In der Europa League glänzt der Mittelfeldspieler als Kämpfer und Torschütze. Nun sollen zwei weitere Titel mit Bayer 04 her – und ein Stammplatz bei der Heim-EM.
Bayer 04Robert Andrich ist Leverkusens Tore schießender Trashtalker
Auf der Busfahrt vom Stadio Olimpico ins Mannschaftshotel war es so weit: Mitternacht, 3. Mai – Florian Wirtz wurde 21 Jahre alt. Wenig später gab es beim gemeinsamen Nachtmahl mit der Mannschaft ein Ständchen, etwas Feuerwerk und einen Kuchen. Dazu musste Bayer 04 Leverkusens Regisseur eine Rede halten. Deren Inhalt ist nicht überliefert, aber die Rekordsaison des Werksklubs dürfte eine größere Rolle gespielt haben. Zumal sie seit Donnerstagabend um ein erfolgreiches Kapitel reicher geworden ist – dank Wirtz. Bayer 04 hatte die AS Rom im Halbfinal-Hinspiel der Europa League 2:0 besiegt und kann vor dem Rückspiel am nächsten Donnerstag in der Bay-Arena (21 Uhr/RTL) schon mehr oder weniger für das Finale in Dublin (22. Mai) planen. Wirtz hatte in der 28. Minute das 1:0 erzielt, Robert Andrich traf später per Traumtor zum 2:0-Endstand (73.).
Trotz der 47 Saisonspiele ohne Niederlage gab es die obligatorische Warnung von Trainer Xabi Alonso. „Es ist ein gutes Ergebnis, aber es ist noch nicht vorbei“, sagte der Meister-Coach. „Es gibt noch ein Spiel in Leverkusen. Sie haben nichts zu verlieren, wir haben alles zu verlieren. Manchmal ist das eine schwere Situation. Ich habe schon viele Comebacks gesehen. Aber wir sind bereit.“ Für seinen Regisseur fand Xabi Alonso lobende Worte, doch wichtiger sei die gute Leistung des Kollektivs gewesen. Einen einzelnen Spieler herauszuheben, wäre untypisch für den Trainer. Deshalb ließ sich der Baske auch nicht zu Spekulationen hinreißen, ob Wirtz in dieser Saison ein aussichtsreicher Kandidat für die Wahl zu „Europas Fußballer des Jahres“ sein könnte. „Da sprechen wir in einem Monat noch einmal drüber“, sagte Xabi Alonso.
Italienische Presse staunt über Bayer 04 Leverkusen
In Rom und bei der italienischen Presse hatten Wirtz und Bayer 04 jedenfalls mächtig Eindruck hinterlassen. Der „Corriere della Sera“ bezeichnete die Leverkusener als „die perfekte Maschine“ und konstatierte: „Wenn man den Unschlagbaren ein Tor schenkt, wenn das Spiel auf der Kippe steht (...) werden die Unschlagbaren noch unschlagbarer.“ Die „Repubblica“ aus Rom sah die Roma in einem „Tal des Todes“ nach einer „dunklen Nacht zwischen Fehlern und Geschenken. In Leverkusen wird ein Wunder nötig sein.“ Auch die „Gazzetta dello Sport“ schrieb: „Jetzt wird ein Wunder nötig sein. Oder so etwas Ähnliches. Bayer Leverkusen hat sich zumindest vorläufig als unschlagbar erwiesen. Die Roma hielt eine Weile mit (...), aber dann wurde der Qualitäts-Unterschied in jeder Ecke des Spielfelds deutlich.“
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Neben Wirtz hatte auch Andrich großen Anteil an Leverkusens geglückter Revanche für die Halbfinal-Pleite in der Ewigen Stadt aus dem Vorjahr. Der 29-Jährige setzte zunächst die römischen Mittel der Wahl gegen die Gastgeber ein: Nachhaken, Trashtalk und versteckte Fouls. Von Minute zu Minute machte Andrich das Spiel augenscheinlich mehr Spaß. Und sein Plan ging auf, Rom verzettelte sich auf Nebenschauplätzen und fand nie zur eigenen spielerischen Linie. Anders Robert Andrich: Denn der Nationalspieler ist viel mehr als nur ein Zerstörer. Nach einigen glücklosen Versuchen aus der Distanz schlug der Ball in der 73. Minute im linken oberen Torwinkel an. Auf jenem Rasen, auf dem Andrichs Mittelfuß vor einem Jahr brach, gelang ihm nun ein wohl vorentscheidender Vollspannschuss in Richtung Europapokal-Finale.
Robert Andrich findet sein Tor „lecker“
„Der sieht schon lecker aus“, sagte Andrich, nachdem er sich seinen Treffer aus der Hintertor-Perspektive angesehen hatte. Seine Frau Alicia hatte zuvor via Instagram mit Blick auf die schwere Verletzung des Vorjahres scherzhaft gefordert, dass Ihr Mann in Rom besser nicht spielen solle. Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes bemerkte mit einem Lächeln, dass sie „zum Glück nicht für die Aufstellung zuständig ist“. „Da waren auch noch ein paar Bilder im Kopf aus dem letzten Jahr“, sagte Andrich, der im Mai 2023 durch die Katakomben des Stadio Olimpicos humpelte. Nun wirkte er tiefenentspannt und rundum zufrieden. „Jetzt hat Rom nicht mehr diese scheiß Bedeutung für mich“, sagte Andrich. „Jetzt habe ich ein Tor hier gemacht. Und die Verletzung kann man jetzt im Kopf ganz weit nach hinten schieben. Das Tor ist nun ganz weit vorn. Das ist ein sehr, sehr schönes Gefühl, definitiv“, sagte Andrich.
Andrich möchte diese Glücksgefühle in Kraft für die zwei noch zu vergebenen Vereins-Titel im DFB-Pokal und der Europa League verwandeln – um dann mit der Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft zu glänzen. Vermutlich als Mittelfeldpartner von Toni Kroos. „Wenn man sieht, wie ich die letzten Spiele gespielt habe, hätte ich es verdient, zumindest dabei sein zu können“, sagte Andrich mit einem Grinsen. „Wenn man solche Tore schießt, international, dann ist schon der Wunsch da, dort zu stehen. Ich versuche, meine beste Leistung abzurufen, und die sieht aktuell sehr gut aus.“