai Havertz vor. Das 2:0 entsprang einem Doppelpass zwischen Diaby und Paulinho, dessen Zuspiel wiederum Bellarabi in ein Tor verwandelte (14.). Damit war Eintracht Frankfurt alle Energie genommen. Mit letzter Konsequenz hätten die Leverkusen das dritte Tor schon vor der Pause erzielt.
So dauerte es bis 49. Minute, ehe Paulinho die Dinge ganz klar stellte. Spektakulär war aber, wie er das tat. Im Tanz mit der gesamten Frankfurter Defensive und einem Präzisionsschuss aus anspruchsvollem Winkel. Und weil die Euphorie so schön war, nutzt sie der 19-Jährige sechs Minuten später, um mit einem Kunstschuss an Torhüter Trapp vorbei das 4:0 zu erzielen. Kai Havertz hatte mit einem eleganten Pass in den Raum hinein vorbereitet. Danach verbeugte sich Paulinho wie ein gefeierter Schauspieler vor dem jubelnden Publikum.
„Zwei Tore und ein Assist beim ersten Startelfeinsatz – Pauli darf sehr zufrieden mit sich sein. Wir sind es auch mit ihm“, lobte Trainer Peter Bosz, der ihm scheinbaren Linksaußen aus Rio de Janeiro „immer mehr einen offensiven Mittelfeldspieler“ gesehen hat. Allerdings waren Konkurrenz und Verunsicherung so groß, dass Paulinho immer weiter warten musste. Erst das Olympia-Qualifikationsturnier, in dem er zum entscheidenden Spieler für Brasiliens U-23-Nationalmannschaft wurde, hat ihm den entscheidenden Kick gegeben. „Das hat mir sehr geholfen, da habe ich den Rhythmus gefunden“, erklärte der Angreifer, „ich wusste, dass ich jetzt meine Chance bei Bayer nutzen musste.“ Was das für den Rest der Saison bedeutet ist klar: Bosz hat in der Offensive noch mehr Bedrohungen für alle Gegner parat. Bereits am Donnerstag (21 Uhr) spielt sein Team im Europa-League-Achtelfinale bei den Glasgow Rangers.
Fehlen wird Sven Bender. Der Abwehrchef verdrehte sich in der 34. Minute im Zweikampf mit Filip Kostic das linke Knie und zog sich eine Innenbandverletzung zu. Offenbar muss er nicht operiert werden. Über die Dauer seiner Ausfallzeit ist noch nichts bekannt.