Leverkusen – Wenn Peter Bosz zugibt, „Angst“ zu haben, dann hat das einen ernstzunehmenden Grund. Der Trainer von Bayer 04 Leverkusen teilte diese Empfindung allerdings mit fast allen, die als Augenzeugen erlebt hatten, wie Julian Baumgartlinger am Samstagnachmittag nach einem unspektakulären Zweikampf mit dem Wolfsburger Ridle Baku und einer Drehung zu Boden sank, sich dort krümmte, und nach minutenlanger Erstbehandlung von zwei Betreuern gestützt vom Rasen humpelte.
In der Geschichte der Sportart Fußball ist das die tragische Choreographie, die einer schweren Knieverletzung vorangeht. Am Sonntag, nach einer Kernspin-Tomographie, wurde der Verdacht von Bayer 04 bestätigt. „Baumgartlinger droht längerfristiger Ausfall“, vermeldete Bayer 04. Vor dem zu erwartenden Befund Kreuzbandriss wolle man noch die Meinung eines Münchner Knie-Spezialisten einholen. Unabhängig davon scheint klar, dass die Saison für den Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft beendet ist.
Dieses Unglück wog schwerer als die 0:1-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg. Der 33-Jährige war in den erfolgreichen Wochen des Spätherbstes, als Bayer 04 die am längsten ungeschlagene Mannschaft der Fußball-Bundesliga und kurzfristig auch ihr Tabellenführer war, die große Konstante in der Defensivordnung. Wochenlang hatte er den an einer komplizierten Achillessehnenentzündung leidenden Charles Aránguiz auf der Sechser-Position mit glänzenden Leistungen ersetzt.
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Die Werkself schien nach dessen Rückkehr über zwei sehr unterschiedlicher, aber hervorragende Zentralspieler im defensiven Mittelfeld zu verfügen. Nach 74 Minuten hatte Aránguiz gegen Wolfsburg Feierabend, der Kollege Baumgartlinger sollte die restlichen 16 Minuten plus Nachspielzeit zu Ende bringen. Es wurden dann aber nur sieben.
Wie schwer der Verlust einer wichtigen Kraft wiegt, zeigte der Verlauf des Werksklub-Duells mit dem VW-Team aus Niedersachsen. So lange die Frische reichte, hatte Bayer 04 die Wolfsburger in große Verlegenheit gebracht. Das war am Samstag 20 Minuten lang. „Da haben uns die Leverkusener am Leben gelassen“, gab VfL-Trainer Oliver Glasner zu. Alleine in den ersten zehn Minuten hatten die Gastgeber drei extrem gute Torchancen, aber Lucas Alario scheiterte sowohl am Pfosten, als auch an einem Reflex des Torhüter Koen Casteels. Nadiem Amiri hatte bereits nach wenigen Sekunden den Wolfsburger Lacroix zu einer Rettungstat gezwungen.
Danach setzte sich die weder durch Europacup-Doppelbelastung, noch durch den Wegfall einer Sommervorbereitung geschwächte Physis des gut ernährten VfL-Kaders durch. Das defensive Mittelfeld um Xaver Schlager und Maximilian Arnold räumte alles weg. Und die Außenverteidigung Otavio und Mbom legten nach und nach das Leverkusener Flügelspiel lahm. Wolfsburg nutzte einen groben Abwehrpatzer in der 35. Minute zum Tor des Nachmittags. Jonathan Tah spielt den Ball bei einem Klärungsversuch vor die Füße von Renato Steffen, der alle Zeit hatte, eine feine Flanke auf den Kopf des vergessenen Jung-Nationalspielers Ridle Baku zu schlagen, der den Ball wuchtig ins Tor köpfte.
Darauf hatte Bayer 04 trotz 65 Prozent Ballbesitz keine Antwort mehr. Eine klare Torchance durch einen Schuss von Daley Sinkgraven Mitte der zweiten Halbzeit war das einzig Produktive. „Wir hatten nicht mehr die Kraft und die Frische, um Wolfsburg das Leben schwer zu machen“, sagte Trainer Peter Bosz. Und es wird trotz der letzten Woche ohne Doppelbelastung für lange Zeit nicht besser. Kapitän Lars Bender musste mit geprelltem Hinterkopf und einer schmerzenden Wade raus. Und Mittelstürmer Patrik Schick hatte sich im Abschlusstraining eine Fußverletzung zugezogen. Noch belegen die Leverkusener in der Liga Platz drei (32 Punkte). Doch nur drei Punkte dahinter liegt Dortmund auf Platz sieben. „Ich schaue nicht auf die Tabelle“, behauptete Peter Bosz, „denn sie nützt uns nichts, wenn wir unsere Spiele nicht gewinnen.“